Nach wie vor ruht der Ball in Italien, doch die Boulevardpresse hat trotzdem ihre helle Freude: Giorgio Chiellini und Mario Balotelli gehen sich gerade nämlich öffentlich an die Gurgel. Und die gesamte italienische Fußballprominenz keilt munter mit. Was ist da los?
Im Deutschrap-Business ist es ein altbewährtes Mittel bei einem anstehenden Album ein bisschen „Welle zu machen“: schonmal ein paar Kostproben droppen, hier und da mal aufmucken, einige Kontroversen in die Öffentlichkeit streuseln und sich damit selbst wieder auf die Bildfläche bringen. Im Fußball reichen dafür gewöhnlich gute Leistungen auf dem Platz. Es sei denn du bringst ein Buch heraus. In Corona-Zeiten. Dann pöbelst du am besten einfach wild drauf los. So wie Giorgio Chiellini es gerade tut.
Der 35-jährige Italiener hat am Wochenende lautstark gegen Mario Balotelli ausgeteilt. In einem Interview mit La Repubblica nannte Chiellini seinen ehemaligen Mitspieler „eine negative Person ohne Respekt für die Gruppe“ und meinte, er gehöre geohrfeigt. Dabei ging es Chiellini konkret um Balotellis Verhalten während des Confed-Cups 2013, dort sei er keine Hilfe gewesen. „Er denkt, er gehört zu den fünf besten Spielern der Welt“, sagte Chiellini, ist sich allerdings sicher, dass Balotelli „nicht mal zu den besten zehn oder 20 gehört.“ Was genau zwischen den beiden vorgefallen ist, konkretisierte Chiellini übrigens nicht – möglicherweise aus Promozwecken.
„Why always me?“, dachte sich da offenbar Mario Balotelli und feuerte stracks zurück.
Denn natürlich lässt ein „Enfant Terrible“ derartige Kritik nicht lange auf sich sitzen, auch wenn es in den vergangenen Jahren gar nicht mehr so „terrible“ unterwegs war. In seiner Instagram-Story entgegnete er Chiellini: „Zumindest habe ich die Aufrichtigkeit und den Mut, jemandem etwas direkt ins Gesicht zu sagen“ und fügte an, Chiellini habe doch seit 2013 genug Zeit und Möglichkeiten gehabt, persönlich mit ihm zu reden.
22 Mal standen Balotelli und Chiellini gemeinsam für die Squadra Azzurra auf dem Platz, Teamkollegen auf Vereinsebene waren sie nie.
Denn während Chiellini seine fußballerische Karriere der Alten Dame gewidmet hat, ist Mario Balotelli gut in der Fußballwelt herumgekommen. Nachdem er unter anderem für Manchester City, den AC Mailand und Olympique Marseille gespielt hat, ist der Stürmer mittlerweile in der ruhigen Lombardei gelandet und spielt dort mit Bresica Calcio gegen den Abstieg. Für die italienische Nationalmannschaft stand Balotelli zuletzt 2018 auf dem Feld. Seither haben sich die Wege der beiden nicht mehr gekreuzt.
Chiellini gilt als äußerst gebildet, genießt in Italien ein hohes Ansehen, ist Kapitän der Nationalmannschaft und von Juventus Turin und gewann mit Juve neunmal den Scudetto. Doch „wenn sich so ein Champion verhält, dann bevorzuge ich es, keiner zu sein“, ätzte Mario Balotelli.
„Wer weiß, wie du in ein paar Jahren über deine jetzigen Teamkollegen sprichst – komischer Kapitän“, ergänzte Balotelli dahingehend.
Und der Kritik schloss sich Ex-Spieler Marco Tardelli an, der sich über Twitter in den öffentlichen Streit einmischte. Der Weltmeister von 1982 verglich Giorgio Chiellini mit anderen großen italienischen Mannschaftskapitänen wie Dino Zoff und Gateano Scirea unter denen Tardelli seinerzeit auflief: „Von ihnen habe ich gelernt, deinen Gegner immer mit Respekt zu behandeln.“ Denn Hass erzeuge bloß weiteren Hass. Daher sei Tardelli tief enttäuscht von Giorgio Chiellinis Aussagen. Gerade weil Chiellini einer der Führungspersonen der italienischen Spielervereinigung AIC ist. „Seine Kollegen sollten ihn eigentlich als Bezugspunkt sehen.“
Noch heftiger als gegen Balotelli teilte Chiellini übrigens gegen Felipe Melo aus. Mit dem Brasilianer spielte er zwischen 2009 bis 2013 bei Juventus Turin zusammen und sagte nun über ihn: „Melo ist der Schlimmste der Schlimmen.“ Auch ihm sprach er den nötigen Respekt ab, die beiden hätten häufig unmittelbar vor einem Kampf gestanden und er verglich ihn mit einem „faulen Apfel“. Tiefer ins Detail ging es aber auch in seiner Causa nicht.
Melo hingegen ist sich keiner Schuld bewusst. Der Brasilianer habe alle seine Mitspieler respektiert, auch Chiellini. Das hat sich jedoch nun geändert: „Von jetzt an habe ich keinen Respekt mehr vor ihm“, sagte Felipe Melo, der heute wieder in seinem Heimatland bei Palmeiras Sao Paolo unter Vertrag steht.
Und was wäre eine Album-Promotion im Rap-Business ohne ein bisschen Hate gegen das verfeindete Label? In Chiellinis Fall heißt das, auch Inter Mailand noch ein paar Worte mit auf den Weg zu geben. So widmet er sich in seinem Buch auf einigen Seiten den Schwarz-Blauen und äußerte in der La Repubblica schon mal einen Vorgeschmack: „Ich hasse sie so, wie Michael Jordan die Detroit Pistons hasst. Es ist unmöglich, sie nicht zu hassen.“
Die italienische Boulevardpresse freut es, wie Chiellini austeilt, wie sich ein Akteur nach dem anderen in die Diskussion einmischt und mittlerweile auch Luca Toni, Antonio Cassano und Christian Vieri über Social Media fleißig mitphilosophieren, was Chiellini wohl bewegen mag. Dabei soll es ihm selbst recht sein, täglich kostenlose Werbung für sein Buch zu bekommen. Heute kommt die Autobiografie, die übrigens „Ich, Giorgio“ heißt, auf den Markt. Wir werden also bald erfahren, ob das Buch noch mehr Detonationspotential enthält.