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Manni Bocken­feld, bei­nahe wären die Flut­licht­masten im Bremer Weser­sta­dion den Umbau­plänen zum Opfer gefallen. Wie viel Euro­pa­pokal-Tra­di­tion hätte der SVW damit ein­ge­büßt?

Die Tra­di­tion beruht ja in erster Linie auf dem Verein. Aber natür­lich spielt und spielte das Weser­sta­dion im Euro­pa­pokal immer eine beson­dere Rolle. Die soge­nannte Werder-Stim­mung“ kommt immer nur bei diesen Flut­licht­spielen auf. Aber nichts­des­to­trotz hätten sie in Zukunft ja auch nicht im Dun­keln gespielt.

In Ihrem ersten Bremer Jahr spielten Sie inter­na­tional im Euro­pa­pokal der Lan­des­meister. Wie hat Otto Reh­hagel Sie auf solche Par­tien vor­be­reitet?

Euro­pa­pokal war zu meiner Zeit immer der Mitt­woch­abend. Die eigent­liche Vor­be­rei­tungs­phase begann prak­tisch nach dem letzten Bun­des­li­ga­spiel. Wir haben uns dann meist am Mon­tag­morgen im Park­hotel getroffen und eine Video­ana­lyse von den letzten Spielen des jewei­ligen Geg­ners gemacht.

Haben sich die Reh­ha­gel­schen Aus­füh­rungen von denen gegen Bayer Uer­dingen und FC Hom­burg, gegen die es in der Bun­des­liga ging, unter­schieden?

Die Spiel­vor­be­rei­tung war mit Aus­nahme der Video­ana­lyse prak­tisch gleich. Man hat sich damals, und ich hoffe es ist heute auch noch so, immer nur mit dem nächsten Gegner beschäf­tigt.

Und wie intensiv?

Man wusste, wann sich der Gegner die Zähne putzt und wann er sein Bier­chen trinkt. Das ist heute natür­lich noch extremer als damals. Der Euro­pa­pokal ist etwas Beson­deres. Die Vor­be­rei­tungs­phase auf die Par­tien lief aber grund­sätz­lich gleich akri­bisch ab. Moti­vieren musste uns der Otto gar nicht mehr – wer sich für ein Euro­pa­po­kal­spiel moti­vieren muss, der hat den Beruf ver­fehlt!

Gegen den SSC Neapel ging es auch gegen Diego Mara­dona in seinen mut­maß­lich besten Jahren. Gab es schlaf­lose Nächte vor dem Auf­ein­an­der­treffen?

(ener­gisch) Nein!

Hat Otto Reh­hagel gegen so einen her­aus­ra­genden Könner beson­dere Maß­nahmen ergriffen?

Auf solche indi­vi­du­ellen Stärken musste man selbst­ver­ständ­lich reagieren. Wir haben quasi alle gegen ihn gespielt – wo er gerade rum­ge­laufen ist. Spieler dieser Extra­klasse lassen sich nie­mals von einem ein­zelnen Spieler aus­schalten. Von daher war so etwas immer eine Gemein­schafts­auf­gabe.

Standen Sie Mara­dona ehr­fürchtig oder rou­ti­niert gegen­über?

Rou­tine war es mit Sicher­heit nicht. Aber als die Partie lief, war er wie jeder andere Spieler auch. Man wollte den Zwei­kampf immer gewinnen – ob der Gegen­über Mara­dona oder Fritz­chen Müller hieß.

Wem wurden Spieler wie Mara­dona anver­traut?

Mara­dona hat gegen Mirko Votava gespielt. In Bar­ce­lona hatte es Hristo Stoichkov mit Uli Borowka zu tun. Solche Spieler sind aber so stark, dass man auch als Mann­schaft stark sein muss.

Die große Stärke des SV Werder.

Richtig. In diesen Situa­tionen muss der eine dem anderen helfen. Und das hat uns damals, heute ist es ja zum Teil auch noch so, immer aus­ge­zeichnet, dass die Mann­schaft für­ein­ander da ist. Wir sind damals nicht Meister geworden weil wir die besten Ein­zel­spieler hatten, son­dern weil wir die beste Mann­schaft hatten.

Gegen Flo­renz war nach zwei Unent­schieden im Halb­fi­nale Schluss. Zwei Jahre später ging es mit dem DFB-Pokal­sieg im Rücken in das nächste euro­päi­sche Aben­teuer, an dessen Ende der Titel des Euro­pa­po­kals stand. Haben Sie im Sommer schon heim­lich solche Wün­sche gehegt?

Die Qua­li­fi­ka­tion für den Wett­be­werb war erstmal wichtig und die Bestä­ti­gung der gelun­genen Vor­saison. Was dann ein Jahr später daraus geworden ist, das konnte nie­mand vor­aus­ahnen.

Sie waren durch nichts auf­zu­halten.

Genau. Im Vier­tel­fi­nale gegen Gala­ta­saray ging es auf irre­gu­lärem Schnee­matsch zur Sache. In der letzten Minute kul­lerte der Ball in Rich­tung Tor und blieb prak­tisch in einer Pfütze wenige Zen­ti­meter vor der Tor­linie liegen. Bei nor­malen Platz­ver­hält­nissen wäre der Ball rein­ge­gangen und wir aus­ge­schieden. Olli Reck hat sich aber auf den Ball geschmissen und wir waren in der nächsten Runde.

War Istanbul ein soge­nannter Schlüs­sel­mo­ment?

Richtig. Das war schon in der Kabine nach dem Spiel spürbar. Da war der Wille, über den FC Brügge jetzt auch ins End­spiel zu kommen, wahn­sinnig stark. Das hat uns auch als Mann­schaft weiter zusam­men­ge­schweißt.

Gegen Brügge haben Sie schließ­lich das ent­schei­dende Tor geschossen. Wann waren Sie sich der his­to­ri­schen Trag­weite dieses Tref­fers bewusst?

Die große Bedeu­tung ist mir erst Tage später bewusst geworden. Ohne den Treffer wären wir wahr­schein­lich in die Ver­län­ge­rung gegangen und da hätte alles pas­sieren können. Die ganze Euro­pa­pokal-Saison – von den ersten Tref­fern durch Marinus Bester und Stefan Kohn bis hin zu dem 2:0 von Wynton Rufer gegen Monaco – war his­to­risch.

Im Finale trafen Klaus Allofs und Wynton Rufer kurz vor und unmit­telbar nach der Pause. Wann war Ihnen bewusst: Der Pott gehört uns?

Erst direkt nach dem Abpfiff. Bis dahin waren wir so kon­zen­triert. Und dann dachte ich, jawohl Manni, jetzt haben wir es geschafft. Da ist natür­lich eine rie­sige Last von meinen Schul­tern gefallen.

Wie haben Sie die letzten Minuten bis zum Abpfiff erlebt?

Wir haben alle zehn Sekunden auf die Uhr geguckt. Draußen stand ein tan­zender Reh­hagel, der auf seinem kleinen Finger dem Schiri den Abpfiff vorweg nehmen wollte. Eigent­lich war zu diesem Zeit­punkt ein 2:0 ein beru­hi­gender Vor­sprung. Aber in der Schluss­phase haben wir nur noch den Pfiff her­bei­ge­sehnt.

Wie haben Sie anschlie­ßend den Tri­umph gefeiert?

(lacht) Der Alkohol ist reich­lich geflossen. Mein Zim­mer­nachbar Klaus Allofs und ich haben uns dann aber früh zurück­ge­zogen und haben auf unserem Balkon in aller Ruhe eine Zigarre geraucht. Da ist uns beiden zum erst richtig bewusst geworden, was wir eigent­lich erreicht haben. Wir haben geglaubt: Das muss ein Traum sein. Das ist einer dieser Augen­blicke, den ich nie ver­gessen werde.


*Chris­toph Zimmer ist Chef­stra­tege beim tak­tisch klugen Kreis­klassen-Fan­zine HILDE“.

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