Rolf Schafstall rettete reihenweise Bundesligisten vor dem Abstieg. Mehr noch als die Hitze im Tabellenkeller aber liebte der passionierte Feuerwehrmann seine Gattin Hildegard. Heute vor drei Jahren starb der harte Hund mit dem weichen Herzen. Das große Karriereinterview mit ihm aus 11FREUNDE #143 – nun erstmals online.
Dieses Interview erschien erstmals in 11FREUNDE #143. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Rolf Schafstall, der „Kicker“ nannte Sie einst den „Red Adair der Bundesliga“. Ihre Teams spielten fast immer gegen den Abstieg.
Ich stand mein ganzes Trainerleben unter Strom. Das war Stress pur.
Bei welchem Klub war es am härtesten?
Die gesamte Zeit war hart, aber ich habe den Stress sehr genossen. Ich wurde im Krieg groß. Bei Bombenangriffen hofften wir im Keller, dass es nicht einschlägt. Jede Nacht Sirenen. Wir sind drei Mal evakuiert worden. Ich war der Zweitjüngste von acht Geschwistern aus Hamborn-Neumühlen. Meine Eltern haben uns mit Müh und Not ernähren können. Das war eine harte Zeit – nicht der Profifußball.
Sie haben Grubenelektriker gelernt.
Meine Eltern hatten kein Geld, um eine höhere Schulausbildung zu finanzieren. Als die Volksschule vorbei war, sagte mein Vater: »Junge, du wirst Elektriker.«
Aber wie vertrug sich die Arbeit in der Zeche mit dem Job als Fußballer bei Hamborn 07?
Ich war nur drei Monate unten. Dann ging ich zum Arzt und ließ mich krankschreiben. Herzklabaster, Ohrensausen, weiß der Himmel, was der da geschrieben hat. Hauptsache, ich kam aus dem Loch raus.
„Meine Frau und ich, das war Liebe auf den ersten Blick“
Sie waren offenbar nicht besonders gern Handwerker.
Es war unbefriedigend. Wegen des Fußballs hatte ich keine Zeit, meinen Meisterbrief zu machen. Ich wusste schon früh, dass ich alles im Fußball geben muss, um aus dieser Eintönigkeit rauszukommen.
Nach über 300 Spielen für Hamborn wechselten Sie 1963 zum SSV Reutlingen nach Schwaben.
Ein Sechser im Lotto für mich.
Aber Sie sind doch im Ruhrgebiet verwurzelt.
Aber meine Frau kommt aus Pforzheim. Ihr konnte ich das Leben neben der Thyssen-Hütte nicht länger zumuten.
Wie kam der erdige Junge aus dem Pott mit den lieblichen Schwaben zurecht?
Es dauerte einige Zeit, bis ich alles verstand, aber es war eine glückliche Zeit.
Sie hatten auch ein Angebot von 1860 München, einem Mitglied der neugegründeten Bundesliga.
Stimmt, aber das wäre Bayern gewesen, und da meine Frau zurück in ihre Heimat wollte, fand ich Reutlingen wunderbar. Als wir 1965 in der Aufstiegsrunde knapp an Borussia Mönchengladbach scheiterten, machte mir auch Hennes Weisweiler ein Angebot. Habe ich auch meiner Frau zuliebe ausgeschlagen.
In Ihrer aktiven Laufbahn haben Sie sich also für die Liebe – und gegen die Erstligalaufbahn entschieden.
Liebe ist doch etwas Schönes. Meine Frau und ich, das war Liebe auf den ersten Blick. Und jetzt sind wir schon 55 Jahre verheiratet. (Das Gespräch findet im September 2013 statt, Anm.d.Red.)
„Wenn ein Spieler die direkte Ansprache nicht versteht, muss man deutlicher werden“
Dabei steht im Personenarchiv „Munzinger“ über Sie: „Schafstall gilt als sehr harter Arbeiter …
…da würde ich zustimmen…
… und knochenharter Hund.“
Ach, das wird immer übertrieben. In der Sache kann ich bestimmt sehr hart sein, aber ich habe auch eine weiche Seite.
Und wie sieht Ihre weiche Seite aus?
Wenn es in Bochum mal besonders schlecht lief, habe ich morgens meine Frau gebeten, Kuchen zu backen. Beim Training brüllte ich die Spieler dann noch an: „Wenn ich das schon wieder sehe. Unerträglich. Kommt, packt die Bälle zusammen. Wir machen Schluss!“ Und als die Spieler bedröppelt in der Kabine saßen, lud ich die ganze Mannschaft zum Kaffee bei uns ein. Die fielen aus allen Wolken.
Es heißt weiter: „Schafstall ist bei der Wahl seiner Worte und im Ton seiner Anweisungen nicht zimperlich.“
Ich bin immer geradeaus. Einen Spieler erreicht man aber nicht nur im Kommandoton.
Mitunter aber doch.
Naja, wenn ein Spieler die direkte Ansprache nicht versteht, muss man manchmal auch deutlicher werden.
Stefan Kuntz sagt, Sie hätten keine 100 Prozent von Spielern gefordert, sondern einiges darüber. „Hart, aber herzlich“ seien Sie gewesen.
Natürlich haben wir hart gearbeitet. Wenn Sie als Trainer – Anfang der achtziger Jahre – mit Spielern, die teilweise aus der Amateurliga kommen, in der Bundesliga die Klasse halten wollen, schaffen sie das nur über eine erstklassige Kondition. Und nach den sechs Wochen Vorbereitung waren die Jungs einerseits froh, dass es vorbei war, und andererseits, dass sie so fit waren.