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Ralf Rang­nick, was ärgert Sie an Ihrem Beruf als Trainer?

Ich liebe meinen Job. Was mich stört ist die Art und Weise wie mit Trai­nern in
Deutsch­land umge­gangen wird.

Wie meinen Sie das?


Zwei Bei­spiele: In Eng­land sind im Vor­jahr drei Trainer ent­lassen worden. Alle drei waren zuvor fünf Jahre für ihren Verein tätig. In Bie­le­feld wird Frank Gei­deck zunächst zum Chef­trainer beför­dert und nach drei Wochen wieder zum Co-Trainer zurück­ge­stuft, obwohl der Verein ihn, seine Phi­lo­so­phie, seinen Cha­rakter und seine Stra­tegie seit zwölf Jahren kennt. Da zeigt sich, wie unter­schied­lich der Stel­len­wert unseres Berufs­standes ange­sehen wird. Ich habe durch meine Hos­pi­tanzen beim FC Arsenal, Ajax Ams­terdam und beim AS Rom die Unter­schiede per­sön­lich kennen gelernt. Der Respekt, der in anderen Län­dern dem Fuß­ball-Fach­mann und damit dem sport­li­chen Leiter ent­ge­gen­ge­bracht wird, ist viel, viel größer. Der Satz von Lever­ku­sens Vor­stand Wolf­gang Holz­häuser, Trainer sind nur eine tem­po­räre Erschei­nung“, zeigt eine Despek­tier­lich­keit, mit der vor allem in Deutsch­land unserem Berufs­bild begegnet wird. Unter diesem Mangel an Respekt ist bei­spiels­weise auch Gio­vanni Tra­pat­toni ver­zwei­felt, als er seine legen­däre Flasche-Leer“-Rede hielt.



Wie könnte Ihre Lebens­qua­lität als Fuß­ball­trainer in Deutsch­land gestei­gert werden?

Der Vor­stand bestimmt den Kurs eines Ver­eins. Also muss er sich seine Phi­lo­so­phie über­legen und sich einen Trainer holen, der diese Phi­lo­so­phie umsetzt und dafür ver­ant­wort­lich ist. So ist es zum Bei­spiel in Eng­land, wo die Trainer Team­ma­nager heißen und sämt­liche sport­liche Ent­schei­dungen treffen, auch, welche Spieler ver­pflichtet werden. Da in Deutsch­land nur wenige Prä­si­dien eine solche Phi­lo­so­phie haben, lassen sie sich vom Tages­ge­schäft leiten, von direkten Ergeb­nissen, von finan­zi­ellem Druck, geraten aus Unsi­cher­heit in Panik und fühlen sich zum Han­deln ver­pflichtet. Da ist es immer die ein­fachste Lösung – aber längst nicht immer die beste oder rich­tige, wie Sta­tis­tiken belegen – den Trainer zu feuern. Selbst die Medien haben einen unge­sund großen Ein­fluss.

Aber die Medien sind die Schnitt­stelle zwi­schen Verein und Öffent­lich­keit.

Natür­lich. Die Medien sind der größte und beste Mul­ti­pli­kator. Aber das heißt ja nicht, dass sich Ver­eins­vor­stände von den Medien dik­tieren lassen müssen, was sie zu tun oder zu lassen haben. Sie müssen eigene Stärken und Phi­lo­so­phien ent­wi­ckeln, diese mul­ti­pli­zieren lassen und stand­haft ver­treten. Mir scheint es in Deutsch­land oft so, als bestimmten die Medien die Phi­lo­so­phie und Politik eines Ver­eins mit.

Das ist im Aus­land anders?

In den starken Ligen wie in Ita­lien oder Eng­land sicher. Ein Bei­spiel: Als Fabio Capello Trainer in Rom war, stellte er sich ledig­lich einmal die Woche, jeweils zwei Tage vor dem Spiel, den Medi­en­ver­tre­tern. Die Zeit der Pres­se­kon­fe­renz war auf 20 Minuten begrenzt. Als diese Zeit um war, stand Capello mitten in der Frage eines Jour­na­listen auf und ver­ließ den Saal. Den ein­zigen, den dieser Umstand ver­wun­derte, war ich. Die Pres­se­ver­treter nickten ver­ständig und ver­ließen leise den Raum. In Deutsch­land wären die ersten bösen Zeilen gegen den Trainer schon geschrieben gewesen, bevor der die Tür hinter sich zu gemacht hätte. Das zeugt von Respekt, der dem Trainer ent­ge­gen­ge­bracht wird und von Akzep­tanz, dass die Ver­eine die Phi­lo­so­phie vor­geben. Die lassen sich nichts dik­tieren.

Wie gehen Sie nach all den Jahren als Trainer mit den Medien um?

Mir ist durchaus bewusst, dass ich ein gewisses Bedürfnis nach Infor­ma­tionen zu stillen habe. Wenn mir dar­über hinaus etwas wichtig erscheint, was in einem fal­schen Bild dar­ge­stellt wurde, gehe ich auch mal in die Offen­sive. Aber ich habe gelernt, einige Berichte auch ein­fach zu igno­rieren.

Wie wichtig ist die PR-Arbeit für einen Trainer?

Als ich 1981 meinen Trai­ner­schein machte, musste ich mich mit diesen Dingen noch gar nicht beschäf­tigten. Heute haben die Trainer in ihrer Aus­bil­dung Rhe­torik-Kurse, die sie im Umgang mit den Medien schulen. Aber dieser Teil der Aus­bil­dung kommt immer noch viel zu kurz. Schließ­lich wird die Wahr­neh­mung als Trainer in der Öffent­lich­keit von den Medien bestimmt. Ich habe des­halb einen PR-Berater, der mir in diesen Ange­le­gen­heiten hilft.



Sie haben in der Bun­des­liga beim SSV Ulm, Han­nover 96, dem VfB Stutt­gart und Schalke 04 gear­beitet. Mit wel­chen For­de­rungen gehen Sie als Trainer in die ersten Gespräche mit diesen Klubs?

Das kommt ganz auf den Verein und die Situa­tion an. Optimal ist es, wenn ich – wie jetzt in Hof­fen­heim – meinen Mit­ar­bei­ter­stab selbst bestimmen kann und am Aufbau einer Mann­schaft betei­ligt bin. Schwie­riger wird es wie bei Schalke, wo ich in einer Not­si­tua­tion mitten in der Saison ver­pflichtet wurde.

Wie sind Ihre finan­zi­ellen For­de­rungen an einen Verein?

Die finan­zi­ellen Rah­men­be­din­gungen müssen natür­lich stimmen. Diese Gespräche haben bei mir aber nie lange gedauert. Ich feil­sche näm­lich weniger beim Geld als beim Per­sonal. Bei Schalke war meine Bedin­gung, dass Mirko Slomka mein Co-Trainer wird. Mit ihm hatte ich bereits über Jahre hinweg gear­beitet.

Beendet haben Sie ihr Enga­ge­ment auf Schalke mit einer Ehren­runde…

…die so über­haupt nicht geplant war. Ich habe mich am nächsten Tag schon an den Kopf gefasst. Einen Tag vor dem Spiel gab ich bekannt, dass ich den Ver­trag auf Schalke nicht ver­län­gern werde. Nor­ma­ler­weise wirst du dann von den Fans aus­ge­pfiffen. In meinem Fall gab es jedoch Sprech­chöre und Applaus. Der Moment hat mich emo­tional so berührt, dass ich ein­fach zu den Fans musste.

Danach wurden Sie direkt beur­laubt. Was emp­findet ein Trainer im Moment des Raus­wurfs?

Schalke war sehr bitter für mich. Ich hätte nie mit diesen Kon­se­quenzen gerechnet, da das Ver­hältnis zwi­schen mir und der Mann­schaft intakt war. Anders in Han­nover 2004. Dort war mir bereits auf­grund der Ent­wick­lungen in der Füh­rungs­etage bewusst, dass meine Zeit bald ablaufen würde. Die Chemie zwi­schen Trai­ner­stab und Ver­eins­füh­rung stimmte nicht mehr.

Wie gehen Sie in den Wochen vor dem Raus­wurf mit dem Stress um?

In sol­chen Phasen sollte man auf jeden Fall dafür sorgen, dass man Ablen­kung hat. Enorm wichtig ist eine Neben­iden­tität fernab des Fuß­ball­zirkus. Das kann die Familie sein oder auch ein zweites geschäft­li­ches Stand­bein. Ist dies nicht der Fall und der Fuß­ball wird zum ein­zigen Lebens­in­halt, ist die Gefahr groß, im Falle des Schei­terns in ein Loch zu fallen.

Wie war es bei Ihnen?

An meinem Raus­wurf in Stutt­gart hatte ich lange zu knab­bern. Mein Selbst­ver­trauen war ange­knackst, und ich über­legte, was ich falsch gemacht hatte. In Han­nover wusste ich, dass es nicht an mir lag. Unter meiner Füh­rung kam der Verein schließ­lich in die 1. Liga, was danach ablief, fiel nicht mehr in meinen Zustän­dig­keits­be­reich. Schalke war die emo­tional schwie­rigste Tren­nung, da ich dort eigent­lich län­ger­fristig arbeiten wollte.

Wie regelt ein Trainer die Situa­tion der Beur­lau­bung? Rufen Sie als erstes Ihren Rechts­an­walt an, damit wenigs­tens mit der Abfin­dung alles glatt geht?

Sicher nicht. Der Ver­trag muss so gestaltet sein, dass alle denk­baren Abfin­dungs­sze­na­rien schon vorher gere­gelt sind. In Han­nover war ich auf­grund der Tat­sache, dass dort zuvor viele Trainer ent­lassen wurden, auf diesen Fall gut vor­be­reitet.

Beim VfB Stutt­gart hatten Sie ihre Pro­bleme mit Star­spieler Kras­simir Balakov. Fällt es Ihnen schwer, mit Stars umzu­gehen?

Die Moti­va­tion der Top­spieler ist Erfolg. Solange du das als Trainer befrie­digen kannst und ihnen hilfst, noch mehr aus sich heraus zu holen, wird es mit keinem Star Pro­bleme geben.

Und den­noch gibt es Spieler, die als unführbar gelten.

Das würde ich so nicht sagen. Es gibt Spieler, die bei der Bil­dung eines gefes­tigten Mann­schafts­ge­füges hin­der­lich sind. Von denen muss sich ein Trainer trennen. Besser gesagt trennen können. In Stutt­gart hat mir das Prä­si­dium diese Mög­lich­keit nicht gegeben.

Was meinen Sie damit?


VfB-Prä­si­dent Mayer-Vor­felder hat später einmal gesagt, er habe in der Politik so viele Kon­flikte aus­tragen müssen, dass er zumin­dest im Fuß­ball Har­monie erleben wollte. Wenn ein Spieler dann einen Macht­kampf mit dem Trainer anzet­telt und sich der Prä­si­dent nicht unmiss­ver­ständ­lich hinter den Trai­ners stellt, kann es, wie in meinem Fall beim VfB, für den Coach gefähr­lich werden. Zumal, wenn die Zuschauer den Star im Team sehen wollen.

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Uwe Rapolder: Köln lebt in der Ver­gan­gen­heit“ www​.11freunde​.de/​b​u​n​d​e​s​l​i​g​e​n​/​1​00955

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