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Seite 2: „Nazis rekrutieren im Hooliganmilieu“

Wie eng ist die Ver­bin­dung zwi­schen Hoo­li­gans und Rockern?
Im Jahr 1999 gingen die Ghost­rider aus dem Pott in die Ban­didos“ über und grün­deten somit deren erstes Chapter in Deutsch­land. So ent­stand der hie­sige und seither in Wel­len­be­we­gungen andau­ernde Rocker­krieg mit den Hells Angels“, teil­weise auch mit dem Gre­mium MC. Genau in jener Phase also, in der der Hoo­li­ga­nismus in einer Krise steckte. Alle Rocker­gruppen waren darauf ange­wiesen, neue Leute zu rekru­tieren und lockerten dafür die Auf­nah­me­kri­te­rien. Viele ihrer neuen Mit­glieder stammten aus der Hool­szene. Bis heute rekru­tieren Rocker junge Hoo­li­gans und bieten ihnen eine Zukunft, in der sie ihre Gewalt mit Geschäften ver­binden können. Bei­spiele dafür gibt es viele: In Berlin, Leipzig, Kai­sers­lau­tern, Nürn­berg und auch in Gel­sen­kir­chen. Klar ist bei alledem: Nazis und Rocker ver­su­chen, an die harten Jungs im Hoo­li­gan­mi­lieu her­an­zu­kommen. Das mündet nicht selten in grö­ßeren per­so­nellen Über­schnei­dungen.

Sie spra­chen dabei die Kampf­sport­events als Schar­nier­stelle an. Wie sind die Ver­an­stalter auf­ge­stellt und wie läuft die Ver­mi­schung der Szenen kon­kret ab?
Es gibt eine unüber­sicht­liche Land­schaft an Ver­an­stal­tern, sie reicht vom Pop­kul­tur­be­trieb bis hin zu rechten Hoo­li­gans. Dazu würde ich die Impe­rium Fighting Cham­pi­on­ship“ in Leipzig zählen. Der Orga­ni­sator sagt zwar, dass er seit Jahren kein Nazi mehr sei. Doch seine Netz­werke funk­tio­nieren: Bei den Events stehen rechte Hoo­li­gans im Ring und Neo­nazis sowie Rocker sitzen im Publikum. Ein anderes Bei­spiel ist das rechts­extreme Event Kampf der Nibe­lungen“, wel­ches seit fünf Jahren an geheimen Orten in NRW und Hessen aus­ge­tragen wird. Zen­tral dafür ist der rus­si­sche Neo­nazi und Mos­kauer Hoo­ligan Denis Nikitin, der mit seinem Label White Rex“ als Sponsor auf­tritt und gut nach Köln ver­netzt ist. Derlei Kampf­sport­events sind somit ein Kon­takthof.

Wie deut­lich treten diese Ver­flech­tungen in bestimmten Fan­szenen zu Tage?
In Frank­furt trai­niert die Hoo­li­g­angruppe Bri­gade Nassau“ Mixed Mar­tial Arts in einem bekannten Gym. In dieser Gruppe tum­meln sich stramm rechte Kader, MMA-Profis und Rocker. Einer der frü­heren Orga­ni­sa­toren ihrer Acker­mat­ches“, also der Schlä­ge­reien an abge­spro­chenen Orten, besuchte in diesem Sommer das Neo­nazi-Fes­tival in Themar mit 5.000 Besu­chern. Gleich­zeitig besteht eine starke Ver­bin­dung zu den Hells Angels“. Der Frank­furter Rapper Twin bei­spiels­weise macht in der Öffent­lich­keit keinen Hehl daraus, sowohl bei den Hoo­li­gans als auch bei den Rockern mit­zu­mi­schen.

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Sie haben nun einen Standort aus dem Westen genannt. Die geläu­fige These lautet, dass vor allem Ver­eine im Osten Pro­bleme mit Nazis oder Hoo­li­gans beim Fuß­ball haben. Was halten Sie davon?
Das ist kein ost­deut­sches Phä­nomen, wohl aber gab es dort eine viel kom­pri­mier­tere und rasan­tere Ent­wick­lung. Bis zur Wende gab es im Osten in diesem Sinne keine klas­si­sche, orga­ni­sierte Hoo­li­gan­szene – außer beim BFC Dynamo. Als in den Neun­zi­gern im Osten die orga­ni­sierte Hool­szene ent­stand, ent­wi­ckelte sie sich im Westen bereits langsam zurück. Einige Ultra­gruppen im Osten waren somit in ihrer Grün­dungs­zeit zur Jahr­tau­send­wende von Beginn an zum Teil sehr eng ver­zahnt mit den Hoo­li­gans. Viele Ultra­gruppen grün­deten schnell eine Schlä­ger­frak­tion. Aller­dings bestehen heute an fast allen Stand­orten in Deutsch­land Über­schnei­dungen zwi­schen Hools und Rechts­extremen. Ob dieses rechte Poten­zial“ durch­bricht und Macht ent­faltet, hängt wie­derum von anderen Fak­toren ab.

Und zwar?
Zum einen: Wie viel Raum gibt ein Verein oder auch die Fan­szene Rechts­extremen? Jene Klubs mit kon­se­quenter Prä­ven­ti­ons­ar­beit und zivil­cou­ra­gierter Szene haben lang­fristig gerin­gere Pro­bleme in dem Bereich – und auch an fast all den genannten Orten gibt es Gruppen, die sich gegen Ras­sismus enga­gieren, damit rechte Hools nicht mäch­tiger werden. Zum anderen brau­chen rechts­extreme Strö­mungen Schlüs­sel­fi­guren, die cha­ris­ma­tisch auf­treten und Orga­ni­sa­ti­ons­ta­lent besitzen. Sie ver­an­stalten Events wie Kon­zerte und Kämpfe, haben Stall­ge­ruch in der Szene und wissen Men­schen zu begeis­tern. Also in etwa die Ver­bin­dungs­leute zwi­schen rechter Szene und Fan­block. Rechtes Poten­zial ist auch an Stand­orten vor­handen, die wir bisher nicht genannt haben. Aller­dings fehlt es da glück­li­cher­weise“ an aner­kannten Köpfen.