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Seite 2: Als der Sommer zu Ende ging

Wenn man sich die Begeg­nung noch einmal in voller Länge anschaut, rela­ti­viert sich einiges. Natür­lich sind die Deut­schen mit ihrem bie­deren Acht­zi­ger­jah­re­fuß­ball nicht gut, aber sie sind auch nicht so schlecht, wie sie im Nach­hinein gemacht wurden. Zumin­dest nicht im Ver­gleich mit den Eng­län­dern, die nach dem his­to­ri­schen Sieg in den Himmel gelobt werden. Sie haben nicht geträumt. Ich schwöre es“, sagt BBC-Reporter Motson. Es ist ein Abend, an dem du stolz sein kannst, Eng­länder zu sein.“

Für die Deut­schen ist es die höchste Heim­nie­der­lage seit 70 Jahren, noch dazu gegen einen ihrer fuß­bal­le­ri­schen Erz­ri­valen. Natür­lich gibt das den Ton der Bericht­erstat­tung vor. In Mün­chen geht an diesem Abend der Sommer zu Ende. Nach einigen schönen Tagen, die das Team im Schloss­hotel Ober­am­bach am Starn­berger See ver­bracht hat, fängt es wäh­rend des Spiels an zu regnen. Es wird kühl, und das gilt auch im über­tra­genen Sinne.

Die Bedenken kehren zurück

Ziem­lich genau ein Jahr ist es her, dass Rudi Völler als Team­chef die Natio­nal­mann­schaft über­nommen hat. Seitdem hatte sich die Laune im deut­schen Fuß­ball deut­lich ver­bes­sert. An diesem Abend in Mün­chen aber kehren die grund­sätz­li­chen Bedenken zurück. Reicht die Qua­lität noch oder wieder für die inter­na­tio­nale Spitze? Der Auf­tritt gegen Eng­land lässt daran erheb­liche Zweifel auf­kommen.

Mit einem Sieg hätte sich die Natio­nal­mann­schaft schon einen Spieltag vor Schluss für die WM in Japan und Süd­korea qua­li­fi­zieren können. Es geht auch gleich gut los. Nach fünf Minuten bringt Carsten Jan­cker die Deut­schen in Füh­rung. Der Stürmer des FC Bayern trifft nach einer Kopf­ball­ab­lage von Oliver Neu­ville. Doch danach ver­liert die Mann­schaft mehr und mehr die Kon­trolle. Michael Owen erzielt nach einer knappen Vier­tel­stunde den Aus­gleich. Es ist das erste von am Ende drei Toren, die dem Stürmer vom FC Liver­pool an diesem Abend gelingen.

Aus­ge­gli­chenes Duell auf über­schau­barem Niveau

Erst nach dem 1:1 finden sich die Deut­schen wieder besser zurecht. Es ist ein recht aus­ge­gli­chenes Duell auf über­schau­barem Niveau. BBC-Reporter Motson klagt kurz vor der Pause über die unge­wöhn­lich vielen ein­fa­chen Fehler auf beiden Seiten. So nimmt Tor­hüter Oliver Kahn einen Rück­pass von Sebas­tian Deisler mit den Händen auf. Es gibt im Straf­raum der Deut­schen einen indi­rekten Frei­stoß für die Eng­länder. David Beckham tritt an – und trifft Marko Rehmer, der neben dem linken Pfosten steht.

Es ist die beste Chance für die Eng­länder vor der Pause; die beste für die Deut­schen ver­gibt Deisler Mitte der ersten Hälfte, als er sieben Meter vor dem Tor frei zum Schuss kommt, den Ball aber nicht richtig trifft. Zu diesem Zeit­punkt deutet nichts darauf hin, dass der Abend für die Eng­länder mit einem his­to­ri­schen Sieg und für die Deut­schen mit einer epi­schen Nie­der­lage enden wird.

So ein Spiel gab es nicht so oft. Zum Glück.“

Marco Rehmer

Dietmar Hamann, damals beim FC Liver­pool unter Ver­trag, beklagt später dumme Tore zu unglück­li­chen Zeit­punkten“. Nach einem 1:5 klingt das wie eine bil­lige Aus­rede, aber nüch­tern betrachtet, mit dem Abstand von 21 Jahren, muss man fest­stellen: Eigent­lich hat er recht. Dass dieses Spiel mit einem Kan­ter­sieg für die Three Lions endet, ist ein Ding der Unmög­lich­keit – und viel­leicht gerade des­halb fol­ge­richtig. Es scheint, als hätte eine höhere Macht das genau so gewollt.

Kurz vor der Pause ver­hin­dert Tor­hüter David Seaman bei einem Schuss von Jörg Böhme mit einem guten Reflex die erneute Füh­rung für die Deut­schen. Unmit­telbar darauf, mit Ablauf der drei­mi­nü­tigen Nach­spiel­zeit, trifft Steven Ger­rard aus 25 Metern zum 2:1. Und gleich nach Wie­der­an­pfiff erhöhen die Gäste durch Owen auf 3:1. Direkt vor dem 1:4 hat Michael Bal­lack die große Chance zum Anschluss­treffer, vor dem 1:5 von Emile Heskey klärt Seaman mit dem Fuß gerade noch vor Rehmer. Dreimal schießen die Gäste nach der Pause aufs Tor der Deut­schen, dreimal ist der Ball drin. So ein Spiel gab es nicht so oft“, sagt Rehmer. Zum Glück.“ Dumme Tore zu unglück­li­chen Zeit­punkten.

Geblieben aber ist von diesem Abend vor allem ein Gefühl: das Gefühl eines Deba­kels. Die Ein­zel­heiten sind längst in Ver­ges­sen­heit geraten. Auch Hansi Flick ist vor dem Nations-League-Spiel an diesem Dienstag (20.45 Uhr/​ZDF) zu seinen Erin­ne­rungen an Mün­chen 2001 befragt worden. Das ist Ver­gan­gen­heit“, sagte der Bun­des­trainer. Da bewege ich mich nicht gern.“ Und in dieser ver­mut­lich schon mal gar nicht.

Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Koope­ra­tion mit dem Tages­spiegel.

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