Ein Tag für die Geschichtsbücher: Wie sich der frühere Ultra Kay Bernstein bei Herthas Präsidentenwahl gegen Frank Steffel durchsetzte.
Plötzlich ging es im City Cube zu wie in der Ostkurve des Olympiastadions. Da war es 13.31 Uhr und Versammlungsleiter Dirk Lentfer hatte Sekunden zuvor das Ergebnis der ersten und wichtigsten Wahl der außerordentlichen Mitgliederversammlung von Hertha BSC bekanntgegeben: Kay Bernstein ist neuer Präsident und Nachfolger des Ende Mai zurückgetretenen Werner Gegenbauer. Daraufhin sprangen vor allem in den vorderen Reihen, in denen sich die aktive Fanszene positioniert hatte, viele Mitglieder auf und skandierten sehr laut „HaHoHe, Hertha BSC“.
3016 gültige Stimmen waren abgegeben worden. Davon entfielen 1670 auf Bernstein, früherer Ultra und inzwischen Eigentümer einer Kommunikationsagentur. 1280 Stimmen bekam der Unternehmer und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Frank Steffel, 26 entfielen auf Marvin Brumme. Dieses Ergebnis darf getrost als ein sehr großer und nicht unbedingt erwarteter Sieg der Fanbasis angesehen werden, als eine Art Revolution beim Fußball-Bundesligisten. Und es ist eine Premiere im deutschen Profifußball: Einen Präsidenten mit Ultra-Vergangenheit gab es noch nicht.
Er war Ultra der ersten Stunde und Vorsänger in der Ostkurve – jetzt möchte er Werner Gegenbauer als Hertha-Präsident vorzeitig ablösen: Kay Bernstein.
Bernstein hatte seine Kandidatur Anfang Mai – als Erster – bekanntgegeben und war mit einem engagierten Team sowie vielen Ideen angetreten. Als sich jedoch zunächst Klaus Brüggemann, Vorsitzender des Aufsichtsrates, für Steffel ausgesprochen hatte und dann Ingmar Pering bekanntgab, nicht für das Präsidentenamt zu kandidieren, sondern Vizepräsident werden zu wollen und Steffel zu unterstützen, schienen Bernsteins Chancen deutlich kleiner geworden zu sein.
Allerdings gab es auch am Sonntag wieder in mehreren Wortmeldungen Kritik an der Vorgehensweise der Funktionäre. Neuer Vizepräsident wurde schließlich Fabian Drescher (1966 von 2216 abgegeben Stimmen), Pering hatte seine Kandidatur zurückgezogen. Zudem sind Tim Kauermann und Hans-Joachim Bläsing als einfache Mitglieder ins Präsidium nachgewählt worden. Der Tag hat insgesamt deutlich gezeigt, dass die Ideen der führenden Personen im Verein mitnichten die der Mehrheit der Mitglieder waren.
„Unsere alte Dame liegt auf der Intensivstation“
„Unsere alte Dame liegt auf der Intensivstation. Wir können sie jetzt von innen heilen und ganzheitlich gesund machen. Jeder kann und muss mithelfen, damit wir unsere blau-weiße Seele zurückgewinnen“, sagte Bernstein in einer ersten kurzen Reaktion, nachdem der Jubel seiner Unterstützer abgeebbt war.
Der Wahl waren wie schon bei der Mitgliederversammlung vor vier Wochen hochemotionale Stunden vorausgegangen, allerdings diesmal nicht so viele wie Ende Mai. Brüggemann hatte für einen „sachlichen, emotionsfreien“ Verlauf geworben. Den gab es aber so nicht. Immer wieder ging es hoch her.