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Seite 3: „Nachhaltigkeit ist wichtiger als die großen Namen“

Ehr­fürchtig ver­folgen die indi­schen Spieler das Ver­halten ihrer pro­mi­nenten Mann­schafts­kol­legen. Einer der ein­hei­mi­schen Stars ist Sub­rata Pal, Indiens Natio­nal­tor­wart, ein höf­li­cher, zurück­hal­tender Mann. Für ihn sei es eine große Ehre, sagt er, mit Welt­stars wie Anelka oder Ljung­berg zusam­men­zu­spielen und mit ihnen Kabine und Trai­nings­platz zu teilen. Wäh­rend die euro­päi­schen Alt­stars Indien nach dem Sai­son­fi­nale am 20. Dezember 2014 wieder ver­lassen, werden die lokalen Spieler zusammen mit ein paar inter­na­tio­nalen No-Names bleiben.

Für mich ist das Thema Nach­hal­tig­keit wich­tiger als die großen Namen“, sagt Abishek Yadav, ein wei­terer Natio­nal­spieler in Diensten von Mumbai City FC. Um den Fuß­ball im Land wirk­lich zu ver­än­dern, brauche es mehr als eine lukra­tive Mini-Liga. Vor allem in der Nach­wuchs­ar­beit müsse mehr getan werden, sagt er. Es ist auch ein Appell an die Inves­toren, dass sie bei ihrem ehr­gei­zigen Fuß­ball­pro­jekt einen langen Atem beweisen.

Einer von ihnen ist John Abraham, ein Star aus der Traum­fa­brik von Bol­ly­wood, ein Film­pro­du­zent und Unter­nehmer. Er ist einer von drei Super­promis aus dem Kino­busi­ness, die – neben einigen Cri­cket-Helden – in der ISL enga­giert sind und auf Pres­tige im Fuß­ball­mi­lieu und mit­tel­fristig auch auf einen finan­zi­ellen Rück­fluss ihrer Ein­sätze in der Pro­fi­liga hoffen. Es ist nicht so leicht, Abraham zu treffen. Ein Raunen und Krei­schen geht durch die Halle des Hotels in Guwa­hati, im Nord­osten des Landes, als er aus dem Aufzug tritt. Da steht er, groß gewachsen, weiße Zähne, Gewinner eines Schön­heits­wett­be­werbs, ein Bild von einem Mann. Und seit kurzem Inhaber bzw. Fran­chise-Nehmer des Fuß­ball­klubs Nor­theast United. Rou­ti­niert erfüllt er die Foto­wün­sche und bittet dann in eine ruhige Ecke zur Audienz. Leider, so führt Abraham aus, gebe es in diesem rie­sigen Land nur zwei Arten von Göt­tern: Cri­cket-Stars und Film­schau­spieler wie mich.“ Und diese Form der Hel­den­ver­eh­rung sei doch nicht gut, nicht aus­rei­chend, erklärt er mit dem ein­stu­dierten Gestus der Beschei­den­heit. Als Fuß­bal­len­thu­siast hat er es sich daher zur Auf­gabe gemacht, den Sport zu puschen, wo es nur geht. Als Medi­en­un­ter­nehmer weiß er alles über die Sog­kraft, die große Fuß­baller im Westen auf die Gesell­schaft aus­üben können.

Er ist sich sicher: Eines Tages werde der Fokus der Men­schen auf die eigent­li­chen Helden“ fallen – auf die Profis in der ISL. Jetzt schauen noch alle auf die ergrauten Helden, die wie eine Eli­te­ein­heit aus dem fernen Europa ein­ge­schwebt seien und so wie sie kamen bald auch wieder ver­schwunden sein werden. Doch in Zukunft werden die Fans dann vor allem – so Abraham – auf unsere indi­schen Jungs“ schauen. Dann sei seine Mis­sion als Fuß­ball-Geburts­helfer erfüllt. Obwohl Abraham durchaus Model­qua­li­täten mit­bringt und ohne wei­teres als indi­sche Aus­gabe von George Clooney durch­ginge, lässt er sich mar­ke­ting­ge­recht am liebsten im Trikot seines Teams ablichten. Hin und wieder soll er dem Ver­nehmen nach auch selbst gegen den Ball treten. Als der 36-jäh­rige Joan Cap­de­vila – spa­ni­scher Welt­meister in Diensten von Nor­theast United – durch die Hotel­lobby schlen­dert, ist schwer zu ermessen, wer hier wessen Boss ist. Eine Spur zu auf­ge­kratzt wirkt der Bol­ly­wood-Held, als er betont lässig mit seinem Kapitän abklatscht.

Ob die neue Liga am Ende wirk­lich ein gutes Geschäft sein wird, können der­zeit weder Abraham noch irgendein anderer Geld­geber absehen. Kon­krete Zahlen will kein Investor nennen, aber hinter vor­ge­hal­tener Hand hört man, dass die Super League in ihrem Pre­mie­ren­jahr bei weitem nicht so viel abwerfen wird, wie sich einige vor­ge­stellt haben. Selbst wenn alles optimal läuft, dürfte es min­des­tens drei bis fünf Spiel­zeiten dauern, bis die enormen Inves­ti­tionen in erste Gewinne umge­wan­delt werden.

Mit Fahr­zeug­ko­lonne und Poli­zei­si­rene geht es zum Indira-Gandhi-Sta­dion von Guwa­hati. Schon zwei Stunden vor Anpfiff bricht das Rund aus allen Nähten. Ein Bol­ly­wood-Beat bal­lert aus den Boxen, 35 000 fre­ne­ti­sche Fans feiern die Mann­schaft von Nor­theast United und singen die neue Hymne des indi­schen Fuß­balls mit ihrer etwas eigen­wil­ligen Gram­matik: Come on India, let’s foot­ball!“

Wer erwartet hatte, dass die Super League nur eine wei­tere Vari­ante dieser außer­eu­ro­päi­schen Geld-Ligen ist, bei denen ein paar schwer­reiche Spon­soren bräsig auf der Tri­büne vor sich hin­dösen, wird spä­tes­tens hier eines Bes­seren belehrt. Diese Begeis­te­rung ist echt.

Keine Frage, für Fuß­ball­kultur-Puristen gäbe es viel zu bemän­geln am indi­schen Fuß­ball­hype: das ganze Fran­chise-System, die gestopften Klub­mä­zene, die sich ihr sünd­haft teures Hobby leisten, die ver­losten Super­stars, das geschlos­sene Liga­system mit der auf Spek­takel getrimmten Kurz­zeit­saison. Es fehlt an Ver­eins­tra­di­tion, die Qua­lität auf dem Rasen lässt zu wün­schen übrig, und über­haupt ist viel zu viel externes Geld im Geschäft.

Und doch bleiben unterm Strich eine Menge echter Gefühle übrig. Die Men­schen, die hier umge­rechnet 1,20 Euro für einen Tri­bü­nen­platz bezahlt haben, sind mit Lei­den­schaft bei der Sache. Das scheint sich auch Luis García zu denken, spa­ni­scher Stürmer in Diensten von Atlé­tico de Kolkata. Mit offenem Mund steht er vor der lär­menden Fan­kurve, die so bunt und glit­zernd wie eine geöff­nete Schatz­truhe aus­sieht. Es mag für ihn eine andere Stim­mung sein als an der alt­ehr­wür­digen Anfield Road in Liver­pool, aber offenbar erlebt auch in Indien so man­cher alte Hau­degen noch einen späten Gän­se­haut­mo­ment.

Trai­ning­sende in Goa. Bra­si­liens Legende Zico hat sich eine Kokos­nuss auf­ge­schlagen. Hinter dem Ozean geht langsam die Sonne unter. Wir sind nicht nach Indien gekommen, um ein schönes Leben zu haben“, sagt er lächelnd, doch seine Worte wollen nicht so recht ins ent­spannte Set­ting an der Kon­kan­küste passen. Noch mal: Wir sind gekommen, um hart zu arbeiten.“

Auch Zicos Ü40-Star Robert Pirès gelingt es nicht so recht, das Kli­schee vom gechillten Fei­er­abend­ki­cker abzu­schüt­teln. Ob er denn über­haupt noch fit genug sei für neunzig Minuten Profi-Fuß­ball, will eine indi­sche Jour­na­listin wissen. Natür­lich bin ich das“, ant­wortet Pirès selbst­be­wusst, aber er scheint sich dann fast ein wenig dar­über zu wun­dern, dass nie­mand seine Aus­sage anzwei­felt. Wie hatte es ein Anhänger des Mumbai City FC noch so schön auf den Punkt gebracht: Die alten Spieler sind okay, aber ein Cris­tiano Ronaldo wird wohl eher nicht nach Indien wech­seln.“ Zumin­dest nicht in den nächsten zehn Jahren.