Um nicht missverstanden zu werden: Man kann wie die Union-Verantwortlichen natürlich jederzeit über alternative Konzepte für sichere Veranstaltungen nachdenken. Es gibt keine Denkverbote – und womöglich muss innerhalb einer bislang nicht dagewesenen Bedrohungslage auch unkonventionell gedacht werden. Zudem kann ja niemand, der sich auch nur ein bisschen um lebendige Fußball- und Fankultur schert, daran gelegen sein, die gegenwärtige Situation in den Stadien zu zementieren.
So verdienstvoll also auch die Platzierung innovativer Ansätze ist, so wenig nährt die bewusste Aussparung der Tatsache, dass kein Schnelltest der Welt verhindern kann, dass doch infizierte Personen das Stadion betreten, das Vertrauen darin, dass sich die Union-Führung mit allen medizinischen und gesellschaftlichen Implikationen verantwortungsvoll umgeht.
Denn natürlich reicht das Union-Konzept über medizinische oder organisatorische Aspekte hinaus und berührt die Frage nach der Verantwortung des Fußballs im Allgemeinen und des 1. FC Union im speziellen. Der 1.FC Union reklamiert wortgewaltig für sich, stets im Dienste der Gesellschaft zu handeln. „Ich finde es hoch solidarisch, für die Gesellschaft nach Lösungen zu suchen“, befand Zingler, dabei betreibt der Klub bei Licht besehen klassische Klientelpolitik. Denn die viel beschworene Gesellschaft, das ist für Zingler offenbar vor allem die Union-Familie, die möglichst bald das klassische Fußballerlebnis zurückbekommen soll. Alle andere, die womöglich durch unausgegorene Experimente gefährdet werden, kommen in den Planspielen der Köpenicker nicht vor – da hilft auch nicht die Verbrämung des Konzept als medizinisch wertvolle Studie.
Die gesellschaftliche Verantwortung reicht aber weit über Stadionbesuche hinaus. Das Union-Konzept hat nur dann eine Chance auf Umsetzung, wenn offen und ohne Aussparung heikler Punkte über Möglichkeiten und Risiken debattiert wird und die Gefahren nicht kleingeredet oder verschwiegen werden. Und was wir auch gern wieder und wieder und wieder erklären: Dieser Dialog darf nicht nur lokal, sondern muss bundesweit und auch im Ligaverbund geführt werden. Das ist zwar mühsamer, weil es der Abstimmung bedarf. Es würde aber zeigen, dass sich die Klubs ihrer Verantwortung bewusst sind – gegenüber den Anhängern und gegenüber der Gesellschaft.