Das niedersächsische Innenministerium räumt ein: Die Maßnahmen gegen Werder-Fans in Wolfsburg waren unrechtmäßig. Dennoch bleiben Fragen.
Am Freitag ergab sich eine überraschende Wendung: In Bezug auf die Kontrollstellen, welche die Polizei vergangenen Samstag am Wolfsburger Hauptbahnhof für Fans von Werder Bremen eingerichtet hatte, teilte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) mit: „Zur Fehlerkultur in einer modernen Polizei gehört auch, dass entsprechende Fehler erkannt und benannt werden. Nur so kann man es zukünftig besser machen.“ Damit räumte er die Unrechtmäßigkeit der Maßnahmen ein.
Ein vom niedersächsischen Innenministerium angeforderter Bericht kommt zum Ergebnis, dass für die sogenannten Kontrollstellen in Wolfsburg „nicht die notwendigen Voraussetzungen“ vorlagen. „Weder im Hinblick auf die Gefahr der Verwendung von Pyrotechnik im Stadion, noch hinsichtlich möglicher körperlicher Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fangruppen“, heißt es darin. „Sollten Fans aufgrund der so nicht rechtmäßigen Maßnahme zu Unrecht durchsucht worden sein, entschuldigen wir uns dafür“, teilte Pistorius weiter mit.
Dies ist umso bemerkenswerter, als dass die Polizeidirektion Braunschweig 11FREUNDE in ihrer Antwort auf unsere Anfrage am Donnerstagnachmittag noch mitgeteilt hatte, man habe die Maßnahme durchführen können, weil „das Abbrennen von Pyrotechnik beim anstehenden Spiel eine Gefahr für Leib oder Leben, für die in den eng verdichteten Zuschauerblöcken befindlichen Menschen“ bedeutet hätte.
Hintergrund ist wie bereits berichtet, dass für die Errichtung einer solchen Kontrollstelle Tatsachen vorliegen müssen, die bestimmte schwere Straftaten befürchten lassen. Weder das bloße Abbrennen von Pyrotechnik, noch mögliche Folgen wie die einfache Körperverletzung erfüllen dieses Kriterium. Daher räumte das Ministerium nun ein:
„Dafür lagen in dem konkreten Fall nicht die notwendigen Voraussetzungen vor – weder im Hinblick auf die Gefahr der Verwendung von Pyrotechnik im Stadion, noch hinsichtlich möglicher körperlicher Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fangruppen. Denn eine Voraussetzung des § 14 NPOG ist, dass von der Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung wie etwa schweren Körperverletzungen oder Landfriedensbruch ausgegangen werden kann. Eine solche Einschätzung wäre in diesem konkreten Fall nach Prüfung des Landespolizeipräsidiums zu weitgehend gewesen.“
Auch hatte die Polizei gegenüber 11FREUNDE bereits eingeräumt, dass die ursprünglichen Durchsagen, die von Aufenthaltsverboten für „alle Werder-Fans“ sprachen, zu weitgehend waren. Die zu hörende Lautsprecherdurchsage sei leider ungenau gewesen und später korrigiert worden. Alle Werder-Fans „die nicht der Szene zugehörig waren“ hätten sich frei bewegen können, heißt es in der Antwort.
Die Bremer „Grün-Weiße Fanhilfe“ reagierte auf Twitter, indem sie die Entschuldigung zwar begrüßte, gleichzeitig aber feststellte, diese enthalte aus ihrer Sicht weiter „falsche Behauptungen“: „Es stimmt nicht, dass nur szeneangehörige Personen betroffen gewesen seien. Uns liegen zahlreiche Berichte von (aus Polizeisicht) „normalen“ Werder-Fans vor, die intensivst gefilzt und gefilmt wurden“, so die Fanhilfe. Man werde weiterhin vor das Verwaltungsgericht ziehen, wenn die Polizei die Vorgänge nicht vollständig wahrheitsgemäß einräume.
Wie die Polizei vor Ort aus Hunderten Anhänger:innen Szene-Angehörige von anderen Fans unterscheiden wollte – und welche Tatsachen vorgelegen haben sollen, die die Maßnahmen nötig machten, beantwortete die Polizei bislang nicht. Es hieß dazu lediglich, der Einsatz von Pyrotechnik sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten gewesen.