Wollte Lucien Favre Mats Hummels eigentlich gar nicht verpflichten? War der Transfer ein Alleingang von Hans-Joachim Watzke? Angeblich gibt es beim BVB Zoff um den neuen, alten Abwehrchef. Sicher ist: Der Transfer sorgte schon im Sommer für mehr Fragen als Antworten.
Doch ist Mats Hummels das wirklich? Damit wären wir bei der ersten der vielen Fragen, die einen aufsehenerregenden Transfer umgeben, der bei näherer Betrachtung keineswegs so ruckelfrei ist, wie er auf den ersten Blick wirkt. Da wäre zum Beispiel der Aufschrei, der durch die Dortmunder Fanszene ging, als die ersten Gerüchte die Runde machten. Es war kein Schrei der Freude. So vehement lehnte ein nicht unbedeutender Teil des Anhangs den Spieler ab, dass viele neutrale Beobachter sich verwundert am Kopf kratzten. Diese Irritation war durchaus verständlich, denn außerhalb von Dortmund hatte man Hummels’ Transfer nach München im Jahr 2016 als eher geräuscharm wahrgenommen, jedenfalls verglichen mit dem Wechsel von Mario Götze.
In gewisser Weise saß der Stachel, den Hummels’ Abgang hinterließ, allerdings tiefer als bei Götze. Letzterer war als blutjunger Kerl dem Lockruf der Bayern erlegen (und erkannte das gerade als Fehler). Hummels hingegen war smart und reflektiert, wenn er auch zunehmend schnöselig wirkte. Er war Gesicht und Wortführer der verschworenen Gemeinschaft, die Jürgen Klopp irgendwie aus einer Gruppe von Berufsfußballern geformt hatte. Hummels’ Abschied war das endgültige Ende einer Ära und zerstörte so manche Illusion, die sich in den acht Jahren davor auf der Südtribüne breitgemacht hatte.
„Der Kapitän geht als Erster von Bord. Am besten sofort!“
So hielten (und halten) viele BVB-Fans Hummels ein Interview aus dem Juni 2013 vor, in dem er sich erstaunlich direkt und deutlich zu Götzes Abgang nach München geäußert hatte: „Ich glaube einfach, dass es sportlich wenig bis keine Gründe gibt oder gab, uns zu verlassen“, sagte Hummels damals und klang ebenso verletzt, wie die Fans es waren. „Mario hat sich mit vielen super verstanden. Deshalb hat es mich auch so geärgert, dass er der Meinung war, so früh weggehen zu müssen.“ Plötzlich schlug Hummels nun denselben Weg ein. Auf der Südtribüne nannten sie ihn fluchend einen Heuchler und Wendehals. Beim vorletzten Heimspiel der Saison 2015/16 zeigte die Ultra-Gruppe „The Unity“ das Banner: „Der Kapitän geht als Erster von Bord. Am besten sofort!“
Die Wogen haben sich seither nicht geglättet. Als Hummels’ Rückkehr in trockenen Tüchern war, veröffentlichte das einflussreiche Online-Fanzine „Schwatzgelb“ einen Kommentar, in dem es hieß: „Letzten Sommer noch gab es die Meldung, dass man künftig mehr Wert auf Charakter legen wolle. Nun, entweder handelte es sich dabei schlicht um eine Ente oder man hat dieses Vorhaben nun endgültig wieder in die Tonne gekloppt.“ Starker Tobak. Hummels wechselte ja nicht drei Wochen oder drei Monate nach dem berühmten Interview zu den Bayern, sondern volle drei Jahre später. Jahre, in denen sich in Dortmund viel verändert hatte, nicht nur auf der Trainerbank. Außerdem waren dieselben Dortmunder Anhänger, die sich im Juni entsetzt über die Pläne ihres Klubs zeigten, noch wenige Wochen zuvor voll des Lobes über die Transferpolitik des BVB. Vermutlich ohne groß darüber nachzudenken, wie sich Gladbacher Fans fühlen, wenn die schwarz-gelbe Borussia alle paar Jahre mit dem Scheckbuch wedelt und einen Marco Reus, Mahmoud Dahoud oder Thorgan Hazard vom Niederrhein in den Ruhrpott lockt.
Hummels – nicht refinanzierbar
Aber natürlich sind nicht alle Dortmunder Anhänger Hummels gegenüber so feindselig eingestellt. Viele sehen die Sache pragmatisch und halten es mit Watzke, der sagt: „Wir sind wegen unserer Defensive nicht Meister geworden. Dieses Problem haben wir gelöst.“ Allerdings muss sich erst noch zeigen, ob das zutrifft. Denn es lassen sich auch kritische Fragen zur Dortmunder Art der Problemlösung stellen, die nichts damit zu tun haben, ob man Mats Hummels nun mag oder nicht.
Da wäre zum Beispiel die nach dem Alter des Spielers und der im Vergleich dazu sehr hohen Transfersumme. Noch nie hat der BVB mehr Geld für einen Neuzugang in die Hand genommen – und im Gegensatz zu allen Investitionen der jüngeren Vergangenheit ist diese nicht refinanzierbar. Sogar Ralf Rangnick, dessen Arbeitgeber nicht für Sparsamkeit bekannt ist, zeigte sich Anfang Juli bei einer Veranstaltung in Leipzig verwundert über die früher so wirtschaftlich denkende Konkurrenz aus Westfalen. („Die Investition von rund 75 Millionen ist allein auf die nächsten drei Jahre ausgelegt“, sagte Rangnick und zählte dabei die maximale Ablöse von 38 Millionen Euro plus Gehalt zusammen. „So etwas würde es bei uns nicht geben.“)