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Nach fast sieben Stunden außer­or­dent­li­cher Mit­glie­der­ver­samm­lung ging es im City Cube nahe des Funk­turms ans Auf­räumen. Auf und hinter der Bühne, an den Ver­pfle­gungs­ständen. Einige Mit­glieder waren noch da. Sie wollten Sel­fies mit dem neuen Prä­si­denten von Hertha BSC machen – und bekamen sie.

Für einen kurzen Plausch war Kay Bern­stein ebenso zu haben. Danach ver­ab­schie­dete er sich am Sonn­tag­abend von allen Anwe­senden mit einem HaHoHe“ und half dabei, ein Lap­top­kabel aus der Steck­dose zu ziehen.

Ein Prä­si­dent für die Basis

So blieb am Ende eines denk­wür­digen Tages, der für den Verein revo­lu­tio­näre Züge hatte, fol­gendes Bild: Der Prä­si­dent ist für die Basis da, der Prä­si­dent packt an. Das Prä­si­dium muss nah­barer werden. Lasst uns auf die Leute zugehen und mit ihnen reden, darauf wird es ankommen“, hatte Bern­stein vorher gesagt und füllte seine Worte gleich mit Leben.

Sehr viel war in letzter Zeit bei Hertha von einem Neu­an­fang die Rede. Nun ist er da, und hätte krasser kaum aus­fallen können. Die Mit­glieder hatten die Wahl zwi­schen Frank Steffel, dem Wunsch­kan­di­daten meh­rerer Per­sonen in wich­tigen Funk­tionen des Ver­eins, und eben Bern­stein. Der 41-Jäh­rige geht seit 1994 zu Hertha. Damals lag die Zuschau­er­zahl in der Zweiten Liga mit­unter kaum höher als die Teil­neh­mer­zahl bei der Mit­glie­der­ver­samm­lung am Sonntag (gut 3000).

Allein kann ich es nicht schaffen“

Kay Bernstein

Bern­stein hat von Steh­platz Fan­block über Vor­sänger in der dor­tigen ersten Reihe wäh­rend seiner Ultra-Zeit bis zur Vip-Loge Heim­spiele aus ziem­lich jedem Winkel des Olym­pia­sta­dions gesehen. Auf die Frage, was dafür aus­schlag­ge­bend war, am Ende fast 400 Stimmen mehr als Steffel bekommen zu haben, ant­wor­tete Bern­stein: Her­thaner zu sein“. Das stehe ganz oben. Erst dann ist man Fan, Kutte, Ultra oder Haupt­tri­bü­nen­sitzer.“ Her­thaner sein, auf Bern­stein trifft das mit Sicher­heit ohne Abstriche zu.

Aus der Kurve auf den Prä­si­den­ten­posten in der Bun­des­liga, fuß­ball­ro­man­ti­scher wird es wohl nicht mehr. Nähe zur Basis und seine authen­ti­sche Art haben Bern­stein den Sieg bei der Wahl gebracht. Um Hertha in erfolg­rei­chere Zeiten zu führen, braucht es mehr, das weiß Bern­stein. Allein kann ich es nicht schaffen“, betont er und sagte mehr­mals, er wolle auch jene mit­nehmen, die ihn nicht gewählt haben und deren Sorgen und Ängste und Wün­sche ernst nehmen.

Etwa 1300 Mit­glieder hatten sich gegen Bern­stein ent­schieden und auch unter den vielen, die nicht anwe­send waren, dürfte es zum Teil Vor­be­halte gegen den Prä­si­denten geben, der mehr als 15 Jahre nach dem Rückzug aus der Ultra­szene von nicht wenigen noch mit dieser asso­zi­iert wird. Viele kri­ti­sche Fragen bekam er am Sonntag nicht gestellt. Eine lau­tete, wie er zur – in den Sta­dien ver­bo­tenen – Pyro­technik stehe. Wir brau­chen nicht mehr die Debatte, ob Pyro­technik im Sta­dion ist, son­dern wie wir ver­ant­wort­lich damit umgehen, dass es keine Ver­letzten gibt“, sagte Bern­stein, der auf der für die Kan­di­datur ent­wor­fenen Web­seite die vor vielen Jahren gegen ihn ver­hängten Sta­di­on­ver­bote offen the­ma­ti­sierte.

Alle Fans von sich zu über­zeugen, ist nur ein Punkt auf der langen Liste, die der Inhaber einer Kom­mu­ni­ka­ti­ons­agentur abzu­ar­beiten hat. Reden, mit­nehmen, einen, das gilt für das Prä­si­dium eben­falls. Die Haupt­auf­gabe wird sein, aus dem Prä­si­dium einen ein­ge­schwo­renen Haufen zu machen.“ Klein ist die Auf­gabe auch hier nicht. Zwar dürfte Bern­stein für viele Ideen eine Mehr­heit haben, doch er wird dort unter anderem auch mit Peer Mock-Stümer und Ingmar Pering zusam­men­ar­beiten, die – wie der Auf­sichts­rats­vor­sit­zende Klaus Brüg­ge­mann – auf Stef­fels Seite standen.

Bern­stein denkt prag­ma­tisch

Mit Sport­ge­schäfts­führer Fredi Bobic muss Bern­stein eine gute Zusam­men­ar­beit hin­kriegen und nicht zuletzt mit Lars Wind­horst, der seit 2019 ins­ge­samt 374 Mil­lionen Euro in den Verein inves­tiert hat. Wind­horst hatte durch fort­wäh­rende Kritik in der End­phase der abge­lau­fenen Saison die Lage bei Hertha noch einmal schwie­riger gemacht. Bern­steins Vor­gänger Werner Gegen­bauer hatte nach seinem Rück­tritt Ende Mai Wind­horst in einem Tages­spiegel-Inter­view vor­ge­worfen, er habe mitten im Abstiegs­kampf den Verein ange­zündet“.

Bern­stein denkt prag­ma­tisch: Die Rea­lität sagt: Herr Wind­horst ist da, er hat die Anteile. Wir werden ver­su­chen, ihn best­mög­lich ein­zu­binden und mit ihm unsere Ziele zu errei­chen.“ Auch dafür sei eine deut­lich bes­sere Kom­mu­ni­ka­tion nötig“.

Wind­horst zeigt sich gesprächs­be­reit

Der neue Vize­prä­si­dent Fabian Dre­scher, der seine Kan­di­datur an Bern­steins Wahl zum Prä­si­denten geknüpft hatte, sprach sich für ruhi­gere Töne“ im Ver­hältnis zu Wind­horst aus. Der wie­derum hat im Kicker“ bereits ver­lauten lassen, er gehe offen und ohne Vor­be­halte in die Gespräche.

Wie ernst dem Her­thaner Bern­stein die Auf­gabe Hertha-Prä­si­dent ist, belegt unter anderem die Tat­sache, dass er sich in seiner Firma aus dem ope­ra­tiven Geschäft zurück­zieht. Seine Frau wird Geschäfts­füh­rerin, bei Bedarf soll neues Per­sonal ein­ge­stellt werden. Bern­stein ver­si­chert: Das ist so gebaut, dass es volle Kon­zen­tra­tion auf Hertha BSC gibt.“

Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Koope­ra­tion mit dem Tages­spiegel. 

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