Rolf Schafstall rettete reihenweise Bundesligisten vor dem Abstieg. Mehr noch als die Hitze im Tabellenkeller aber liebte der passionierte Feuerwehrmann seine Gattin Hildegard. Heute vor drei Jahren starb der harte Hund mit dem weichen Herzen. Das große Karriereinterview mit ihm aus 11FREUNDE #143 – nun erstmals online.
1973 mussten Sie Ihre aktive Laufbahn verletzungsbedingt beenden. War immer klar, dass Sie danach Trainer werden?
Als meine Karriere zu Ende ging, wusste ich erst nicht, wie es weitergehen sollte. Dann las ich in der Zeitung, dass der TuS Ergenzingen auf der Schwäbischen Alb einen Trainer sucht.
Und Sie heuerten in der Provinz an.
Es war für mich ein unbeschreibliches Gefühl, vor jungen Spielern über Fußball zu sprechen, und zu sehen, wie sie mir andächtig zuhörten.
Woher hatten Sie die Gabe, Spieler richtig anzusprechen?
Auch wenn es eitel klingt, aber ich konnte mir selbst immer gut zuhören. Wissen Sie, wie es ist, wenn man davon begeistert ist, was man sagt? Ein tolles Erlebnis. Ich glaube, das ist der Schlüssel dazu, dass einem auch andere zuhören.
Nach der Trainerausbildung gingen Sie als Co-Trainer zum MSV Duisburg. Sie gewannen mit der A‑Jugend eine Deutsche Meisterschaft und übernahmen 1976, nach der Entlassung von Willibert Kremer, die erste Mannschaft.
Mein erster Job in der Bundesliga war gleich Abstiegskampf. Ich lernte die Arbeit im Tabellenkeller gewissermaßen von der Pike auf.
„Du musst die Ärmel hochkrempeln und ganz tief in den Geldsack packen“
Ihre früheste Erinnerung an die Bundesliga?
Wir spielten mit dem MSV in Frankfurt. Ich stand auf der Aschenbahn, als Eintracht-Coach Gyula Lorant auf mich zukam. Ein Riesenkerl. „Habe gehört, hast Vertrag unterschrieben“, radebrechte er, „wie macht man das?“ Ich: „Tja, wie wohl? Man liest das Papier durch und schreibt seinen Namen drunter.“ Da brüllte mich Lorant an: „Falsch“, und fängt an, sich den rechten Ärmel hochzukrempeln. „Du musst Ärmel hochkrempeln, ganz tief in den Geldsack packen und alles rausholen. So unterschreibt man Vertrag.“
In der Saison 1978/79 führten Sie den MSV Duisburg bis ins Halbfinale des UEFA-Cups. Unvergesslich. In der zweiten Runde mussten wir bei Carl Zeiss Jena mit dem Trainer Hans Meyer antreten. Als wir dort ankamen, erwartete uns eine Wand aus Schweigenden am Trainingsplatz. Kein Autogrammwunsch, keine Frage, nichts. Ich bin dann mit einer Delegation ins Hotel gefahren. Vier Leute und ich in einem Trabi. Keiner sprach ein Wort. Im Hotel stand hinter jeder Säule ein Typ in Kunstlederjacke. Mann, ging mir das auf den Sack.
Der MSV hatte damals eine illustre Truppe: Bernard Dietz, Rudi Seeliger, Kurt Jara, Ronnie Worm und Kees Bregman.
Was wohl aus Bregman geworden ist?
Friseur in Utrecht.
Das passt zu Kees, ein witziger Typ. Vor seinem letzten Spiel für den MSV kam er und sagte: „Trainer, ich muss heute was Besonderes machen.“ Ich sagte: „Mach ein ordentliches Spiel, das werden die Zuschauer honorieren.“ Aber dem armen Kerl gelang gar nichts. Als er zehn Minuten vor Schluss den Ball bekam, nahm er ihn mit der Hand auf, bedankte sich per Handschlag beim Schiedsrichter, drückte die Pille einem Rollstuhlfahrer auf der Aschenbahn in die Hand und ging winkend in die Katakomben.
„Ente, wir sind hier im Ruhrgebiet, wir brauchen keine Pelzmäntel“
Wie kamen Sie mit solchen Witzbolden zurecht? Bei Rot-Weiss Essen hatten Sie auch mit Willi Lippens zu tun.
Gut. Ente kam gerade aus den USA zurück, der hatte nichts verlernt. Er war ein Schlitzohr geblieben.
Inwiefern?
Ich sah schon an seinem Blick, wenn er etwas im Schilde führte. Laufen mochte er nicht. Dienstags stand bei uns Konditionstraining an. Da kam er zu mir und sagte: „Trainer, wir müssen mal wieder den Europacup der Pokalsieger ausspielen.“ Gut, dachte ich, machen wir einen Kompromiss. Statt Konditionstraining, ein Turnier auf Kleinfeld. Am nächsten Dienstag aber kommt der Frechdachs wieder: „Trainer, da gibt‘s auch den Europacup der Landesmeister …“
Ihre Antwort?„Ente, den spielen wir dieses Jahr dann aber erst an Weihnachten aus.“
Und? Hat er sich dran erinnert?
Indirekt. Kurz vor Weihnachten klopft es an meiner Tür. Ente mit einem kleinen Koffer, aus dem er einen Pelzmantel holt. „Trainer, es geht auf Weihnachten. Sie haben doch ’ne blonde Frau, der Pelz würde ihr gut stehen.“ Irgendeiner hatte ihm einen Berg Pelzmäntel angedreht, damit er die im Verein an den Mann bringt. Ich schmiss ihn mit den Worten raus: „Ente, wir sind hier im Ruhrgebiet, wir brauchen keine Pelzmäntel.“