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Die Replik des FC Union Berlin klang ein wenig genervt. Am Dienstag hatte die Runde gemacht, dass der Klub aus Köpe­nick nach wie vor an seinem Vor­haben fest­hält, dem­nächst ein beson­deres Test­spiel zu ver­an­stalten. Am 25. Oktober will der Bun­des­li­ga­klub die anderswo übli­chen Corona-Regeln des Abstand­hal­tens und Mas­ket­ra­gens nicht gelten lassen, statt­dessen soll eine Ver­an­stal­tung ohne Abstand – mit prä­ven­tivem Test“ statt­finden, so jeden­falls ließ Union-Prä­si­dent Dirk Zin­gler im Inter­view mit dem öffent­lich-recht­li­chen rbb“ ver­lauten. Kritik an diesem Vor­haben will der Klub aber nicht gelten lassen. Es geht von Anfang an um die Mög­lich­keit einer sicheren Ver­an­stal­tung“ schrieb der Klub via Twitter und ver­fiel in den Ton eines genervten Vaters, der sein Kind end­lich ins Bett schi­cken will: Erklären wir gerne wieder und wieder und wieder“.

Das Kuriose daran: Der Klub hat sich zwar bereits wort­reich zum Ver­fahren erklärt, vom Ticket­kauf über den nega­tiven Coro­na­test als Bedin­gung für den Ein­lass bis hin zur Nach­ver­fol­gung durch die Gesund­heits­ämter – zum ent­schei­denden Punkt, näm­lich der Eli­mi­nie­rung über­flüs­siger Risiken hin­gegen ist der Klub bis­lang erstaun­lich wort­karg geblieben, auch auf Nach­frage via Twitter – was bei einem bun­des­weit sin­gu­lären Vor­haben inmitten einer gras­sie­renden Pan­demie bemer­kens­wert ist.

Mal zu den Fakten

Zu den medi­zi­ni­schen Fakten: Bei Tes­tungen (…) muss berück­sich­tigt werden, dass SARS-CoV-2-Tests in der prak­ti­schen Anwen­dung keine hun­dert­pro­zen­tige Sen­si­ti­vität auf­weisen“ schreibt das Robert-Koch-Institut zu den bis­lang ein­ge­führten PCR-Tests und zitiert aus einer Studie: Ein nega­tives PCR-Ergebnis schließt die Mög­lich­keit einer Infek­tion mit SARS-CoV‑2 nicht aus.“ Nun gilt diese Exper­tise, wie erwähnt, für PCR-Tests, der Klub will im Oktober statt­dessen auf gänz­lich neu ent­wi­ckelte Schnell­tests setzen. Zwar wollte sich Prä­si­dent Zin­gler im Inter­view den Namen des Her­stel­lers nicht ent­lo­cken lassen – es gibt jedoch kei­nerlei Anlass anzu­nehmen, dass gänz­lich neu ent­wi­ckelte Tests aus­schließ­lich kor­rekte Ergeb­nisse pro­du­zieren. Kein medi­zi­ni­scher Test ist gänz­lich feh­ler­frei. Und nur zur groben Ein­ord­nung: Bei einer Über­prü­fung von 957 negativ getes­teten Per­sonen via PCR-Test durch eine Wie­der­ho­lung des Abstrichs wurde in fünf Stu­dien zwi­schen zwei und 29 Pro­zent falsch-nega­tive Ergeb­nisse fest­ge­stellt.

All das sollte man wissen, wenn vor dem Sta­di­on­be­such absol­vierte Schnell­tests die ansonsten übli­chen Vor­sichts­maß­nahmen ersetzen sollen. Und es wäre Union-Prä­si­dent Dirk Zin­gler gut zu Gesicht gestanden, wenn er diesen Punkt im rbb-Inter­view ange­spro­chen hätte – es ist näm­lich der zen­trale Schwach­punkt im Kon­zept des Klubs.

Um nicht miss­ver­standen zu werden: Man kann wie die Union-Ver­ant­wort­li­chen natür­lich jeder­zeit über alter­na­tive Kon­zepte für sichere Ver­an­stal­tungen nach­denken. Es gibt keine Denk­ver­bote – und womög­lich muss inner­halb einer bis­lang nicht dage­we­senen Bedro­hungs­lage auch unkon­ven­tio­nell gedacht werden. Zudem kann ja nie­mand, der sich auch nur ein biss­chen um leben­dige Fuß­ball- und Fan­kultur schert, daran gelegen sein, die gegen­wär­tige Situa­tion in den Sta­dien zu zemen­tieren.

So ver­dienst­voll also auch die Plat­zie­rung inno­va­tiver Ansätze ist, so wenig nährt die bewusste Aus­spa­rung der Tat­sache, dass kein Schnell­test der Welt ver­hin­dern kann, dass doch infi­zierte Per­sonen das Sta­dion betreten, das Ver­trauen darin, dass sich die Union-Füh­rung mit allen medi­zi­ni­schen und gesell­schaft­li­chen Impli­ka­tionen ver­ant­wor­tungs­voll umgeht.

Ver­ant­wor­tung gegen­über wem?

Denn natür­lich reicht das Union-Kon­zept über medi­zi­ni­sche oder orga­ni­sa­to­ri­sche Aspekte hinaus und berührt die Frage nach der Ver­ant­wor­tung des Fuß­balls im All­ge­meinen und des 1. FC Union im spe­zi­ellen. Der 1.FC Union rekla­miert wort­ge­waltig für sich, stets im Dienste der Gesell­schaft zu han­deln. Ich finde es hoch soli­da­risch, für die Gesell­schaft nach Lösungen zu suchen“, befand Zin­gler, dabei betreibt der Klub bei Licht besehen klas­si­sche Kli­en­tel­po­litik. Denn die viel beschwo­rene Gesell­schaft, das ist für Zin­gler offenbar vor allem die Union-Familie, die mög­lichst bald das klas­si­sche Fuß­ball­er­lebnis zurück­be­kommen soll. Alle andere, die womög­lich durch unaus­ge­go­rene Expe­ri­mente gefährdet werden, kommen in den Plan­spielen der Köpe­ni­cker nicht vor – da hilft auch nicht die Ver­brä­mung des Kon­zept als medi­zi­nisch wert­volle Studie.

Die gesell­schaft­liche Ver­ant­wor­tung reicht aber weit über Sta­di­on­be­suche hinaus. Das Union-Kon­zept hat nur dann eine Chance auf Umset­zung, wenn offen und ohne Aus­spa­rung heikler Punkte über Mög­lich­keiten und Risiken debat­tiert wird und die Gefahren nicht klein­ge­redet oder ver­schwiegen werden. Und was wir auch gern wieder und wieder und wieder erklären: Dieser Dialog darf nicht nur lokal, son­dern muss bun­des­weit und auch im Liga­ver­bund geführt werden. Das ist zwar müh­samer, weil es der Abstim­mung bedarf. Es würde aber zeigen, dass sich die Klubs ihrer Ver­ant­wor­tung bewusst sind – gegen­über den Anhän­gern und gegen­über der Gesell­schaft.