Beim WM-Qualifikationsspiel gegen Tschechien gibt es Nazi-Gesänge und „Scheiß-DFB“-Rufe. Während die Führung der Nationalelf die Szenen nicht überbewerten will, distanzieren sich die Spieler deutlich.
Joachim Löw sah sich nach dem 2:1‑Sieg seiner Mannschaft gegen Tschechien zu detaillierter Kritik genötigt. Der Bundestrainer bemängelte, dass seine Spieler zu selten den Weg in die Tiefe gesucht hatten. „Eigentlich sind wir zu viel entgegen gekommen“, sagte er. Insofern müsste ihm die letzte Aktion seines Teams eigentlich gefallen haben, aber davon hatte er nach eigener Auskunft nichts mitbekommen.
Direkt nach dem Schlusspfiff suchten die Nationalspieler den Weg in die Tiefe, ins Untergeschoss des Stadions. Die Fans in der nordöstlichen Ecke der Eden Arena warteten vergebens auf das Entgegenkommen ihrer Mannschaft – und beantworteten das grußlose Verschwinden mit wütenden „Scheiß DFB!“-Rufen.
Es fing schon bei der Nationalhymne an
Als Löw später darauf angesprochen wurde, machte er einen Gesichtsausdruck, als hätte man gerade von ihm verlangt, er solle in der Pressekonferenz doch bitte nur Tschechisch sprechen. Er wirkte komplett ratlos. Der Abgang der Mannschaft? „Hab‘ ich nicht gesehen“, antwortete der Bundestrainer. „Ich bin nach dem Spiel rein.“
Die Gesänge und Schmährufe? „Ich weiß nicht, was es für Gesänge gegeben hat. Ich habe nichts mitbekommen, was da draußen war.“ Dabei hatte es schon bei der Nationalhymne angefangen – bei der deutschen. Statt Einigkeit und Recht und Freiheit brüllten die Anhänger „Scheiß DFB!“.
Das Epizentrum lag nicht im eigentlichen Block der deutschen Fans
Während der Schweigeminute für zwei verstorbene Funktionäre des tschechischen Verbandes ging es weiter, wenn auch nicht ganz so massiv. Trotzdem gab es Pfiffe von all den Fans, die noch einen Rest Anstand im Leib haben.
Als sich Timo Werner Mitte der ersten Halbzeit der deutschen Kurve näherte, dröhnten ihm die fast schon üblichen Hurensohn-Rufe entgegen. Und kurz vor Schluss, nach dem späten Tor von Mats Hummels zum 2:1, beantworteten einige Anhänger das „Sieg“-Gebrüll mit Heil-Rufen. Es war beileibe nicht die Mehrheit, aber es war auch nicht nur ein einzelner Verirrter.
Selbst wenn Joachim Löw all das nicht wahrgenommen haben wollte – für die deutschen Spieler war es ein bisschen zu viel. „Wenn du Gesänge hörst mit nationalsozialistischem Hintergrund, braucht man sich nicht zu wundern, dass wir das nicht bejubeln“, sagte Julian Brandt. „Wir waren uns alle einig, dass wir da jetzt nicht noch in die Kurve gehen und das unterstützen.“
Das Epizentrum lag nicht im eigentlichen Block der deutschen Fans, sondern unmittelbar daneben. Die Pöbler hatten sich die Karten nicht über den offiziellen Weg beim DFB besorgt, sondern auf eigene Faust. Weil das Stadion nicht ausverkauft war, hatte das wohl kein größeres Problem dargestellt.
„Ich habe gehört, dass es in Prag nicht so schwer war, Tickets zu kriegen“, sagte Hummels. „In Deutschland haben diese Leute es wohl schwerer, was sehr gut ist.“ Während die Spieler die passende Reaktion auf die Geschehnisse auf den Rängen fanden, druckste die politische Führung der Nationalmannschaft ein wenig hilflos herum.
Ein irritierender Satz von Oliver Bierhoff
Dass Löw in seiner Konzentration auf das Spiel von den Nebengeräuschen nichts mitbekommen hatte, kann man ihm glauben. Oder auch nicht. Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, sagte zu den Journalisten: „Ich würde einfach mal vorschlagen, dass wir nicht mehr drüber schreiben.“ Auch wenn er nur auf die „Scheiß DFB!“-Rufe und die Beschimpfungen gegen Timo Werner angesprochen worden war – ein irritierender Satz.
Aber offensichtlich hatte sich der Verband intern auf eine Politik der Beschwichtigung verständigt. DFB-Präsident Reinhard Grindel ließ erst am Samstag ein klares Statement verbreiten, am Freitagabend noch wollte er das Geschehen nicht überbewerten, Bierhoff plädierte dafür, alles nicht so hoch zu hängen. Dabei hatte er selbst noch zwei Tage vor dem Spiel auf ein entsprechendes Stichwort seines Pressesprechers gesagt: „Wer den DFB angreift, greift auch die Nationalmannschaft an.“
Hummels sprach aus, was man von Bierhoff erwartet hätte
Doch anstatt die Mannschaft für ihre Aktion zu loben, sagte Bierhoff zu ihrem wort- und grußlosen Abgang: „Ich glaube nicht, dass es bewusst war, um auszugrenzen.“ Doch: Genau das war es, ein klares Signal, dass man mit solchen Typen und ihrem Nazi-Gebrüll nichts zu tun haben will. „Wir als Spieler haben beschlossen, dass wir nicht mehr in die Kurve gehen“, sagte Mats Hummels. „Das war so weit daneben, dass es nicht mehr zur Diskussion stand, ob wir uns noch verabschieden.“
Der Innenverteidiger sprach das offen aus, was man qua Amt eigentlich von Bierhoff erwartet hätte. „Die Gesänge waren eine Katastrophe. Ganz schlimm“, sagte Hummels. „Die Leute, die rufen, dass gewisse Institutionen den Fußball kaputt machen, machen ihn am Ende selber kaputt. Das machen sie wissentlich. Deshalb muss man schauen, dass man die aus dem Stadion rauskriegt.“