RB in der Bundesliga ist ein Angriff auf die Werte des Fußballs. Dachten sich zwei Fans – und hatten eine geniale Idee für eine beherzte Gegen-Offensive.
In der Konzern-Zentrale von Red Bull im österreichischen Fuschl am See dürfte man herzlich lachen über diese Attacke. Vorerst zumindest. Das Essener Startup, das den Energydrink „Flutlicht“ ins Rennen gegen die roten Rinder geschickt hat, ist natürlich viel zu klein, um einen globalen Giganten zu gefährden. Vorerst zumindest. Doch das verwegene Unternehmen von Stefan Henske und Martin vom Hofe hat einen nicht zu unterschätzenden Trumpf im Ärmel – es spielt den Doppelpass mit den Fanszenen der Traditionsvereine. Schließlich haben beide einen großen gemeinsamen Gegner: „Wer ‚Flutlicht‘ trinkt, unterstützt eben nicht RB Leipzig, sondern einen Traditionsverein seiner Wahl“, erklärt Henske.
Das Ganze funktioniert so: Für jede online bestellte Dose „Flutlicht“ macht der Hersteller einen „Sportgroschen“ locker: fünf Cent an den jeweiligen Lieblingsverein des Kunden. Den Empfänger dieser Spende kann man aus einer Liste mit sämtlichen Klubs der obersten vier Spielklassen wählen. Ausgenommen sind lediglich RB Leipzig, die TSG Hoffenheim und der VfL Wolfsburg. „Man kann das Geld aber auch seinem lokalen Kreisligisten zukommen lassen“, erklärt Henske. Um die Überweisung kümmern sich die Jungs von „Flutlicht“. Gibt ein Käufer gar keinen Klub an, verfällt der „Sportgroschen“ trotzdem nicht. In diesem Fall geht er automatisch an die Leipziger Traditionsvereine 1. FC Lok und Chemie. Schließlich hätten die am meisten unter dem mächtigen Retorten-Klub in ihrer Stadt zu leiden, bedauert Henske.
Mit Red Bull anlegen wolle man sich natürlich nicht, betont der Gründer – trotz diverser Anspielungen im eigenen Markenauftritt. Auf der Homepage flutlicht.rocks heißt es etwa: „Energie für die Tradition.“ Oder: „Jetzt einkaufen und deinen Club unterstützen. Zeig dem Kommerz im Fußball die kalte Dose.“ Böse Briefe von den Red-Bull-Anwälten habe man bisher nicht erhalten, sagt Henske lachend. „Warum auch? Wir tun ja nichts Schlimmes.“ Andererseits: „Es geht uns natürlich schon darum, Red Bull ein wenig zu ärgern. Alle regen sich drüber auf, viele trinken es aber trotzdem. Wir haben nun etwas geschaffen, das ähnlich schmeckt, sich aber klar gegen den Kommerz im Fußball positioniert. Wobei: Wir sind nicht vorrangig gegen irgendetwas, sondern in erster Linie für die Traditionsklubs.“
Und wie erfolgreich ist das Unternehmen „Flutlicht“? Oder – wie Carsten Maschmeyer in der Vox-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ sagen würde: Führen Sie uns doch mal durch die Zahlen! „Wir sind erst seit gut drei Wochen richtig am Markt“, schickt Henske voraus. „Insgesamt haben wir bislang 5.000 Dosen verkauft.“ Das ist ausgesprochen mickrig im Vergleich zu den weltweit sechs Milliarden Büchsen, die Red Bull pro Jahr absetzt. Aber das sei nicht entscheidend, sagt Henske. „Wichtig ist, dass es in die richtige Richtung geht. Neben unserer Online-Vertriebsplattform sind wir bereits in ausgewählten Tankstellen und in einigen Supermarkt-Filialen präsent. Unser Ziel ist es, nach und nach in die Handels-Regale zu gelangen. Dann kann ‚Flutlicht‘ irgendwann richtig skalieren.“
Ironischerweise haben Henske und sein Mitstreiter Vom Hofe einen ähnlichen Werdegang vorzuweisen wie Red-Bull-Mogul Dietrich Mateschitz. Der war einst als Marketingmann für einen Zahnpasta-Hersteller tätig. Martin vom Hofe verdiente sein Geld fünf Jahre lang als Marketing- und Vertriebsleiter bei Rot-Weiss Essen. Aktuell ist er Angestellter von Alemannia Aachen. Stefan Henske arbeitet im echten Leben für eine Essener Event-Agentur. Die beiden wissen also, wie man die Werbetrommel rührt. Ist ihre Kampfansage an Red Bull etwa nur ein Marketing-Gag? Ist ihre Liebe zu den Traditionsklubs am Ende nur Fassade? „Nein, wir sind beide echte Fußball-Romantiker“, beteuert Henske. Und man muss ihm glauben, denn: „Ich bin Rot-Weiss-Essen-Fan.“
Nicht zuletzt deshalb ist das Design der „Flutlicht“-Dose ist eine Hommage an den Deutschen Meister von 1955: Es zeigt einen alten Lederball und den verbliebenen Flutlichtmast des früheren Georg-Melches-Stadions, in dem Kapazitäten wie Ente Lippens, Horst Hrubesch oder Frank Mill auf Torejagd gingen. Heute steht an jener Stelle das vom Energie-Konzern RWE gesponserte neue „Stadion Essen“, doch der alte Geist der großen Zeiten weht noch immer durch die Lüfte. Hier, im rauen Norden der Stadt, wurde auch das Projekt „Flutlicht“ auf den Weg gebracht. Die ersten 1.000 Dosen verkauften Henske und Vom Hofe noch bevor diese abgefüllt waren. Ihre Kunden entstammten der Essener Fanszene.
„Wir wollen unser Produkt lieber selbst groß machen“
Zuletzt haben auch Anhänger anderer Vereine „Flutlicht“ für sich entdeckt. Die Mitglieder eines Kölner Fanclubs nahmen am Freitag zwei Paletten des süßlichen Getränks mit auf ihre Auswärtsreise zum VfB Stuttgart. „Wir haben den Jungs die Getränke zum Großhandelspreis überlassen“, sagt Henske. Man müsse ja schließlich erstmal bekannt werden. So konnte der Fanclub die Dosen während der fünfstündigen Busfahrt gewinnbringend verkaufen. Der Reinerlös ging an die Kölner Ultra-Gruppe „Wilde Horde“ für deren Choreo-Kasse.
Und was ist, wenn „Flutlicht“ eines Tages mal groß wird? Also – so groß, dass Red Bull mit einem Übernahme-Angebot daher kommt, um die lästige Konkurrenz vom Markt zu schaffen. Stefan Henske muss herzlich lachen. „Wissen Sie was? Wir haben dieses Unternehmen eigentlich aus einer Bierlaune heraus gegründet. Wir hatten ursprünglich nur eine Einmal-Aktion geplant und wollten uns auf 4.000 Dosen beschränken.“ Aber dann hätten sie sich überlegt: Warum so klein denken? „Wenn also wirklich eines Tages ein Übernahme-Angebot von Red Bull käme, würden wir dankend ablehnen. Wir wollen unser Produkt lieber selbst groß machen, als es von anderen einstampfen zu lassen.“
In Fuschl am See dürfte man über all das nur milde schmunzeln. Vorerst zumindest.