Real und Atletico Madrid sind die besten Vereine Europas. Ihre Tribünen gelten allerdings als Sammelbecken für rechtsextreme Ultras.
Francisco José trieb auf dem Wasser des Manzanares und kämpfte um sein Leben. Er schrie um Hilfe, röchelte, strampelte, aber die Leute hatten anderes zu tun. Am Flussufer tobte eine Straßenschlacht zwischen Deportivo La Corunas antifaschistischer Fangruppe „Riazor Blues“ und den rechtsextremen Hooligans der Atletico-Madrid-Ultras „Frente“.
Nach einer halben Stunde fischten Rettungskräfte den 43-jährigen Francisco José, den sie alle nur Jimmy nannten, aus dem Wasser. Aber sie kamen zu spät. Es war der 30. November 2014. Der Tag, so berichtete die spanische Presse später, an dem Neonazis einen Antifaschisten brutal zusammengeschlagen und in den Manzanares geworfen hatten. Der Tag, an dem Jimmy starb. Er erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Hakenkreuzflaggen und Hitler-Transparente
Wenn man sich auf eine Reise durch den spanischen Fußball begibt, kann man wunderschöne Streifzüge ins Herzen der Fankultur unternehmen, vorbei an imposanten Choreographien und bombastischen Pyroshows, an bebenden Stadien, die getüncht sind in Farben voller Hoffnung, Pathos und großen Erzählungen.
Aber man landet unweigerlich auch in den dunkelsten Ecken und stößt immer wieder auf Horrorgeschichten wie der von Jimmy. Sie handeln von Mord und Totschlag. Von Hakenkreuzflaggen und Hitler-Transparenten. Von Verbandsfunktionären, die selbst knietief im rechtsextremen Sumpf stecken. Oder von Vereinsbossen, die erklären, dass alles gar nicht so schlimm sei.
Das Erstaunliche ist: Oft beginnen diese Geschichten bei Atletico Madrid und enden beim großen Rivalen Real. Denn so sehr sich die Fanszenen auch hassen, so ähnlich sind sich einige Gruppen. In ihrer Weltanschauung zum Beispiel.
Erst am vergangenen Wochenende versammelten sich in Madrid rund 1000 Personen aus ultrarechten Kreisen zu einer Demonstration. Darunter auch Mitglieder von „Frente Atletico“ und dem Real-Pendant „Ultras Sur“. Im Umfeld dieser Gruppen besetzen Rechtsextreme in der Stadt seit einiger Zeit ein Haus, das sie „Hogar Social Madrid“ nennen und das als eine Art national befreite Zone gilt. Hier gibt es zwar Essen für Bedürftige, allerdings muss man seinen spanischen Pass an der Ausgabe vorzeigen.
„Weg von den rechten Idioten“
Bei der Demonstration sahen sich die Rechten etwa 2000 Gegendemonstranten gegenüber. Einer von ihnen war der 27-jährige Jaime, Politikwissenschaftler und linker Aktivist aus Madrid. Früher war er viele Jahre Anhänger von Real, heute unterstützt er den Zweitligisten Rayo Vallecano, einen Stadtteilklub mit alternativem und antifaschistischem Klientel.
„Real wurde mir irgendwann zu bombastisch, diese ganzen Superstars, dieses viele Geld – und dann auch das Problem mit den Fans“, sagt er. „Ich musste da weg. Weg von den rechten Idioten, weg von den ›Ultras Sur‹.“
In den vergangenen Jahren sind die Ultras bei Real tatsächlich häufig durch einen krassen Rechtsdrall aufgefallen. Am 20. April 2011 etwa hing beim Pokalfinale zwischen Real und Barcelona ein Transparent mit der Aufschrift „Happy Birthday 18“ am Block der „Ultras Sur“. Die Zahl „18“ steht in Neonazi-Kreisen als Code für die Initialen von Adolf Hitler, an dessen Geburtstag die Partie stattfand.
Am 6. April 2013, Real Madrid traf damals auf Levante UD, klebte vor dem Bernabeu ein Banner mit den Konterfeis von Adolf Hitler und Jose Mourinho – samt der Aufschrift „Heil Mou!“ und einem selbst gemalten Wappen von Real Madrid. Wenige Monate später entrollten Anhänger der „UItras Sur“ beim Derby gegen Atletico eine Hakenkreuzflagge. Vier von ihnen mussten dafür eine Geldstrafe von 3000 Euro zahlen und wurden sechs Monate gesperrt. Was Teile der Gruppe nicht davon abhielt, 2014 vor dem Champions-League-Finale in Lissabon erneut mit einer Hakenkreuzflagge zum Stadion zu spazieren.