Würzburg, Maria Enzersdorf, Übersee: Felix Magath leitet seit Januar eine globale Fußballunternehmung, die verdächtig an das Klubkartell von Red Bull erinnert.
Es ist ein außergewöhnlich milder Winter vor den Toren Wiens. Doch beim österreichischen Erstligisten FC Admira aus Maria Enzersdorf im Bezirk Mödling ist das Klima spürbar rauer geworden, seit Felix Magath (66) das Kommando übernommen hat. Wobei: „Ich bin nicht der Admira direkt zuzuordnen“, betonte Magath bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in einem Wiener Grandhotel. „Aber ich stehe natürlich zur Verfügung mit meinen ganzen Kontakten, mit meiner ganzen Erfahrung. Ich möchte mich hier mit einbringen.“
Was in Deutschland medial ein wenig untergegangen ist: Magath ist seit dem 20. Januar Chef von „Flyeralarm Global Soccer“, einer Initiative, die sämtliche Fußball-Aktivitäten der gleichnamigen Online-Druckerei bündeln und erfolgreich machen soll. „Global Soccer“ klingt natürlich überzogen, aber nur ein bisschen, denn mit einer 49-prozentigen Teilhaberschaft am Drittligisten Würzburger Kickers und dem offiziellen Namenssponsoring bei der österreichischen Admira (die offiziell „FC Flyeralarm Admira“ heißt) ist das fränkische Unternehmen schon jetzt international am Ball. Mindestens ein weiterer Soccer-Standort, vermutlich in Übersee, soll demnächst folgen.
Und Magath? Packt überall mit an. Magath plant, Magath baut auf, Magath baut um. In wenigen Jahren, so das ehrgeizige Vorhaben, will er mit Würzburg in der Bundesliga aufschlagen. Das passende Konzept dazu nennt sich „Z25“ und steht für: Ziele 2025. Bei alldem soll die österreichische Admira den Franken als „Farmteam“ zuarbeiten. Oder, in Magaths Worten: „Wir wären ja schlecht beraten, wenn wir Dinge ausschließen, die Synergien bringen für beide Vereine. Natürlich kann es sein, dass mal ein Spieler von einem Klub zum anderen wechselt, um sich weiter zu entwickeln.“
Das Konzept klingt nicht so ganz neu und ist in seinen Grundzügen natürlich abgeguckt – von Red Bull mit seinem konzerneigenen Klubkartell. Nur, dass der notorische Innovations-Skeptiker Magath (anders als sein Pendant Ralf Rangnick bei RB) mitunter lieber auf Althergebrachtes setzt als auf akademisches Allerlei. So streuten die Verantwortlichen bei der Admira, dass künftig wieder zweimal täglich trainiert werde, getreu dem Magathschen Motto „viel hilft viel“. Und damit auch sonst alles in seinem Sinne läuft, installierte „Quälix“ nun einen alten Weggefährten als Admira-Cheftrainer.
Am Dienstag also grüßte Zvonimir Soldo in die Runde. Der 52-Jährige, der einst unter Magath beim VfB Stuttgart spielte und 2017 als dessen Assistenz-Coach beim chinesischen Provinzklub Shangdong Luneng fungierte, soll den Tabellenvorletzten der österreichischen Liga vor dem drohenden Abstieg bewahren. „Sie müssen nicht für mich oder gegen mich spielen“, appellierte Soldo an die Spieler, „sie spielen für den Verein.“ Denn als Zweitligist wäre die Admira – eine traditionelle Talentschmiede, die u.a. Harald Cerny und Marcel Sabitzer hervorbrachte – auf Dauer ziemlich wertlos für das globale Konzept des Namenssponsors.
„Mit Zvonimir haben wir einen absoluten Fachmann von internationalem Format verpflichten können“, jubelte Admira-Manager Amir Shapourzadeh über den Soldo-Coup. „Wir haben mit ihm unsere absolute Wunschlösung gewonnen.“ Dass der neue Übungsleiter zuletzt zehn Jahre lang keinen Cheftrainerposten mehr innehatte, ließ Shapourzadeh geflissentlich beiseite. Soldo, eisgraues Haar, freundlicher Blick, fester Händedruck, sieht sich auch bei der Admira vorrangig als Magaths Untergebener, wie der Kroate bei seiner Präsentation durchblicken ließ: „Wir tauschen uns aus und werden das auch weiter so tun. Damit habe ich keine Probleme. Ich habe einen Riesenrespekt vor ihm.“
Respekt vor Magath haben eigentlich alle unter dem neuen, gemeinsamen Dach von „Flyeralarm Global Soccer“. Am Drittliga-Standort Würzburg erklärte Magath kürzlich gegenüber der „Main-Post“: „Wir müssen aus dieser Liga raus!“ Eine klare Ansage, auch in Richtung des Kickers-Trainers Michael Schiele (41, Vertrag bis Saisonende), dessen Team zurzeit auf Rang acht liegt – fünf Punkte hinter dem Relegationsplatz (und acht vor der Abstiegszone). Deshalb bietet Magath („Ich habe immer den Menschen in den Vordergrund gestellt.“) auch in Franken seinen guten Rat an, wobei er stets betont: „Es ist jedem selbst überlassen, was er von mir annimmt oder mitnimmt.“
Und so mischt Magath munter mit. In Würzburg, im österreichischen Maria Enzersdorf und mit dem Finger auf dem Globus – auf der Suche nach einer passenden Dependance in Übersee. Vielleicht in Afrika. Vielleicht in Brasilien. Vielleicht in Asien. Oder Uruguay? Man weiß es (wohl) noch nicht. Überhaupt wirken die Pläne des globalen Fußballunternehmens noch etwas schwammig – doch zumindest hat man jetzt Magath an Bord: „Ich war immer ein Freund davon, etwas zu entwickeln, das kann und werde ich hier tun“, erklärte der Schachfreund, der auf Schalke einst 32 neue Spieler kaufte – in nicht einmal zwei vollen Spielzeiten.
Schon die Anbahnung der Zusammenarbeit zwischen Magath und Flyeralarm verlief, nun ja, etwas weniger strategisch als in der Labor-artigen Welt von Red Bull: Magath liebt „Schafkopf“, das typisch-bayerische Kartenspiel, und einer seiner liebsten Spielpartner ist sein früherer Co-Trainer Bernd Hollerbach, ein gebürtiger Würzburger, der von 2014 bis 2017 Chefcoach der ortsansässigen Kickers war. Eines Tages lief Magath in Würzburg auch einem gewissen Thorsten Fischer über den Weg. Der ortsansässige Unternehmer und Selfmade-Millionär mischte mit seiner Online-Druckerei in den letzten zehn Jahren die Papierdrucker-Branche auf und will jetzt die Fußballszene umkrempeln. Mit Vehemenz. Mit Geld. Und nun auch mit Magath.
„Ich persönlich sehe dies als mein letztes Projekt im Fußball“, so der dreimalige Meistertrainer (2005 und 2006 mit dem FC Bayern, 2009 mit dem VfL Wolfsburg). Was klingt wie die Vorwegnahme eines Abschieds, ist wohl eher die Ankündigung eines globalen Aufbruchs. In Würzburg, in Maria Enzersdorf und sonst wo auf dieser Weltkugel. Man darf gespannt sein, wo die Reise des Felix Magath noch hinführt.