Was stellt wohl jemand her, der Beckenbauer heißt? Die Antwort lautet: Brot. Und ist nur der Anfang eines kleinen Streifzugs durchs Dickicht der deutschen Weltmeisternamen.
Das Turnier in Russland wird ärmer als die letzten drei Weltmeisterschaften. Diese WM ist nämlich die erste seit 2006, bei der sich keine englischen Halbwüchsigen auf Schulhöfen treffen, sich zuraunen „Do you know that Schweinsteiger means ›pig climber‹?“ und dann in pubertäres Gekichere ausbrechen.
Dabei bedeutet Schweinsteiger das gar nicht. Die deutsche Namensendung ‑steiger geht auf Steig/Stiege zurück, womit ein steiler Pfad gemeint ist. Irgendwann im Mittelalter – als man bei uns begann, den Menschen zur besseren Unterscheidung zusätzlich zum Rufnamen auch noch Beinamen zu geben, aus denen dann die Familiennamen wurden – lebte also ein Vorfahr von Bastian Schweinsteiger an einem Hang und in der Nähe eines Weges, über den Schweine getrieben wurden.
Wo Schwarzenbeck wohnte
Solche Namen, die auf eine Wohnstätte oder einen Herkunftsort verweisen, sind am schwierigsten zu entschlüsseln, nicht zuletzt weil hier manchmal Elemente kombiniert werden. Der Mann, der für Per Mertesackers Nachnamen verantwortlich ist, könnte zum Beispiel an einem Acker gelebt haben, der einem Martin gehörte. Oder er hat diesen Acker bestellt, war also einer von Martins Pächtern. Man weiß auch nicht genau, ob ein Urahn von Georg Schwarzenbeck einfach nur an einem dunklen Bach gelebt hat – oder ob er aus der kleinen Stadt im Herzogtum Lauenburg mit Namen Schwarzenbek kam.
Dabei wäre es durchaus typisch, dass es sich hier um einen eher unbedeutenden Ort handelt. Zwar heißen einige Menschen Berliner oder Bremer, doch die Familiennamen sollten ja gerade der Unterscheidung dienen. Da nutzt es wenig, einen Neuzugezogenen nach seiner Heimat zu nennen, wenn aus ihr sehr viele Menschen kommen. Im Zweifelsfall hat man dann plötzlich einen Haufen Leute im Dorf, die Hesse oder Bayer gerufen werden. Praktischer sind da schon Bonhof oder Overath, beides Siedlungen im Rheinland, oder die Gemeinde Brehme in Thüringen. Und natürlich die diversen Orte, die Hassel heißen und auf die der Name Häßler verweisen dürfte.
Noch häufiger sind Namen, die auf Berufe zurückgehen, all die Müllers und Maiers und Schäfers. Da es sich meist um im Aussterben begriffene Handwerkstätigkeiten aus dem Mittelalter handelt, kommt es nur noch selten vor, dass jemand tut, was sein Name bedeutet. Franz Beckenbauer zum Beispiel musste nie gleichzeitig als Bäcker und Bauer tätig sein, um die Familie zu ernähren. Wie schön, wenn man da erfährt, dass der Familienname von Sepp Herberger tatsächlich von jemandem kommt, der eine Herberge leitete. Denn in dieser Rolle sah sich „der Chef“ ja gerne.
Ebenso verbreitet sind Familiennamen, die auf einen Vornamen zurückgehen und bei denen dann die Endung verschwand, die eine Verwandschaftsbeziehung anzeigt (nach dem Muster des norddeutschen ‑sen). Auf diese Weise bekamen die Helden von Bern ihre Gebrüder Walter oder die Weltmeister von 1990 den Matthäus und den Berthold. Auch Deutschlands vierter Stern wurde von einem solchen Familiennamen gewonnen, denn Götze geht nicht etwa auf Luthers „falschen Gott“ zurück, sondern kommt einfach von Gottfried oder Gottlieb. Ja, manchmal sind Rufnamen als Ursprung nur nach Knobelei noch zu erkennen. Bei Völler käme man auch nicht sofort darauf, dass dieser Name von Volker abgeleitet wurde.
Warum Hölzenbein fiel
Aber es gibt noch eine weitere Klasse der Ursprünge von Familiennamen: sogenannte Übernamen – also Bezeichnungen, die auf Eigenschaften oder Merkmale zurückgehen. Das offensichtlichste Beispiel unter den deutschen Weltmeistern ist wohl Helmut Schön. Aber nicht immer waren Übernamen so nette Ausdrücke. So dürfte der namensgebende Vorfahr von Bernd Hölzenbein in der Tat gehbehindert gewesen sein, vermutlich hatte er ein steifes Bein. Zum Glück für den deutschen Fußball vererbte sich dieses Gebrechen nicht auf seine Nachfahren, sieht man einmal davon ab, dass Bernd im WM-Finale 1974 mitten im holländischen Strafraum plötzlich vergaß, wie man läuft.
Man sieht schon, über die Jahrhunderte können Namen unpassend werden. So war Philipp Lahm ja ein sehr flinker Spieler, und auch im Fall von Helmut Rahn darf man von unbeabsichtigter Ironie sprechen. Denn der Siegtorschütze beim Wunder von Bern war kräftig, stämmig und neigte sogar zur Fülligkeit. Dabei meint das mittelhochdeutsche Wort „ran“ so viel wie schmächtig.
Tja, und nun würden die englischen Halbwüchsigen sicher gerne wissen, warum jemand Kuntz heißt. Tut uns leid, der war nur Europameister, kein Weltmeister, und kommt deswegen erst in zwei Jahren dran.