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Mehr als 100 Jahre lang kam die deut­sche Natio­nalelf prima ohne einen Spitz­namen aus. Dann aber, im Vor­feld der WM 2010, brach unver­mit­telt eine Neid­de­batte über die Nation herein. Andere Teil­nehmer am Tur­nier trugen wohl­klin­gende Bezeich­nungen wie Albice­leste“ (Argen­ti­nien), Squadra Azzurra“ (Ita­lien), La Furia Roja“ (Spa­nien) oder Seleção“ (Bra­si­lien). Deutsch­land war bloß Deutsch­land. Das schien ein gra­vie­render Nach­teil zu sein und so begann die große Abstim­mungs­manie. 

Im Mai fragte die Süd­deut­sche Zei­tung ihre Leser nach einem guten Aus­druck für die DFB-Aus­wahl (was streng­ge­nommen ja schon ein Spitz­name ist), im Juni waren dann die User einer Online-Tages­zei­tung aus Karls­ruhe dran, im Juli die Zuschauer des ZDF, schließ­lich die Leser des kicker und die Besu­cher der von Oliver Kahns Manage­ment ins Leben geru­fenen Web­site fan​o​rakel​.de.

Flying Spargel“ oder Die tollen Knollen“

Einige der Vor­schläge waren gelinde gesagt bemer­kens­wert. Im Badi­schen zum Bei­spiel fanden Umfrage-Teil­nehmer Gefallen an Flying Spargel“, Jogis Löwen“ oder Die tollen Knollen“. Beim ZDF konnte man für Die Müll(er)abfuhr“, Schlandis“ und sogar Die Panzer“ stimmen. (Was vier Pro­zent dann auch taten, hof­fent­lich waren es Spaß­vögel.) Am Ende gewann: die Adler. 

Durch­setzen konnte sich dieser neue Name aller­dings nicht. Denn vier Jahre später, im Juni 2014, bestand das drän­gende Pro­blem offenbar immer noch. Jeden­falls klagte die dpa erneut: Etliche bei der Fuß­ball-Welt­meis­ter­schaft ver­tre­tene Mann­schaften haben ori­gi­nelle Spitz­namen. Nur Deutsch­land bildet die abso­lute Aus­nahme: Das Team von Trainer Joa­chim Löw hat als ein­ziges der 32 WM-Teil­nehmer keinen.“

La“, The“ oder A“ Mann­schaft

Dabei hatten einige Schlau­meier schon bei der Debatte 2010 darauf hin­ge­wiesen, dass die Natio­nalelf (auch dies ein Spitz­name!) doch durchaus schon unter einer anderen Bezeich­nung bekannt wäre, zumin­dest im Aus­land. Dort nannte man das deut­sche Team, je nach Mut­ter­sprache, la“, the“ oder a“ Mann­schaft. Manchmal setzte man sogar noch einen deut­schen Artikel davor. So schrieb die eng­li­sche Zei­tung Daily Mirror nach dem sen­sa­tio­nellen deut­schen Sieg gegen Bra­si­lien bei der WM 2014: Die Mann­schaft ran out 7 – 1 win­ners in Belo Hori­zonte.“

Woher hatten die aus­län­di­schen Bericht­erstatter diesen Aus­druck? Zwar trug 1986 ein Buch von Ludger Schulze über die Geschichte der deut­schen Natio­nalelf den Titel Die Mann­schaft“, doch ers­tens darf man bezwei­feln, dass es außer­halb der Lan­des­grenzen sehr große Ver­kaufs­zahlen erreichte, zwei­tens war der Begriff zu jener Zeit zumin­dest bei unseren hol­län­di­schen Nach­barn bereits fest eta­bliert. So titelte die Zei­tung Lee­u­warder Cou­rant schon am 15. Juni 1970: Vers­lagen Mann­schaft ver­raste Enge­land: 3 – 2.“ Was heißen sollte, dass die unter­le­gene deut­sche Natio­nalelf Eng­land über­raschte und nach 0:2‑Rückstand im Vier­tel­fi­nale der WM noch 3:2 gewann. (Fast exakt vier Jahre später lau­tete übri­gens eine Über­schrift im Nieuwe Leid­sche Cou­rant: West­duits publiek ergert sich aan over­schatte ›Mann­schaft‹“. Doch wie sich zum Leid­wesen der Nie­der­lande noch zeigen sollte, ärgerte sich die west­deut­sche Öffent­lich­keit nicht mehr lange über ihre über­schätzte Natio­nalelf.)

Warum die Nie­der­länder diesen Aus­druck – anstatt des kor­rekten Natio­nal­mann­schaft“ – ver­wen­deten, ist unklar. Viel­leicht war ihnen dieses Wort zu lang und zu sperrig, viel­leicht über­setzten sie auch nur den Namen ihrer eigenen Aus­wahl, Neder­lands elftal“, ins Deut­sche und lan­deten bei „(deut­sche) Mann­schaft“. Jeden­falls legt ein kurzer Streifzug durch die inter­na­tio­nalen Zei­tungs­ar­chive nahe, dass der Begriff erst viele Jahre später auch in anderen Län­dern populär wurde. 

Simply known at home as the Mann­schaft“

Viel­leicht pas­sierte das wäh­rend der WM 1998. Da findet sich näm­lich la Mann­schaft“ plötz­lich in vielen fran­zö­si­schen Zei­tungen, was wie­derum einen Autor wie Roger Cohen von der New York Times inspi­riert haben könnte, der vor den Vier­tel­fi­nal­spielen daran erin­nerte, dass die deut­sche Natio­nalelf beson­ders gut darin ist, einen Rück­stand auf­zu­holen, oft in den letzten Minuten: This is an area in which the German team – known simply at home as the Mann­schaft – has excelled, regu­larly coming from behind, often in the last minutes.“ In spa­ni­schen und eng­li­schen Medien dau­erte es noch länger, bis der Spitz­name gebräuch­lich wurde. Erst zur WM 2010 tauchte er regel­mäßig auf.

Im Sommer 2015 über­nahm die Natio­nalelf den Begriff dann ganz offi­ziell, um ein neues Mar­ken­bild zu schaffen“, wie Manager Oliver Bier­hoff erklärte. Er sagte: Man hat gespürt, ohne anderen Mann­schaften zu nahe treten zu wollen, dass wir ›Die Mann­schaft‹ sind.“ Er hat Glück, dass die WM 2018 nicht in einem eng­lisch­spra­chigen Land aus­ge­tragen wird. Denn dort ist shaft“ ein Slang-Aus­druck für das männ­liche Geschlechts­organ, wes­halb die man shaft“ bei kind­li­chen Gemü­tern unkon­trol­liertes Geki­cher aus­lösen kann. Tja, viel­leicht sollte man doch noch mal über Flying Spargel nach­denken.