Die Woche in Königsblau war gut. Die Transfermaschine läuft, Angstgegner werden besiegt, und doch drohen bereits zukünftige Stürme. Wie der Klub sich dafür wappnet.
Diese Woche ist bislang eine gute für den FC Schalke 04, und das liegt auch am SC Verl. Gegen den Drittligisten hat der Bundesliga-Rückkehrer nämlich am Mittwochabend gewonnen. Kein großes Ding könnte man meinen, zumal ein Zuschauer im Parkstadion vor der Partie beim Stadionsprecher auf einen zweistelligen Sieg getippt hatte. Schalke gewann letztlich etwas mühsam mit 1:0, aber damit war ein weiterer Schatten der Vergangenheit verscheucht. In der Vorbereitung zur vorletzten Saison verlor Schalke gegen den SC Verl nämlich mit 4:5. Was folgte, war eine der schlimmsten Spielzeiten der Vereinsgeschichte, das Ende der Ära Tönnies und ein kompletter Reset des Klubs. Tja, und nun kann Schalke sogar gegen Verl gewinnen.
Auch gut an dieser Woche ist, dass Schalke mit Maya Yoshida den Kapitän der japanischen Nationalmannschaft verpflichtet hat. Er ist zwar schon 33 Jahre, war aber letzte Saison noch Stammspieler bei Sampdoria Genua und hat über 150 Mal für Southampton in der Premier League gespielt. Bei seiner Vorstellung machte der Innenverteidiger zudem einen ziemlich lässigen, sogar charismatischen Eindruck. „Mit ihm gewinnen wir auf dem Platz einen Anführer, der unser Spiel aus der Abwehr heraus organisieren kann“, sagte Schalkes Trainer Frank Kramer. Man glaubte ihm das sofort.
Gefühlt hilft die Verpflichtung des Japaners Yoshida auch über den Verlust des Japaners Ko Itakura hinweg, auch wenn Letzterer nur Aushilfsverteidiger und eigentlich Mittelfeldspieler war. Itakura, von Manchester City ausgeliehen, war fußballerisch Schalkes herausragender Spieler in der Aufstiegssaison. Doch die fünf Millionen, um ihn zu verpflichten, hatte Schalke nicht, er wechselte zu Borussia Mönchengladbach. Als Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers seinen Abgang auf der Jahreshauptversammlung Mitte Juni erklärte, gab es dafür Beifall. „Uns sind Grenzen gesetzt. Ein Transfer dieser Größenordnung passt einfach nicht in unser Budget“, sagte sie damals. Die Schalker Gemeinde applaudierte ihr und letztlich auch sich selbst.
Ein merk- wie denkwürdiger Moment war das, denn es war ein Applaus für Vernunft und Bescheidenheit. Er sagte: Wir geben kein Geld mehr aus, das wir nicht haben. Wir sind in der Nahrungskette nicht mehr vorne und wissen es auch. Wir backen kleinere Brötchen, weil wir noch immer 180 Millionen Miese haben. Klatsch, klatsch, klatsch! Langjährige Beobachter erkannten den Klub nicht mehr wieder: Das ist nicht mein Schalke!
Die neue Vernunft wird von oben vorgelebt. Wie, das haben wir in einer großen Reportage nachgezeichnet, bei der wir die Schalker Entscheidungsträger durch die letzte Saison begleiteten. Dort sagte Aufsichtsratschef Axel Hefer nach dem Aufstieg: „Wir werden nächstes Jahr merken, ob es eine nachhaltige Veränderung gegeben hat, weil wir dann gegen den Abstieg spielen werden. Da ist der gefühlte Druck auf jeden einzelnen höher, und zwar deutlich.“ Vom Personaletat her ist Schalke zweifellos ein Abstiegskandidat, das gab es seit Jahrzehnten nicht.
Vor einem Jahr stand der FC Schalke 04 am Abgrund. Da wagte der Klub einen Neuanfang. Ein Jahr hinter den Kulissen des Vereins.
Noch hat sich der Druck nicht richtig aufgebaut, aber einmal stieg er bereits deutlich an. Viele Schalke-Fans waren enttäuscht bis entsetzt, als Bielefelds Abstiegstrainer Frank Kramer als neuer Coach vorgestellt wurde. Zu blass fanden sie ihn, zu wenig überzeugend seine Ergebnisse an vorherigen Stationen. Kramers Verpflichtung war allerdings auch eine Folge der besonderen Schalker Umstände. Laut Bundesliga-Flurfunk hatten Kandidaten wie Daniel Farke und Florian Kohfeldt abgewunken, als sie hörten, dass Mike Büskens als Co-Trainer gesetzt sei. Zwar hat Büskens mehr als deutlich gemacht, dass er keineswegs die Ambition hegt, Cheftrainer zu sein – ganz im Gegenteil. Aber bei jeder sportlichen Krise wird natürlich wie selbstverständlich die Forderung nach dem Mann laut werden, der Schalke letzte Saison mit viel Gefühlsaufwallung über die Ziellinie zurück in die Bundesliga führte.
Inzwischen hat sich jedoch gegenüber Kramer eine Lass-ihn-doch-erst-mal-machen-Haltung durchgesetzt. Die Stimmung gehoben hat auch, dass Sportdirektor Rouwen Schröder auf dem Transfermarkt ins Rollen gekommen ist. Am Donnerstagmorgen wurde mit dem Rechtsverteidiger Cedric Brunner bereits der achte Neuzugang vermeldet. Wobei für Stirnrunzeln dann doch die Verpflichtung von Sebastian Polter sorgte. Der Mittelstürmer schoss für den VfL Bochum in der letzten Saison zwar zehn Tore, ist aber ein ähnlicher Spielertyp wie Aufstiegsgott Simon Terodde. Dass beide zusammen spielen, ist, von wilden Aufholjagden in den Schlussminuten abgesehen, kaum vorstellbar. So läuft es auf ein Job-Sharing in der Angriffsmitte hinaus, was auf dieser Position immer ein gewagtes Konzept ist.
In dieser guten Woche fanden übrigens Levent Mercan und Hamza Mendyll feste Abnehmer und verschwanden damit final von der Payroll. Dort finden sich mit Amine Harit und Ozan Kabak aber weiterhin zwei Spieler mit opulenten Alt-Verträgen, die in der letzten Spielzeit ausgeliehen waren. Harit kann nach einer ordentlichen Saison bei Olympique Marseille darauf hoffen, dass der Klub ihn kauft. Dagegen ist Kabaks Marktwert nach einem unglücklichen Jahr beim Premier-League-Absteiger Norwich weiter gesunken ist. Beide sind freigestellt, um neue Klubs zu finden. Die Schatten der Vergangenheit sind halt noch lange nicht alle verschwunden, aber zumindest Verl ist jetzt keiner mehr.