Heute vor 14 Jahren starb Robert Enke. Sein Mannschaftskamerad, Nachfolger und Freund Florian Fromlowitz erinnert sich.
Es folgten grauenhafte Wochen, wir verloren Spiel um Spiel, einmal sogar 0:7 gegen den FC Bayern, und plötzlich steckten wir knietief im Tabellenkeller. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn wir damals wirklich abgestiegen wären, hätte der Verein das kaum überlebt. Doch an den letzten zwei Spieltagen verwandelte sich alles Pech, das wir bis dahin hatten, in Glück. Wie durch ein Wunder gewannen wir mit 6:1 gegen Gladbach und 3:0 in Bochum. Im Ruhrstadion rollten wir ein Plakat aus, auf dem stand „RIP Robert“, und wir schickten unsere Grüße hinauf in den Himmel.
Ich glaube nicht an Zufälle. Ich glaube, dass alles miteinander zusammenhängt. Zum Beispiel, dass ich jetzt in Wiesbaden bin, bei einem Drittligisten. Ich bin gerne hier, weil ich endlich wieder von Menschen umgeben bin, die an mich glauben. Doch ich weiß, dass meine gesamte Karriere mit Robert verbunden ist. Dass alles ein Stück weit mit diesem 10. November 2009 zu tun hat. Ich bin auf ewig der Torwart, der auf Robert Enke folgte. Der Torwart, der irgendwann tief fallen musste. Wäre ich auch hier, wenn Robert noch leben würde?
Nach dem Klassenerhalt spielten wir 2010/11 richtig guten Fußball. Ich nahm mittlerweile auch die Gespräche mit unserem Psychologen Andreas Marlovitz wahr. Anfangs wollte ich ihn nicht treffen, denn ich dachte, entweder kannst du Fußballspielen oder eben nicht. Heute weiß ich: Das ist Quatsch. Er half mir sehr, er hörte mir zu, wenn ich mich auskotzte, er erklärte mir etwas, wenn ich Fragen hatte. Noch heute telefonieren wir miteinander. Außerdem rückten wir in diesem Jahr als Mannschaft näher zusammen und trafen uns nun regelmäßig privat. Ich unternahm häufig was mit Jan Schlaudraff, Konstantin Rausch, Felix Burmeister, Lars Stindl oder Moritz Stoppelkamp, wir wurden eine richtige Clique. Und so seltsam das klingen mag: Es waren die besten Monate meiner Profikarriere. Auf einmal merkte ich, dass Freundschaft auch im schnelllebigen Fußballgeschäft möglich ist. Doch die Zeit endete abrupt. Nach der Winterpause nahm mich Mirko Slomka aus dem Tor. Er wolle der Jugend eine Chance geben, und die hieß Ron-Robert Zieler. Im Nachhinein kann man ihn dafür nicht kritisieren, Ron ist heute Nationalspieler. Doch auch ich hielt damals gut, und wir waren immerhin Vierter in der Bundesliga.
Vielleicht war es ein Fehler, sofort zu wechseln, doch damals wollte ich unbedingt spielen. Ich hatte ein Angebot vom FC Bologna vorliegen, doch weil es uns dort nicht so gefiel, entschied ich mich für die sichere Variante und wechselte zum MSV Duisburg. Anfangs, unter Milan Sasic, lief es noch gut, doch dann wurde er entlassen, und ich machte den schlimmsten Fehler meiner Karriere: Ich haute aus dem Mannschaftshotel ab, nachdem der neue Trainer Oliver Reck mir erklärt hatte, dass ich am kommenden Wochenende nur auf der Bank sitzen würde. Er versuchte mich noch per Handy zu erreichen, doch ich ging nicht ran. Was damals niemand wusste: Ich fuhr direkt zu meiner Frau, die im Krankenhaus lag und eine Fehlgeburt hatte. Fußball, dachte ich da, scheiß auf Fußball! In der Presse und bei den Fans war ich nun untendurch. Ich galt als arroganter Egoist, der seine Mannschaft im Stich lässt.
Danach ging ich zu Dynamo Dresden, wo man mir einen fairen Zweikampf mit Benjamin Kirsten versprach. Doch Ulfs Sohn in Dresden zu verdrängen, ist schwer. Zugegeben: Er hielt auch gut. Die Situation wurde richtig blöd, als der Klub noch einen weiteren Torhüter verpflichtete. Plötzlich hatte Dynamo vier Keeper, und jeder fragte sich: Was soll das? Mir lag dann ein Angebot aus Sandhausen vor, doch Dynamo wollte mich nicht gehen lassen. Ich verstand die Welt nicht mehr.