Plötzlich war er da: Superstar Raúl auf Schalke. Heute vor zehn Jahren wechselte der spanische Weltstar ins Ruhrgebiet. Über einen Transfer, der nicht nur die Fans von Schalke 04 verzaubern sollte.
Raul war greifbar echt und doch wirkten seine Auftritte im Trikot des FC Schalke für mich bis zum Ende fast surreal. Jedes Wochenende musste ich mich von Neuem überzeugen, dass er wahrhaftig auf dem Platz stand. Mein Liebe zum FC Schalke, über Jahre durch Tiefschläge und Enttäuschungen auf ein erträgliches Maß abgekühlt, entflammte mit jedem Auftritt Rauls im königsblauen Trikot neu.
Raul machte mich zum Fan im Teenager-Modus: hochnervös, rotwangig, ein bisschen verliebt und sehr naiv. Ich glaubte, dass es immer so weiter gehen würde. Raul würde noch zehn Jahre bleiben, noch zehn Jahre auf Raul-Niveau weiterspielen, Schalke 04 zwangsläufig zum aufregendsten Klub der Liga machen. Dass das ein Irrglaube war, wurde spätestens mit dem Abgang von Felix Magath deutlich. Fast wöchentlich schwand das Standing des Weltstars in der Schalke-Elf. Vor der neuen Saison wurde erstmals über einen vorzeitigen Weggang spekuliert. Trainer Ralf Rangnick könne nichts mit ihm anfangen, hieß es. Absurd. Und alles, was vorher so herrlich blumig war, wurde schleichend wieder grau, wieder unverständlich, wieder Schalke.
Ein Teppich aus Liebe
Zu seinem letzten Auftritt im Trikot von Schalke 04 fuhr ich extra nach Bremen. Ich wollte Gott noch einmal über den Rasen schweben sehen. Eine Woche zuvor hatte er sich unter Tränen von den Fans in der Arena verabschiedet. Selbst beim Anblick der Nachberichterstattung hatte ich noch einen Klos im Hals. Doch in Bremen saß Raul 85 Minuten lang auf der Bank. Dann stand er auf und ging in die Kabine. Auf den fünfzig Metern von der Ersatzbank zum Spielertunnel im Weserstadion blickte er schüchtern zu Boden wie an seinem ersten Tag. In der Hand hielt er kein Stück Kohle, sondern seine Schienbeinschoner.
Plötzlich erhob sich das gesamte Stadion und applaudierte. Auf diesem Soundteppich aus Liebe marschierte Raul aus der Bundesliga. Aus dem Gästeblock ertönte ein letztes Mal das trotzige Credo der vergangenen zwei Jahre im Senor-Rausch und auch ich brummte sehr leise und sehr traurig mit: „Keine Schale in der Hand, Peter Zwegat auf der Bank – scheißegal wir ham Raul!“