Hertha BSC ist das vielleicht ambitionierteste Projekt in der Bundesliga – und spielt derzeit den unansehnlichsten Fußball. So viel Geld, um den Klub in Nullkommanichts zur Spitzenmannschaft zu machen, hat nicht mal Lars Windhorst.
Leider gibt es im Fußball ja nicht so etwas wie ein Blind Date. Aber mal angenommen, es wäre theoretisch möglich gewesen, dass jemand sich am Samstag das Spiel zwischen Hertha BSC und Mainz 05 angeschaut hätte, ohne zu wissen, wen oder was er da sieht, der Proband hätte wohl nicht auf ein Spiel der ersten Fußball-Bundesliga getippt, sondern eher auf unteres Mittelfeld Zweite Liga oder Abstiegskampf in Bulgarien. Wenngleich der Siebener der Roten (der Mainzer Quaison) dafür eventuell ein bisschen überqualifiziert gewesen wäre.
Schluss mit der Lästerei, Fakt ist, dass mit Hertha BSC das vielleicht ambitionierteste Projekt in der Bundesliga derzeit den unansehnlichsten Fußball spielt. Ein bisschen scheint es so, als würden am Olympiastadion parallel zwei sehr unterschiedliche Filme gedreht, die nichts miteinander zu tun haben. Zum einen die Saga vom Big City Club mit den Windhorst-Millionen, die Hertha als künftigen Glamourklub des deutschen Fußballs inszeniert. Zum anderen die Geschichte einer Grauen Maus im Abstiegskampf, ein Sozialdrama mit spröden Bildern und noch weniger Torchancen.
Das einzige Bindeglied zwischen diesen Filmen ist Jürgen Klinsmann, der über das einzigartige Talent verfügt, in beiden Streifen mit dem gleichen berufsoptimistischen Wird-schon-werden-Gesicht mitzuspielen. Doch ob das am Ende wirklich was wird, ist im einen wie im anderen Fall höchst ungewiss. Natürlich gibt es immer noch geeignetere Abstiegskandidaten als Hertha BSC, doch angesichts von nur drei geschossenen Toren in sechs Heimspielen und Offensivbemühungen, die als uninspiriert zu bezeichnen noch euphemistisch wäre, wird die Sache mit dem Klassenerhalt zumindest kein Selbstläufer. Zumal als Damoklesschwert die statistische Schrulle dräut, dass Hertha in den letzten Jahren noch jedes Mal in der Rückserie schlechter abgeschnitten hat als in der Hinrunde.
Aber gut, gehen wir trotz allem mal davon aus, dass Klinsmann, Windhorst & Co. dem Teufel von der Schippe springen. Danach wird es dann nämlich richtig spannend. Schon in diesem Winter hat kein Verein in Europa mehr Geld für Verstärkungen ausgegeben als Hertha BSC, im Sommer wird es vermutlich im gleichen Stil weitergehen. Spätestens dann wird weder dem Investor noch dem Publikum ein Leben jenseits der Europapokal-Plätze vermittelbar sein.
Allein: Wer an diesem Spieltag das Hertha-Spiel gesehen hat und später zum Beispiel das Feuerwerk zwischen Bayer Leverkusen und dem BVB, der konnte feststellen, wie groß der Unterschied zwischen diesen beiden Welten ist. Will sagen, Lars Windhorst könnte wahrscheinlich alle Millionen in diesem Kader pumpen, die er besitzt, und würde bei den aktuellen Marktpreisen wohl trotzdem maximal eine Mannschaft von der Stärke von, sagen wir mal, Eintracht Frankfurt zusammenbekommen (womit man womöglich sogar der schlau zusammengestellten Eintracht noch unrecht täte).
Ob Hertha BSC also irgendwann tatsächlich jener Big City Club wird, den sich die Macher erträumen, hängt neben den finanziellen Mitteln von einer Menge anderer Faktoren ab. Einer sportlichen Leitung, die diese Mittel nicht nur nach dem Gießkannenprinzip ausschüttet. Einem Trainer, der sein Handwerk versteht. Und der Geduld, einige Jahre Aufbauarbeit als Notwendigkeit zu akzeptieren. Alles drei erscheint ziemlich fraglich.