Warum bekommen manche Spieler bei Länderspielen der Nationalmannschaft mehr Fanfrust ab als ihre Kollegen? Eine Psychoanalyse der deutschen Fanseele.
Wo Liebe ist, ist natürlich auch Hass und davon reichlich. Kaum ein Publikum, das nicht diverse Intimfeindschaften zu auswärtigen Akteuren pflegt. Viele zerrüttete Beziehungen sind über Jahre gewachsen. Wenn etwa Mannheim früher in Kaiserslautern spielte, musste Waldhof-Spieler Karl-Heinz Bührer nur die Nasenspitze aus der Kabine stecken, schon erlitten Lauterer Rentner reihenweise Herzinfarkte. Einer wie Stefan Effenberg polarisierte schon deshalb, weil er ja gern auswärtige Stadien mit einer derart hochmütigen Miene betrat, als besichtige ein Herzog seine heruntergekommenen Latifundien.
Kirsten brauchte den Hass
Teamkamerad Oliver Kahn badete gar genüsslich in der Abneigung, die ihm von der Tribüne entgegenschwappte, wie andere in Eselsmilch. Stürmer Fatmir Vata wiederum schaffte es binnen Minuten von ganzen Stadien gehasst zu werden, in dem er sich selbst bei ganz offensichtlich ausgebliebenem Feindkontakt stets so schmerzverzerrt im Strafraum zu Boden warf, als habe ihm gerade ein MG ein Sieb in den Hintern geschossen. Und Ulf Kirsten fühlte sich regelrecht demotiviert, wenn dem Fanblock bei seinem Anblick nicht das Halskabel schwoll. Sein Bonmot „Wenn bei einem Auswärtsspiel keiner ruft ‚Kirsten, du Arschloch‘, dann weiß ich genau, dass ich schlecht bin“, hätten auch Kahn und Effenberg unbesehen signiert.
Andere fühlten sich gänzlich unschuldig in Not gebracht, bloß weil sie kurzfristig den Arbeitsplatz gewechselt hatten. Andi Möller etwa konnte überhaupt nicht verstehen, warum ihm sowohl auf Schalke als auch in Dortmund sein Wechsel nach Gelsenkirchen übelgenommen wurde. Damit hatte es sich Möller, auch das eine Kunst, wirklich mit allen Anhängern bundesweit verdorben, in den anderen Stadien war er schon zuvor gellend ausgepfiffen worden. Überhaupt scheint heute nichts mehr so die Massen zu erregen wie unbotmäßige Vereinswechsel, vorwiegend zum FC Bayern.
Vielleicht hilft Gomez eine neue Frisur?
Manuel Neuer, von dem sie auf Schalke gedacht hatten, dass sie ihn mit 65 Jahren mit Zinnteller in den Ruhestand verabschieden würden, kann ebenso ein Lied davon singen wie Mario Götze, der wenig überraschend dem Kollegen Gomez beisprang. Schließlich wird Götze selbst, der verlorene Sohn der Borussia, bei Gastspielen des FC Bayern in Dortmund so entschlossen ausgebuht, dass Borussia-Boss Watzke beschwichtigend eingreifen musste.
Eine innige Liebesbeziehung wird also nicht mehr entstehen zwischen Mario Gomez und dem Publikum der Nationalelf. Es sei denn, Gomez korrigiert sich, schießt gegen Gibraltar das entscheidende 4:0, lässt sich anschließend beim elegischen Angeln fotografieren und bittet beim nächsten Friseurbesuch um einen schlichten Fassonschnitt. Dann könnte es ganz eventuell doch noch was werden.