Heute feiert Reporter-Legende Rolf Töpperwien seinen 70. Geburtstag. Warum er auch Jahre nach seinem Karriereende noch als einer der wagemutigsten Field-Reporter jemals gilt? Darum!
Der Text ist erstmals im neuen 11FREUNDE-SPEZIAL „Spiele unseres Lebens“ erschienen. Im Heft erzählen wir von vergessenen Krachern und epischen Schlachten. Von Spielen wie dem 6:6 zwischen Schalke und Bayern, in dem Olaf Thon über Nacht zum Helden wurde. Das Heft gibt es im Kiosk. Oder direkt bei uns im Shop.
Die Reise nach Magdeburg mussten wir uns vom DDR-Außenministerium genehmigen lassen. Von denen bekamen wir auch zwei „journalistische Begleiter“ zur Seite gestellt, die waren natürlich von der Stasi. Deren Einsatz musste sogar vom ZDF bezahlt werden, ansonsten hätten wir keine Einreiseerlaubnis erhalten. Am Grenzübergang in Herleshausen kontrollierten uns die Beamten stundenlang. Die blätterten sogar den Jahreskicker durch, den wir brauchten, weil darin neben dem von Schalke auch der Kader des 1. FC Magdeburg stand. Im Interhotel Magdeburg mussten wir dann unterschreiben, dass wir keinen Kontakt zu DDR-Bürgern aufnehmen würden. Ich hatte solche Angst vor Konsequenzen, dass ich mich an alle Vorgaben hielt.
Das Spiel gewann Magdeburg 4:2. Jürgen Sparwasser, der schon 1974 gegen die BRD getroffen hatte, schoss drei Tore. Kurz vor Abpfiff war die Angst verflogen, ich sagte zu meinen Stasi-Begleitern aus Berlin: „Ich muss den Rüssmann interviewen, der wurde von eurem Sparwasser ja schwindelig gespielt.“ Die haben das akzeptiert und ich bin runter hinter das Tor zu meinem Kameramann Axel Mewes. Ihm sagte ich, er solle sofort draufhalten, wenn Sparwasser vom Platz käme. Ich wollte ihn nicht überfallen und habe mich als ZDF-Reporter vorgestellt, da sah ich die beiden Männer mit Mantel und Hut aus dem Augenwinkel schon im Laufschritt näherkommen. Also legte ich schnell los, stellte eine Warm-up-Frage und fragte Sparwasser nach seiner Gefühlslage. Er antwortete: „Das ist natürlich eine schöne Sache. Und ich glaube, da müsste es jetzt mal eine gute Prämie geben – ich glaube ein Kühlschrank ist drin.“
In dem Moment standen die beiden Leute neben mir und forderten das Filmmaterial. Ich sagte zu meinem Kameramann: „Axel, gib die Filmdose raus.“ Der verstand sofort und holte eine Dose aus der Kiste, in der die leeren Filme waren. Das haben die beiden nicht kapiert. Nach dem Spiel sind wir so schnell es ging wieder rübergefahren. Als wir westdeutschen Boden unter den Füßen hatten, war ich enorm erleichtert.
Jahre später bekam ich für ein Filmprojekt Einsicht in meine Stasi-Akte. Darin stand: „Töpperwien, Rolf. ZDF-Fußballreporter. Politisch uninteressant. Journalistisch nicht einzufangen.“
Als ich im Stadion ankam, wurde ich von den beiden „Bild“-Redakteuren Jörg F. Hüls und Alfred Draxler mit den Worten begrüßt: „Na, Kollege Töpperwien, auch gut vorbereitet?“ Ich antwortete: „Nicht nur mit der ‚Bild‘, ich habe auch die ‚Buersche Zeitung‘ gelesen.“ Die kannte ich eigentlich nur, weil die eine kleine Werbung auf der Schalker Anzeigetafel geschaltet hatten. In der Ausgabe vom Spieltag hatte ich eine Geschichte über Olaf Thon gelesen, der einen Tag zuvor 18 Jahre alt geworden war. In dem Artikel stand unter anderem, dass Thon von Kindesbeinen an Bayern-Fan sei und sogar in rot-weißer Bettwäsche schlafen würde. Ich wollte den beiden ‚Bild‘-Matadoren eigentlich nur einen Spruch drücken und dachte im Leben nicht, dass ich diese Info brauchen würde.
Dann schoss Olaf Thon tatsächlich drei Tore, das letzte in der Nachspielzeit der Verlängerung zum 6:6. Und dann brach alles zusammen, die Anhänger stürmten jubelnd auf den Platz, und ich wollte natürlich den Kleinsten haben. Ich habe inmitten der feiernden Menschen gebrüllt: „Holt mir den Thon!“ Wie ich verbal und mit Körpereinsatz gekämpft habe, war alles schon live auf Sendung.
Im Interview outete ich Thon dann deutschlandweit als Bayernfan. Er sagte später einmal, dass er sich überrumpelt gefühlt habe, weil eigentlich nur seine Eltern von der Bettwäsche wussten – und die „Buersche Zeitung“