Der Konflikt zwischen der Fanszene des TSV 1860 und Investor Hasan Ismaik ist um ein bizarres Kapitel reicher: Neuerdings verkauft Ismaiks Merchandising GmbH Shirts mit einem von Fans ersonnenen Slogan, der bislang Geld in die Kassen des e.V. spülen sollte. Der Erfinder des Claims, Benedikt Niedergünzl, kann sich nur wundern.
Benedikt Niedergünzl, seit Juni 2021 vertreiben Sie Merchandise mit einem Löwen-Emblem und dem Slogan „Wir sind der Verein – 1860 München“ (siehe: www.tsv1860.org). Die Erlöse kommen dem e.V. zugute. Seit ein paar Tagen gibt es nun zum Verwechseln ähnliche Shirts und Hoodies, die direkt von der „1860 Merchandising GmbH“ (vergleiche: tsv1860-shop.de) vertrieben werden, die Investor Hasan Ismaik gehört. Was ist da los?
Vor einem Jahr ging ich auf den Verein mit der Frage zu, ob wir nicht ein eigenes Logo für das Merchandising des Hauptvereins kreieren wollen, um ein klares Unterscheidungsmerkmal zu den Artikeln zu haben, die von Isamiks Merchandising GmbH vertrieben werden.
Weil Ismaik, der die Markenrechte von 1860 im Jahr 2012 für zwanzig Jahre gekauft hat, aus Ihrer Sicht zu wenig aus dem Merch-Verkauf zurück in den Verein fließen lässt?
Nun ja, mein Bruder und ich schlugen dem e.V ein leicht verändertes Löwen-Logo mit dem Claim „Wir sind der Verein – 1860 München“ vor, um mit dem Verkauf den gemeinnützigen Gesamtverein zu unterstützen. Die Einnahmen sollen auch dem Nachwuchsleistungszentrum zugute kommen, dem Herzstück unseres Vereins, aus dem in der Vergangenheit viele Profis hervorgegangen sind.
Aber dafür zeichnet doch die KGaA verantwortlich?
Aber die ist chronisch klamm. Obwohl die U19 zur KGaA gehört, wird das NLZ weitgehend vom e.V. finanziert und seit ein paar Jahren fließt dem Vernehmen nach auch der mittlere sechsstelliger Betrag nicht mehr, den die KGaA eigentlich als Ausbildungsvergütung an den e.V. zahlen müsste. Auch deshalb gibt es mittlerweile mit unserem Logo Shirts, Hoodies, Caps, Badehosen und vieles mehr. Dies hat scheinbar die Aufmerksamkeit von Anthony Power, dem Geschäftsführer der Merchandising GmbH, auf sich gezogen.
Wie unterscheiden sich Ihre T‑Shirts und Hoodies von denen der Merchandising GmbH?
Unwesentlich. Wir verwenden auf dem Logo den aktuellen Löwen, die Merchandising GmbH den sogenannten „alten“ Löwen. Unseren Claim haben sie einfach übernommen, was einer gewissen Ironie nicht entbehrt, denn aus meiner Sicht hätten sie besser schreiben sollen: „Wir sind die Merchandising GmbH“. Die hat ja faktisch nichts mit dem Verein zu tun. Ansonsten: Von der unterschiedlichen Qualität des leichten Sommershirts aus Ismaiks Herstellung und unseren Sachen, die aus 100 Prozent Bio-Baumwolle gemacht sind und einen hochwertigen Flock haben, kann sich jeder Fan selbst überzeugen.
„Erst Löwen wegen Markenrecht verklagen – Jetzt e.V. Design kopieren – Anthony du Luftpumpe scham di!”
Warum handelt Anthony Power so? Weil er erkannt hat, dass sich damit Geld verdienen lässt?
Vielleicht möchte er so seine Wertschätzung für den gemeinnützigen Verein ausdrücken. Eine Hommage an das Ehrenamt. Oder weniger romantisch gedacht: Er möchte provozieren, und dass auf sehr plumpe Art und Weise. Denn „copy & paste“ scheint beim Geschäftsmodell von Anthony Power durchaus mal vorzukommen. Schon früher hat sich die Merchandising GmbH bei verschiedenen Szene-Shirts oder Stickern aus meiner Sicht schamlos bedient, was einiges über die Kreativabteilung der Firma aussagt. Wenn sie mal selbst gestalterisch aktiv wird, ist das Ergebnis aus Sicht eines designaffinen Menschen wie mir eher eine ästhetische Zumutung. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.
Welche Möglichkeiten haben Sie? Erwägen Sie rechtliche Schritte wegen Plagiats oder sind Sie da wegen der klaren Verhältnisse bezüglich der Markenrechte eher in der Defensive?
Nach anwaltlicher Auskunft könnte sowohl der Designer als auch der Verein Ansprüche geltend machen. Für den Verein kann ich nicht sprechen, aber was mich und meine Mitstreiter anbetrifft, gebe ich zu, dass wir von derartigen Auseinandersetzungen müde sind. Anthony Power hat als Geschäftsführer der Merchandising GmbH Fans bereits wegen der Nutzung von Fanartikeln abgemahnt und verklagt. Gott sei Dank mit glimpflichem Ausgang, nicht zuletzt, weil sich auch Funktionäre des Vereins stark für die Fanbelange eingesetzt haben. Man muss sich also gut überlegen, ob man diese Türe wieder öffnen will oder sich besser nicht provozieren lässt. Ich persönlich empfinde es so, dass es Power um e.V.-schädliche Störfeuer geht. Aber warten wir mal ab, wie das weitergeht, vielleicht gibt es ja noch eine interne Lösung.
Wie sind nun die ersten Reaktionen aus Fankreisen? Kaufen die jetzt alle bei Ismaik, weil sein Shirt ja statt 30 Euro beim e.V. nur 24,95 Euro kostet?
Billiger ist nur das Shirt, der Hoodie ist knapp 10 Euro teurer. Nach Ankündigung des Shirts durch die Merchandising GmbH Mitte Mai 2022 gab es beim Heimspiel gegen Borussia Dortmund II ein Spruchband mit dem Aufdruck: „Erst Löwen wegen Markenrecht verklagen – Jetzt e.V. Design kopieren – Anthony du Luftpumpe scham di!” Im „Brunnenmiller”, dem Spieltagsmagazin der aktiven Fanszene, gab es einen kritischen Artikel und in Blogs und Foren brachten etliche ihren Unmut zum Ausdruck. Nur der größte Löwenblog „DieBlaue24“ hat sich dem nicht gewidmet. Der spart erfahrungsgemäß alles aus, was man an Kritik in Richtung des Hauptgesellschafters wahrnehmen kann. Dabei sollte die Shirt-Frage eigentlich genau das Thema des dort tätigen modeaffinen Bloggers sein, der im Urlaub auch gerne Fotos von sich mit dem Hashtag #dubaifashionblogger garniert.