Der Schüler besiegt den Meister: Weil Pep Guardiola gegen Thomas Tuchels Spielsystem keine Lösung findet, holt Chelsea die Champions League. Fünf taktische Beobachtungen zum Finale.
Wer das Champions-League-Finale auf Sky verfolgt hat, kam nicht vorbei an der Geschichte der Freundschaft zwischen Pep Guardiola und Thomas Tuchel. Wie Tuchel sich von Guardiolas Arbeit inspirieren ließ. Wie sich beide in einem Münchener Nobelrestaurant trafen. Wie sie taktische Ideen mit Salzstreuern und Weingläsern nachspielten. Kaum einen Spielernamen nannte Kommentator Wolff-Christoph Fuss während der Übertragung so häufig wie den Name des Restaurants, in dem sich die beiden Trainer einst trafen.
Jetzt schlug der Schüler den Meister. Tuchels FC Chelsea gewann das Champions-League-Finale gegen Guardiolas Manchester City. Wie konnte Tuchel sein Vorbild schlagen? Was hat Guardiola falsch gemacht? Und welchen Beitrag leisteten die deutschen Spieler? Fünf Punkte zum Champions-League Finale.
Guardiola hat den Ruf eines Taktik-Fanatikers. Das bringt ihm zu gleichen Teilen Bewunderung wie Verwunderung. Bewunderung, wenn einer seiner taktischen Pläne aufgeht. Verwunderung, wenn ein Plan schiefgeht – und niemand so genau versteht, warum Guardiola unbedingt etwas Neues ausprobieren musste.
Gerade in Champions-League-Spielen neigt der Katalane dazu, sich zu viele Gedanken zu machen, anstatt einfach seiner besten Elf zu vertrauen. Selbst im Champions-League-Finale rief seine Startaufstellung Stirnrunzeln hervor: Weder stellte Guardiola einen echten Sechser noch einen echten Stürmer auf. Rodri und Fernandinho, Gabriel Jesus und Klub-Legende Sergio Agüero: Sie alle saßen auf der Bank.
Stattdessen standen mit Kevin de Bruyne, Ilkay Gündogan, Phil Foden und Bernardo Silva gleich vier offensive Mittelfeldspieler in der Startelf. Im alles entscheidenden Spiel der Saison ging Guardiola ein Risiko ein. Das wird seinen Ruf weiter verstärken, vor wichtigen Spielen (zu) viel nachzudenken.
Bei näherem Hinsehen zeigte sich jedoch: So anders als sonst spielten die Citizens gar nicht. Guardiolas System fußt in dieser Saison auf flexiblen Wechseln zwischen Defensiv- und Offensivformation. Gegen den Ball ordnet sich die Elf in einem 4−4−2 an. Das soll für Stabilität sorgen.
Bei Ballbesitz kennzeichnet das Team eine Unwucht: Ein Außenverteidiger rückt vor, meist ins Zentrum. Er soll das Mittelfeld aufstocken, die übrigen drei Verteidiger das Spiel aufbauen. City überlädt das Zentrum und schafft hier viel Bewegung.
Auch im Champions-League-Finale spielten sie das gewohnte 3−3−4 bei eigenem Ballbesitz. Linksverteidiger Oleksandr Zinchenko rückte dazu in den linken Halbraum. Der Kniff: Mit Ilkay Gündogan spielte auf der Sechs ein sonst offensiver eingesetzter Spieler. Vorne wiederum besetzten de Bruyne, Foden und Silva abwechselnd das Sturmzentrum. Sie wollten den Gegner durch viel Beweglichkeit und Bewegung austricksen.