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Julian Gressel hat die Szene noch vor Augen. Er, der junge deut­sche Fuß­ball­profi, zusammen auf einer Bühne mit dem großen Arthur Blank; Gressel im ver­schwitzten Trikot, Blank im grauen Anzug mit seiner typi­schen gön­ner­haften Aus­strah­lung. In Atlanta gibt es kaum eine bedeu­ten­dere Per­sön­lich­keit als den 75-Jäh­rigen Geschäfts­mann. Gründer der größten Bau­markt-Kette der USA, Mul­ti­mil­li­ardär, Sport-Mäzen. Der Fuß­ball­klub Atlanta United ist sein Eigentum, ebenso das mil­li­ar­den­schwere Foot­ball-Team der Atlanta Fal­cons. Das war schon cool, dass ich da neben ihm stand und Happy Bir­thday‘ gesungen habe“, sagt Gressel.

Zu feiern gab es einiges an diesem Abend im Sep­tember 2017. Blank hatte Geburtstag, sein Fuß­ball­team zog dank eines 3:0‑Siegs gegen Phil­adel­phia Union sen­sa­tio­nell in die Play-offs ein – und das gleich im ersten Jahr in der höchsten ame­ri­ka­ni­schen Fuß­ball-Liga (MLS). Bester Mann auf dem Platz war Julian Gressel. Das brachte dem damals 23-Jäh­rigen aus Neu­stadt an der Aisch die Ehre ein, zusammen mit einem der größten Funk­tio­näre im US-Sport auf einem Podest zu stehen. Torte, Hand­shake und Small­talk mit dem Big Boss inklu­sive, die tobende Fan­kurve im Rücken. Ich glaube, er hat mir damals gesagt, wie stolz er auf mich und auf das Team ist“, erin­nert sich Gressel.

Ich wollte einen Schul­ab­schluss“

Mitt­ler­weile ist wieder Nor­ma­lität ein­ge­kehrt bei Atlanta United. Die Play-offs endeten unglück­lich in der ersten Runde, am ver­gan­genen Wochen­ende begann die neue Saison mit einer Nie­der­lage in Houston. Die Party an Blanks Ehrentag war der vor­läu­fige Höhe­punkt einer außer­ge­wöhn­li­chen Erfolgs­ge­schichte, an der neben Gressel ein wei­terer Deut­scher mit­ge­schrieben hat: Seit 2017 spielt auch Kevin Kratz für den neu in die MLS auf­ge­nom­menen Klub aus der Süd­staaten-Metro­pole. Kratz, 31, hat viele Jahre in der Zweiten Liga gespielt, unter anderem für Aachen und den SV Sand­hausen, für Ein­tracht Braun­schweig kam er in der Saison 2013/14 sogar auf 19 Bun­des­liga-Ein­sätze. Gressel wech­selte dagegen als 19-Jäh­riger den Kon­ti­nent. In Deutsch­land schaffte er es bis in die Regio­nal­liga, dann war End­sta­tion. Mitt­ler­weile sind Gressel und Kratz fester Bestand­teil eines neuen Fuß­ball-Booms in Atlanta.

An einem son­nigen Märztag schlen­dern beide über den Trai­nings­platz in Mari­etta, einem Vorort, und erzählen von ihrem Aben­teuer in der neuen Welt. Ich fühle mich sehr wohl hier, Atlanta ist eine schöne Stadt“, sagt Gressel. Die USA als Land der Chancen – für Gressel und Kratz ist dieses Kli­schee Rea­lität geworden, wenn auch auf unter­schied­liche Weise. Gres­sels Ent­schei­dung etwa hatte nur sekundär mit Sport zu tun. Ich wollte sicher­gehen, dass ich einen Schul­ab­schluss habe und wei­terhin auf gutem Niveau Fuß­ball spielen kann“, erzählt er. Als Regio­nal­liga-Spieler wäre es schwer geworden, beides zu ver­einen. Des­halb wollte ich in die USA ans Col­lege.“ Über das Uniteam der Pro­vi­dence Friars kam er zu Atlanta.

Das soll der Wunsch­kan­didat eines MLS-Klubs gewesen sein?

Kevin Kratz dagegen kam als gestan­dener Profi in die USA. Den Plan, ins Aus­land zu gehen, hatte er aber schon länger. Ich war ein paar mal im Urlaub in den USA und habe einen ame­ri­ka­ni­schen Spie­ler­agenten ken­nen­ge­lernt. Der hat mir dabei geholfen, darauf hin zu arbeiten.“ Eine erste Mög­lich­keit wäh­rend seiner Braun­schweiger Zeit ließ er ver­strei­chen, 2016 wagte er den großen Schritt.

Der Zeit­punkt war per­fekt. Mit Atlanta United war ein neuer Klub mit großen Ambi­tionen auf der Suche nach rou­ti­niertem Per­sonal. Wir mussten den Kader von Grund auf zusam­men­stellen und Kevin war ein wich­tiger Bau­stein“, sagt Ver­eins­prä­si­dent Darren Eales. Wir wollten einen erfah­renen Mann aus­Eu­ropa als Ergän­zung zu den vielen jungen Spie­lern.“

Ein unbe­kannter Zweit­liga-Profi, vom Spie­lertyp eher solider Arbeiter mit aus­ge­prägten Stärken in der Defen­sive, soll der Wunsch­kan­didat eines MLS-Klubs gewesen sein? Aus euro­päi­scher Sicht klingt das erstmal unglaub­würdig. Für gewöhn­lich besteht die Fuß­ball-Phi­lo­so­phie im Land der großen Unter­hal­tung ja darin, alternde Stars wie David Beckham, Andrea Pirlo oder Bas­tian Schwein­steiger als Publi­kums-Magneten zu holen und ein Team um sie herum auf­zu­bauen. Unser Ansatz ist kom­plett anders“, erklärt Eales. Wir denken, dass wir mit dem Standort USA auch junge Spieler anziehen können.“ Der größte Coup gelang dem Prä­si­denten in diesem Winter: Mit dem 18-jäh­rigen Eze­quiel Barko holte sich Atlanta eines der größten argen­ti­ni­schen Talente. Natür­lich haben wir es ihm so ver­kauft, dass das hier eine Ent­wick­lungs­sta­tion für ihn ist“, sagt Eales. Wenn er zwei, drei Jahre hier spielt und dann für einen guten Preis wei­ter­zieht, sind wir zufrieden.“