Innerhalb von wenigen Stunden feierte Flamengo Rio de Janeiro erst den Gewinn der Copa Libertadores und dann die Meisterschaft. Wir haben mit den Fans gesprochen.
Eine atemberaubende Einschaltquote von 78 Prozent und Hunderttausende in den Straßen, die den frisch gebackenen Copa-Libertadores-Gewinner Flamengo in Rio de Janeiro feierten. Weder Weltmeisterschaft 2014 noch Olympische Spiele 2016 schafften, was nach dem „Double“ vom Wochenende gelang: eine ganze brasilianische Stadt in Euphorie zu versetzen. Im Finale in der peruanischen Hauptstadt Lima setzte sich Flamengo dank zweier später Tore von Gabriel „Gabigol“ Barbosa mit 2:1 gegen River Plate aus Buenos Aires durch und gab damit den Startschuss für eine gewaltige Party. Denn nach dem ersten Copa-Titel seit 39 Jahren folgte auch noch die erste Meisterschaft seit zehn Jahren.
„Die ganze Stadt ist bewegt. Flamengo hat die Stadt aufgeweckt, wie es nicht einmal eine der letzten brasilianischen Nationalmannschaften geschafft hat“, sagt Flamengo-Fan und Verwaltungsangestellter Ednaldo Galdino (49). „Egal ob jemand für oder gegen Flamengo ist, die Leute haben alle zugesehen.“ Den letzten Copa-Titel hat Galdino noch live miterlebt. „Damals war ich 11 Jahre alt. Das waren andere Zeiten, wir hatten Zico, Nunes, Junior. Wir sind sogar Weltpokalsieger gegen Liverpool geworden. Das hat unsere jetzige Mannschaft noch nicht geschafft.“ Kann sie aber im Dezember: Dann sind Flamengo und Liverpool erneut Rivalen, für den Fall dass sich beide Teams für das Klub-WM-Finale qualifizieren.
Für den 15 Jahre jüngeren Julio Cesar (34) war der Libertadores-Erfolg dagegen etwas ganz Neues: „So etwas erlebst du nur einmal im Leben oder, wenn du ganz viel Glück hast, zweimal. Ich bin 1985 geboren, deswegen ist so ein Erfolg etwas Neues und einzigartiges für mich. Ich war einige Jahre aus Rio weg, aber diese Energie, die Flamengo und das Maracana ausstrahlen, hat mich zurückholt. Es gibt keine Fans, die eine solche Energie und Leidenschaft haben wie die Flamengo-Fans. Du kannst das überall erleben, in jeder Ecke, in den Bars, Restaurants und natürlich im Stadion. Flamengo ist Heimat, ist Kultur. Die Zuschauerzahlen sind ja endlich wieder beeindruckend gewesen. Flamengo ist Rio und Rio ist Flamengo.“
„Ich habe die Stadt noch nie so glücklich gesehen“
Im achten Monat schwanger ist Marketing-Managerin Maira (31). Über ihrem kugelrunden Bauch ist das Gesicht von Flamengo-Trainer Jorge Jesus zu sehen, deren T‑Shirt sie trägt und der seit Montag auch Ehrenbürger der Stadt Rio de Janeiro ist. „Jesus beschützt nicht nur Flamengo, sondern auch meine Tochter“, lacht sie Maira. Das Flamengo-Gen liegt bei ihr in der Familie: „Schon meine Großeltern waren Fans. Meine Eltern, jetzt ich und natürlich wird auch meine Tochter Maya ein Flamengo-Fan werden.“
Das historische Wochenende wird sie ihr Leben lang nicht vergessen: „Ich habe die Stadt noch nie so glücklich gesehen. Wir haben das wirklich gebraucht, es geht uns nicht gut. Wir haben viele soziale Probleme. Manchmal fragen wir uns, warum gelingt es uns nicht so viele Menschen für politische oder soziale Anliegen auf die Straße zu bringen wie bei der Meisterfeier am Sonntag? Aber die Leidenschaft steht über allem.“
Das Finale hat sie heimlich in einer Bar mit Freunden angeschaut: „Wenn meine Schwiergmutter das raubekommt, gibt es Ärger, denn eigentlich soll ich strikte Ruhe haben. Aber meine Mutter ist genauso fanatisch wie ich und sie half mir. Mein Mann ist in Lima dabei gewesen. Wir haben die Haushaltskasse leer gemacht dafür, aber es hat sich gelohnt. Ich habe ihm gesagt, er darf nich ohne Pokal wieder kommen.“