Sind die im Fußball jetzt alle verrückt? Sollen die Bayern geimpft werden? Und wohin geht Marco Rose? Gut, dass Tommi Schmitt die Sache für uns einordnen kann.
Apropos! Wundert es Sie nicht auch, dass Hertha BSC noch immer Geld in der Schublade findet?
Man könnte die alte Floskel angleichen und nun sagen: Geld schießt zunächst keine Tore. Aktuell befindet sich Hertha in dieser „zunächst“-Situation. Denn was steht auf der Habenseite? Teure neue Spieler, Platz 15 und derselbe Trainer wie vor zwei Jahren. Ich sag’s mal so: Das hätten sie von mir auch günstiger kriegen können.
Immerhin: Mit Sami Khedira haben Sie nun einen Weltmeister, der…
… ja, Wahnsinn, oder? Khedira, den habe ich eher im „Was macht eigentlich“-Ressort des STERN vermutet als nochmal in der Bundesliga. Dass wir uns in diesem Jahr Sorgen um unsere Opas machen müssen, wusste ich. Aber dass sie jetzt zusätzlich noch von Hertha verpflichtet werden könnten, mit dieser Gefahr hätte ich nicht gerechnet. Schützt endlich die Altenheime!
Wird er helfen?
Wenn er fit bleibt, ganz bestimmt. Ich war immer Khedira-Fan. Wie selbstverständlich er als junger Kerl ab der WM 2010 die Rolle als Ballack-Nachfolger an- und mit welcher Seriosität und Eleganz er abseits des Platzes aufgetreten ist, hat mir immer imponiert. Guter Spieler, gute Werte, ach komm, ich lege mich fest: Er wird Hertha helfen.
Nach dem kurzen Exkurs in die Bundesliga zurück zum absurden Europäischen Fußball. Aufgrund der örtlichen Corona-Verordnungen empfängt die Leipzig-Filiale aus Fuschl am See am Dienstag den „Gast“ aus Liverpool in Budapest. Gladbach und Manchester City treten ebenfalls dort an. Hoffenheim spielt gegen Molde FK im spanischen Villareal. Herr Schmitt, mal ernsthaft, was soll das?
Was der österreichische Klub aus Leipzig macht, ist mir relativ schnurz. Viel interessanter ist für mich natürlich, dass meine Borussia aus Mönchengladbach ebenfalls in Budapest gegen die Mutation aus Großbritannien, Manchester City, antritt. Was für ein herrlicher Blödsinn! Der Fußball entwickelt sich zu seiner eigenen Karikatur. Engländer dürfen wegen der Corona-Situation nicht in Deutschland einreisen, dann lasst doch beide Teams nach Ungarn fahren, da gibt’s ja keinen Virus. Es ergibt alles keinen Sinn mehr. Und die Vereine sagen, auch irgendwie zurecht, denn von ihnen kommen schließlich nicht die Verordnungen: „Ja, was sollen wir denn machen?“ Es ist ein Dilemma. Die europäischen Wettbewerbe gleichen nun totalem Dadaismus. Als hätten Helge Schneider und Christopher Nolan gemeinsam das Drehbuch geschrieben.
„Die europäischen Wettbewerbe gleichen nun totalem Dadaismus“
Und…
…und Hoffenheim spielt gegen Molde aus Norwegen im spanischen Villareal. Lesen Sie diesen Satz einfach nochmal.
Hoffenheim spielt gegen Molde aus Norwegen im spanischen Villareal.
Bei der Meldung hat Karl Lauterbach vermutlich sofort aus allen Körperöffnungen geblutet. Hoffenheim gegen Molde in Villareal. Das klingt so, als zockte man die neunte Saison in „Fußballmanager“ mit derselben Mannschaft und alles ist völlig außer Kontrolle geraten. Verrückt. Das würde sofort abgebrochen werden, ginge es nicht um Geld. Welchen sportlichen Stellenwert haben denn derart auseinander gepflückte Turniere?
Das heißt, Sie freuen sich nicht einmal auf das Spiel Ihrer Borussia gegen City?
Ach, ich weiß es nicht. Es ist derzeit die pure Folter für jeden Fan. Freue ich mich nicht darauf, fühle mich gleichzeitig schlecht, weil es ein historisches Spiel für uns ist. Freue ich mich darauf, lüge ich mich auch ein bisschen selbst an, denn Fußball ist in dieser Saison mehr Ritual als Leidenschaft. Selbst wenn wir die Champions League gewönnen, hätte dieser unwahrscheinliche Erfolg ja keine Griechenland-EM-2004-Vibes. Was hätte dieses „Wunder“ zur Folge? Dass ich alleine in der Wohnung statt Bier zur Feier des Tages einen Sekt trinke? Und Spieler sehe, die vor leeren Rängen ironisch zur Laola ansetzen? Aber zur Frage: Doch, ich freue mich schon darauf. Und wenn es nur der Ablenkung dient.
Klingt ja richtig euphorisch.
Ich könnte ja jetzt auch die Unwahrheit sagen, Sie anspringen und behaupten, dass ich nicht mehr schlafen kann bis zum Anpfiff.
Bitte nicht anspringen.
Eben. Wirklich am einfachsten haben es in dieser Spielzeit Fans vom FC Augsburg. Die spielen einfach irgendeine Saison, in der sie am Ende Zwölfter werden und fertig. Keine falsche Freude, keine großen Abstiegssorgen. Die müssen sich das alles gar nicht angucken. Die sind einfach irgendwie da. Und wenn es dann wieder richtig losgeht, also mit Fans und so weiter, also der echte Fußball und nicht diese aktuelle Simulation, dann sind sie immer noch da. Als wäre nichts gewesen. Beneidenswert.