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Seite 3: „Alter, ich steck’ dir die Brille in’n Arsch!“

Das war aber nicht das ein­zige Pro­blem, das sich aus der wach­senden Popu­la­rität der Wilden Liga ergab. Ein anderes blieb die Platz­frage. Die Rad­renn­bahn war seit jeher aus allen Nähten geplatzt, und nun griff das Schicksal an zwei Fronten an: einer­seits durch die stei­gende Teil­neh­mer­zahl, ander­seits durch die Kom­mune, die zwei der vier Plätze ein­zäunte, um den damals hei­mat­losen Ober­li­gisten Arminia dort trai­nieren zu lassen. In dieser Not­si­tua­tion ent­deckte die Wilde Liga ihre anar­chis­ti­schen Wur­zeln und brach den ver­ma­le­deiten Zaun an jedem ver­dammten Sonntag auf. Die­je­nigen, die trotzdem keine Spiel­fläche fanden, irrten auf der Suche nach einem Platz oft über Stunden durch Bie­le­feld. Glück­lich waren da jene Mann­schaften, die über ein eigenes Gelände ver­fügten – und sei es ein so räu­diges wie das der Sieker Löwen: ein enger, furchiger, brett­harter Schla­ckeplatz, der auf einer Seite von fiesem Gestrüpp, auf der anderen von einer Beton­mauer begrenzt war. Die Mauer hatte immerhin den Vor­teil, dass man darauf pro­blemlos sein Bier abstellen konnte.

Alter, ich steck’ dir die Brille in’n Arsch!“

Zur Her­aus­for­de­rung wurde auch die zuneh­mende Öff­nung für andere Milieus. Nicht alle neuen Teams waren mit dem Geist der Gründer ver­traut, meh­rere Ver­suche, schwer­erzieh­bare Truppen zu inte­grieren, schei­terten – was wie­derum am Selbst­ver­ständnis der Wilden Liga kratzte. Ein schwie­riger Spagat zwi­schen Tole­ranz und der Not­wen­dig­keit, die Regeln ein­zu­halten“, bilan­ziert Ste­phan Boe­cken. Legendär ein Spiel zwi­schen den Sieker Löwen und den umstrit­tenen Coco­nuts, als sich die Schar­mützel nach dem Spiel auf den Park­platz ver­legten und in eine Art Stock-Car-Rennen mün­deten, bei dem meh­rere Kraft­fahr­zeuge zu Schaden kamen. Pein­liche Rand­notiz hin­gegen die Szene, als ein pani­scher Stürmer über den halben Platz flüch­tete, ver­folgt vom Ver­tei­diger des Teams aus einem Bie­le­felder Pro­blem­be­zirk, der dabei rief: Alter, ich steck’ dir die Brille in’n Arsch!“ Der bebrillte Stürmer war leider ich.

Gleich­wohl fühle ich mich der Wilden Liga bis heute ver­bunden, was auch damit zu tun hat, dass ich von 1992 bis 2001 beim Bie­le­felder Stadt­Blatt“ quasi der inof­fi­zi­elle Liga­chro­nist war. Wenn mich eines Tages der Sen­sen­mann holt und fragt Kirschneck, was bleibt von deinem ganzen Geschreibsel?“, kann ich immerhin ant­worten, ich hätte mir die Namen der drei Staf­feln der Liga aus­ge­dacht: Um die Wurst“, Fahr­stuhl“ und Sou­ter­rain“, so heißen sie noch immer. Das ist doch keine so üble Lebens­bi­lanz. Wobei der Fahr­stuhl“ vor zwei Jahren in Rente geschickt wurde, aber das hatte nichts mit seinem Namen zu tun.

Die Würde des Balles

Der Wilden Liga Bie­le­feld ging es näm­lich schon mal besser. Von den einst 50 Mann­schaften sind weniger als die Hälfte übrig­ge­blieben, viele Tra­di­ti­ons­truppen exis­tieren nicht mehr oder sind bis zur Unkennt­lich­keit fusio­niert. So wurde aus Par­tisan Ekstase und Balla das da rein! mitt­ler­weile Balla in Ekstase“, die Huscher und die Sieker Löwen sind zu den Huscher Löwen“ ver­schmolzen. Nun kann nie­mand etwas dafür, wenn er älter wird und die müden Kno­chen das Kicken nicht mehr gestatten. Rät­sel­haft ist aber, warum in einer wach­senden Uni­ver­si­täts­stadt wie Bie­le­feld nicht mehr Teams von unten nach­kommen. Fil­me­ma­cher Max Meis, der die Doku Die Würde des Balles“ gedreht und selbst jah­re­lang in der Wilden Liga gespielt hat, glaubt, dass der immer noch recht forsch for­mu­lierte poli­ti­sche Anspruch der Bie­le­felder Liga eine Hemm­schwelle sein könnte: Lan­des­weit boomen die Frei­zeit­ligen, in Köln gibt es sogar eine War­te­liste. Die Liga muss Leute, die im rich­tigen Alter sind, um ein Team zu gründen, wieder besser anspre­chen. Die 20-Jäh­rigen wollen heute bolzen und große Blue­tooth-Speaker mit auf die Rad­renn­bahn bringen. Ein­fach Spaß haben und nicht das Kom­mu­nis­ti­sche Mani­fest lesen.“

Hammer-Horst“ hat diese Pro­bleme nicht mehr. Als Heinz und Nor­bert ihn auf ein mög­li­ches Come­back anspre­chen, lächelt er süf­fi­sant: Jau. Auf Krü­cken oder mit dem Rolli?“ Dabei hat der gewich­tige Horst auch früher nicht viel Bewe­gung gebraucht, um seine zahl­losen Tore zu schießen. Da reichte der Hammer, der ihm den Namen gab.

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Wer sich den Film Die Würde des Balles“, den Doku­men­tar­film über das Phä­nomen Alter­na­tiv­fuß­ball, nicht ent­gehen lassen will, hat in den kom­menden Wochen in meh­reren Städten die Gele­gen­heit. 

25. November 2017 – 18:30 Uhr: Movie­mento Berlin, Fra­ge­runde mit Film­team nach der Vor­stel­lung.

26. November 2017 – 16:45 Uhr: Movie­mento Berlin, Fra­ge­runde mit Film­team nach der Vor­stel­lung.

30. November 2017 – 21:00 Uhr: Licht­werk Kino Bie­le­feld.

10. Dezember 2017 – 20:15 Uhr: Apol­lo­kino Han­nover, Fra­ge­runde mit Film­team nach der Vor­stel­lung.

20. Dezember – 19 Uhr: Licht­werk Kino Bie­le­feld.