Für unsere neue Ausgabe haben wir lokale Fußballreporter und ‑reporterinnen gebeten, uns von ihrer Liebe zu ihrem Beruf zu erzählen. Hier erinnert sich Heinz Fricke, langjähriger Sportchef beim Weser-Kurier, an einen wütenden Otto Rehhagel und Tennis-Matches mit Rudi Assauer.
An vielen traditionellen Fußballstandorten reagieren Verlagshäuser auf die Printkrise mit Einsparungen, zuletzt beim Weser-Kurier in Bremen. Zugleich kennen wir aber so viele Kollegen, die dem Job des Fußballreporters mit so unbändiger Leidenschaft nachgehen, dass wir der grassierenden Melancholie etwas entgegensetzen wollten. Also baten wir altgediente Reporter und Reporterinnen, von ihrem Traumjob zu erzählen. Die Ergebnisse lest ihr in 11FREUNDE #230. Ab Donnerstag am Kiosk und schon jetzt hier bei uns im Shop.
Ich hatte schon immer eine Sportmeise. Trotzdem fing ich bei der Zeitung zunächst als Feuilleton-Journalist an. Ich konnte nämlich auch ganz gut Klavier spielen. Durch einen Zufall ergab es sich aber, dass bei uns der Fußball besetzt werden musste. Ein Glücksfall! Denn so konnte ich alles vereinen: Die Begeisterung für den Sport, meine Neugier und meine Begabung, den Leuten etwas zu erzählen.
Besonders gerne habe ich Interviews gemacht. Rede und Gegenrede, das war immer mein liebstes Format. Der beste Gesprächspartner war Willi „Fischken“ Multhaup, der Trainer von Werders erster Meistermannschaft. Von ihm habe ich unglaublich viel über Fußball gelernt. Er hatte die Angewohnheit, die Journalisten in einer Kneipe zu versammeln, ihnen Bier auszugeben und stundenlang mit ihnen zu schnacken.
Auch Fritz Langner war ein guter Typ. Der wohnte praktisch im Weserstadion. Abends nach dem Training lud er uns noch in sein Zimmerchen ein und zeigte uns, wie man den Ball auf dem Knie tanzen lässt. Es waren goldene Zeiten. Wir konnten im Grunde machen, was wir wollten.
„Rehhagel war am schlimmsten“
Nur mit Otto Rehhagel war es schwierig. Wir konnten uns überhaupt nicht leiden. Als es unter ihm um Werder schlecht stand, war ich Gast in einer Fernsehrunde. Dort sagte ich, ich könnte mir nicht vorstellen, dass die Mannschaft gegen den Trainer revoltiert, weil sie intellektuell gar nicht in der Lage wäre, diesen starken Mann in Bedrängnis zu bringen. Das brachte mir großen Ärger ein. Vor allem vom Vorstand, aber Rehhagel war am schlimmsten. Er attackierte mich: Ich hätte seine Mannschaft als „zu doof“ und als „Befehlsempfänger“ hingestellt. Ich sollte mich dann bei der Mannschaft entschuldigen. Da sagte ich: Nur, wenn Rehhagel nicht dabei ist, den habe ich schließlich gar nicht beleidigt!
Rune Bratseth, der damalige Kapitän, beorderte mich dann in die Kabine. Ich unterhielt mich dort eigentlich seht nett mit den Spielern. Bis auf einmal die Tür aufging und Otto hereinkam. Er schrie wie ein abgestochenes Schwein: „Unerhört!“ Ungefähr fünf Minuten lang brüllten wir uns gegenseitig an. Denn auch ich schmierte ihm aufs Butterbrot, was er sich gegenüber Kollegen geleistet hatte. Er hat so einige Journalisten in die Verzweiflung getrieben, einige sind unter ihm regelrecht zusammengebrochen.
„Rudi Assauer war einer der anständigsten und fairsten Menschen, die ich je kennengelernt habe“
Doch ich wurde für mein Durchhaltevermögen auch belohnt: Ich durfte lange in der Bremer Alt-Herren-Mannschaft spielen, mit Leuten wie Horst-Dieter Höttges, Pico Schütz und Rudi Assauer. Assauer! Der hat mich überhaupt erst in diesen Kreis hineingeholt. Er war ein großes Vorbild für mich, von ihm habe ich im Umgang mit Leuten und in Sachen Lässigkeit viel gelernt. Er war einer der anständigsten und fairsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Er hat nie schlecht über Leute geredet, wenn es nicht angebracht war. Er war immer korrekt, auch im Umgang mit Journalisten. Wenn er einem vertraute, konnte man mit ihm Pferde stehlen. Ihm habe ich sogar Tennisspielen beigebracht, denn darin war ich besser als er.
Fan von Werder Bremen war ich während meiner beruflichen Laufbahn allerdings nie. Ich habe den Verein verlieren sehen, ich habe ihn siegen sehen. Absteigen und wieder aufsteigen. Aber ich habe stets die Distanz gewahrt. Ich habe mich immer als Partner verstanden, nicht als Fan. Zu meinem Abschied habe ich allerdings von Werder eine Dauerkarte auf Lebenszeit erhalten. Die nutze ich häufig. Seitdem ich kein Journalist mehr bin, kann ich sagen: Ich bin Fan geworden. In der vergangenen Saison habe ich so richtig mitgelitten.
Im ersten Jahr meines Ruhestandes bin ich aus alter Gewohnheit noch zu den Pressekonferenzen gegangen. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass ich dort nicht mehr hingehöre. Das wurde dann immer weniger. Jetzt bin ich nur noch Fan. Nur den Kaffee und Kuchen im Presseraum, den gönne ich mir noch.