In Argentinien ist Juan Román Riquelme ein Idol, bei Boca ein Gott. Doch in keinem Land ist der Name Riquelme so populär wie in Brasilien – obwohl er nie dort spielte.
Über einen Heiligen namens Riquelme sei nichts überliefert, berichtet eine renommierte spanisch-sprachige Vornamens-Enzyklopädie – und liegt damit einerseits richtig, andererseits doch so falsch: Es begab sich nämlich im Jahr 2007, dass ein frisch gebackener Vater das Einwohnermeldeamt von Porto Alegre stürmte und freudestrahlend mitteilte, dass sein Sohn Riquelme soeben das Licht der Welt erblickt habe. „Riquelme?“, fragte der Beamte ungläubig. „Ja, Riquelme, nach dem heiligen Juan Román Riquelme von den Boca Juniors, der im Finale der Copa Libertadores das Team von Gremio abgeschossen hat.“ Das Herz des Jung-Papas schlug offenbar für Gremios Stadtrivalen Internacional.
Auch im Repertoire: „Riquelmy“, „Rikelme“, „Riquelmo“
Besagter Riquelme ist heute zwölf Jahre alt und beileibe nicht der einzige Junge aus dem Großraum Porto Alegre, der im Jahr 2007 diesen Vornamen verpasst bekam. Einen ähnlichen Riquelme-Boom hatte es bereits einige zuvor rund um die Zwölf-Millionen-Einwohner-Metropole Sao Paulo gegeben – aus einem einfachen Grund: Der begnadete Spielmacher (insgesamt drei Copa-Libertadores-Titel mit Boca) hatte im Finale 2000 und im Halbfinale 2001 jeweils die Mannschaft von Palmeiras Sao Paulo filetiert. Man darf also annehmen, dass die Mamas und Papas jener Riquelmes entweder Corinthians- oder FC-Sao-Paulo-Fans waren. Und aus tiefster Seele dankbar.
Andere brasilianische Eltern wollten mit ihrer Vornamens-Wahl einfach nur einem großen Fußballkünstler huldigen, was schon deshalb bemerkenswert ist, weil Juan Román Riquelme (41, aktuell Vizepräsident bei Boca) aus dem Land des ewigen Erzrivalen stammt und nie auch nur ein Spiel für einen Klub in Brasilien absolviert hat. Dennoch wurden laut brasilianischer Statistikbehörde zwischen dem Jahr 2000 und 2010 landesweit 15.037 neugeborene Jungen Riquelme (wahlweise auch „Riquelmy“, „Rikelme“, „Riquelmo“ o.ä.) genannt – und erhielten damit einen Vornamen, der streng genommen nur ein Nachname ist. Zum Glück ist das brasilianische Recht in solchen Fragen ziemlich nachsichtig.
Man darf also getrost davon ausgehen, dass der Name Riquelme in all seinen verschiedenen Schreibweisen und Abwandlungen auch künftig für Schlagzeilen im internationalen Fußball sorgen wird: Allein bei der jüngsten Ausgabe der „Copinha“, eines renommierten U20-Turniers mit Topklubs wie Flamengo, Vasco da Gama oder Cruzeiro Belo Horizonte, waren sage und schreibe elf Riquelmes am Ball, nämlich: Riquelmo und Riquelmy (Cruzeiro), Riquelme (Vasco da Gama), Riquelme (Fortaleza EC), Rikelmi (Juventus), Riquelmy, Rikelme (FC Suzano), Riquelme, Adrian Riquelme, Riquelme Ramalho (alle Nova Iguacu) sowie ein gewisser Aimar Riquelme (Trem Desportivo Clube).
Cruzeiros U17-Trainer Alexandre Graselli hat derzeit sogar vier Nachwuchskicker dieses Namens in seinem Kader, als da wären: Riquelmo, Riquelmy, Riquelme und Rikelme. Wobei man da scharf trennen muss: Riquelmo und Riquelmy heißen seit ihrer Geburt so. Riquelme und Rikelme hingegen beschenkten sich selbst mit diesem Namen, sie tragen ihn – nach guter brasilianischer Sitte – als fußballerisches Künstler-Pseudonym. „Es ist schon witzig“, sagt Coach Graselli, „manchmal gibt es ganze Generationen von Spielern, die sich nach einem bestimmten Fußballer oder Schauspieler benennen. Einmal hatte ich gleich sechs Spieler, die sich ‚Caua‘ nannten, nach dem Star aus einer bekannten Telenovela.“
Beim brasilianischen Verband sind aktuell 110 Nachwuchskicker als „Riquelme“ registriert
Nun also sind die Riquelmes im Kommen. Beim brasilianischen Verband sind aktuell 110 Nachwuchskicker als „Riquelme“, 41 als „Rikelme“ sowie rund 100 weitere unter verschiedensten anderen Schreibweisen dieses Namens registriert. Der vielleicht vielversprechendste von allen ist Riquelme Carvalho Araujo Viana von Vasco da Gama. Laut verschiedener brasilianischer Medien wird der 16-Jährige Offensivmann bereits von jenem Beraternetzwerk angeboten, dem auch der Vater von Superstar Neymar (Paris Saint-Germain) angehört. Neben PSG sollen unter anderem Benfica Lissabon und der FC Porto um dieses Juwel buhlen.
Es scheint also nur eine Frage der Zeit, wann ein neuer großer Riquelme die Fußballwelt erobert und so vielleicht den nächsten Namens-Boom auslöst, was auch nötig wäre: Seit 2010 nämlich scheint Riquelme in Brasilien ähnlich out zu sein wie hierzulande Kevin oder Jacqueline. Und so pflegt manch ein brasilianischer Jungstar ein eher distanziertes Verhältnis zu seinem Vornamen: „Ich bin dem echten Riquelme von der Spielweise her nicht besonders ähnlich“, betont Nachwuchsstürmer Riquelmy (17) von Cruzeiro und hätte wohl lieber einen anderen Namenspatron: „Mein Vorbild ist Lewandowski, weil der so viele Tore schießt.“ Klingt nur leider so gar nicht südamerikanisch.