Ein Tag für die Geschichtsbücher: Wie sich der frühere Ultra Kay Bernstein bei Herthas Präsidentenwahl gegen Frank Steffel durchsetzte.
Der 41 Jahre alte Bernstein, der eine Jacke mit Hertha-Logo trug, sprach aufgrund des Alphabets als Erster. Und musste erst einmal warten, weil es sehr langen Applaus gab. Bernstein, der sich erneut „Kind der Kurve“ nannte, war 1994 zum ersten Mal bei Hertha. Seit 2005 ist er Mitglied. Zuvor hatte er die Ultragruppierung „Harlekins Berlin“ mitbegründet und war mehrere Jahre der Vorsänger in der Kurve. Er engagiert sich stark für soziale Projekte.
Bernstein setzte bei seiner sechsminütigen Rede voll auf die Karte Emotion und seine inzwischen jahrzehntelange Verbundenheit zum Klub. Er sagte, dass alle – und schloss sich selbst ein – dazu beigetragen hätten, dass die Situation bei Hertha „so ist, wie sie ist“. Nämlich ziemlich schlecht. Sowohl sportlich als auch abseits des Rasens. In der jüngeren Vergangenheit schaffte es der Klub immer wieder in atemberaubender Geschwindigkeit, Negativschlagzeilen zu produzieren. Um das zu ändern, muss Hertha „entgiftet“ werden, wie es Bernstein nannte.
„Wir brauchen einen wirklichen Neustart“, sagte er und forderte einen „Burgfrieden“. Er sei bereit, mit allen zusammenzuarbeiten. Bernstein stellte einen Zehn-Punkte-Plan für die ersten 100 Tage vor. Unter anderem sollen die Spieler für die Mitarbeiter des Vereins grillen, um ein neues Wir-Gefühl zu schaffen. Und: „Ein neues Stadion ist für Hertha sehr wichtig.“ Viel Konkretes war ansonsten noch nicht dabei, er wolle dem Präsidium da nichts vorwegnehmen.“ Kritische Nachfragen gab es kaum.
Die Boatengs und ihre Kumpels sollten einmal Herthas Zukunft sein. Heute spielen sie anderswo. Jeder für sich. Die Geschichte einer Entfremdung.
Das war bei Steffel anders. Der 56-Jährige hatte unter anderem ausführlich auf die Erfolge der Füchse-Handballer während seiner 17 Jahre dauernden Präsidentschaft verwiesen. Diese hatte er am Tag von Herthas Mitgliederversammlung niedergelegt. „Meine ausgestreckte Hand steht. Lasst uns einfach schauen, dass es weniger gegeneinander geht. Es geht darum, gemeinsam Aufbruch hinzubekommen“, sagte Steffel. Doch seine Ausführungen riefen immer wieder Unmutsäußerungen hervor. Ein Mitglied sprach davon, er trete „passiv-aggressiv“ auf. Steffel sagte auch noch Folgendes: „Es darf keinen Gewinner und Verlierer geben, sondern ab morgen nur noch Herthaner.“
„Es kann ja nur besser als früher werden“
Gegen 13.30 Uhr stand aber fest, dass es sehr wohl einen großen Gewinner gibt – der heißt Kay Bernstein und hatte schon vor seiner Wahl mitgeteilt, wie er sich Herthas nähere Zukunft im sportlichen Bereich vorstellt: Erst im DFB-Pokal „nach Braunschweig fahren und gewinnen“, dann im Derby am ersten Bundesliga-Spieltag „nach Köpenick fahren und alles raushauen“ und danach „im ausverkauften Olympiastadion“ Eintracht Frankfurt zeigen, „wo der Frosch die Locken hat“. Diese und alle weiteren Spiele wird er nun als neuer Präsident von Hertha BSC erleben.
Die Arbeit beginnt aber schon viel früher, offiziell am Mittwoch mit der ersten Präsidiumssitzung. Und natürlich wird es auch Gespräche mit Investor Lars Windhorst geben. Windhorst sagte am Nachmittag dem „Kicker“: „Wir gehen offen und ohne jeden Vorbehalt in die kommenden Gespräche. Es kann ja nur besser als früher werden.“
Dieser Text entstand in Kooperation mit dem Tagesspiegel.