Ralf Rangnick steht vor einem Engagement beim AC Mailand. Warum es schon vor seinem Amtsantritt Konflikte gibt. Und was Rangnick an der Aufgabe beim italienischen Weltklub dennoch reizen könnte.
Somit scheinen die bei Sport1 geäußerten Bedenken von Ex-Bayern-Stürmer und Weltmeister Luca Toni unbegründet: „Falls Milan gestandene Spieler und fertige Stars kaufen will, dann würde mir ein Trainer gefallen, der einen größeren Namen als Rangnick hat.“
Trotzdem gibt es auch Kritik an den Plänen der Mailänder, Rangnick sämtliche Schlüssel des Vereins anzuvertrauen. Vor allem Milan-Legende Paolo Maldini, derzeit noch Technischer Direktor beim italienischen Traditionsklub, kritisiert, dass Rangnick die „ganze Macht“ wolle. Mit seinem „Platzsturm“ grätsche Rangnick, dessen Detailversessenheit ihn laut Kritikern bisweilen zum Kontrollfreak mutieren lasse, in Bereiche rein, in denen „Fachleute mit regulärem Vertrag arbeiten“, ließ Maldini über die italienische Nachrichtenagentur Ansa verlauten.
Und auch die Tifosi der Rossoneri stoßen in das gleiche Horn. Eine Umfrage ergab, dass die Mehrzahl nicht wirklich von der Idee überzeugt ist, den ehemaligen Leipzig-Coach sowohl die Position des Sportdirektors als auch die des Trainers zu übertragen. Zumal Milan durch die vor Jahresfrist durchgeführte Installierung von Manager Zvonimir Boban, Sportdirektor Frederic Massara, dem Technischen Direktor Paolo Maldini und Cheftrainer Stefano Pioli gerade erst eine Rundumerneuerung der Führungsebene hinter sich hat.
Zvonimir Boban wurde im März allerdings schon wieder entlassen. Angeblich, weil er sich nicht mit den Vereinsplänen und der Personalie Ralf Rangnick anfreunden konnte. Sollte Rangnick wirklich der neue starke Mann beim AC Mailand werden, ist zudem der Verbleib von Milan-Legende Maldini nach dessen Aussagen äußerst unwahrscheinlich. Problematisch könnte das wahrscheinliche Rangnick-Engagement auch sein, da es derzeit sportlich keinen wirklichen Anlass für ein komplettes Umkrempeln des Vereins gibt. Erstmalig seit dem Amtsantritt von Trainer Pioli spielt die Mannschaft derzeit erfolgreichen und auch ansehnlichen Fußball. Aus den sieben Partien seit dem Re-Start holte Milan 17 von 21 möglichen Punkten und schlug dabei Spitzenteams wie Lazio Rom und Rekordmeister Juve.
Ralf Rangnick schlägt also schon vor dem möglichen Amtsantritt sehr viel Gegenwind aus Italien entgegen. Dennoch könnte er, der schon monatelang italienisch lernen soll, Gefallen am Engagement beim Mailänder Verein finden. Bisher hat er nur im deutschsprachigen Raum gearbeitet. Ein fremdes Land könnte ihn reizen. Zudem wäre Milan noch einmal eine andere Hausnummer als die Klubs, für die Rangnick bisher gearbeitet hat.
Mit dem AC Mailand würde Rangnick nach eher kleineren (SSV Ulm), wenig traditionsreichen (TSG Hoffenheim, RB Salzburg/Leipzig) und schwer reformierbaren (Schalke 04) Stationen erstmals einen absoluten Weltklub betreuen. Auch persönlich fühlt sich Rangnick dem Verein verbunden. Er ist großer Verehrer von Arrigo Sacchi, der bei Milan Ende der 1980er Jahre einen vorher nicht dagewesenen Offensivstil implementierte, und mit seinem Team bis Mitte der 1990er Jahre Europa dominierte. Gegenüber The Coaches´ Voice verriet Rangnick einmal, dass er zum Beginn seiner Karriere Videokassetten von Sacchis Milan sehr genau analysiert habe. So genau, dass der Videorekorder seinen Geist aufgab.
Doch nicht nur die Bewunderung des Vereins, sondern auch die Chance auf eine neue Dimension im eigenen Lebenswerk könnte den ehrgeizigen Rangnick motivieren. Gelingt der erfolgreiche Umbau des AC Mailands käme das einer bestandenen Meisterprüfung gleich. Rangnick würde zu einem der ganz großen Architekten im modernen Fußball aufsteigen. Noch muss Ralf Rangnick nämlich den Beweis erbringen, dass er nicht nur auf dem Reißbrett entworfene Neubauten hochziehen kann, sondern auch in der Lage ist, ein altes Schloss mit skeptischen Bewohnern zu restaurieren.