Anfangs konnten die Southampton-Fans mit seinem Namen nichts anfangen. Einen Monat später trauen sie Ralph Hasenhüttl Großes zu. Wie hat er das gemacht?
Ralph Hasenhüttl geht es wie den meisten Menschen, die einen Spitznamen haben: Er mag ihn nicht besonders. Er wolle sich lieber selber einen Namen in England machen, als weiterhin der „Alpen-Klopp“ genannt zu werden, sagte er im Dezember bei seiner Vorstellung als neuer Trainer des FC Southampton. Der Spitzname ist dem Österreicher während seiner Zeit in Deutschland gegeben worden – wegen der vergleichbaren Art der beiden Trainer, die ihren Fußball über Emotion, Kraft und Geschwindigkeit definieren. Bloß: Seit seiner Ankunft an Englands Südküste hat Hasenhüttl es der örtlichen Presse nicht gerade leicht gemacht, auf die Verwendung des Namens zu verzichten.
Schon bei seiner ersten Pressekonferenz im Amt haute Hasenhüttl eine Reihe von Sprüchen raus, die in Art und Ausführung auch von Jürgen Klopp hätten stammen können. „Wenn ihr Garantien wollt, dann kauft euch eine Waschmaschine“, sagte er in makellosem Englisch über seine Pläne mit dem vom Abstieg aus der Premier League bedrohten Klub. „Im Fußball gibt es keine Garantien.“
Eifrig zitiert wurde auch die Antwort des 51-Jährigen auf die Frage, woran er zuerst gedacht habe, als Southampton ihm ein Angebot vorgelegt hatte. „Daran, dass die Titanic damals aus Southampton auslief“, wagte sich Hasenhüttl in das Minenfeld des britischen Humors: „Ich hoffe, ich pralle hier nicht gegen den ersten Eisberg, der auf mich wartet.“
„The Southampton Way“
Der von Jürgen Klopp beim FC Liverpool an den Rand der Perfektion kultivierte Stil, für den sie in England sogar das Wort „Gegenpressing“ aus dem, nun ja, „Deutschen“ entlehnt haben, sei zwar schon zu dessen Bundesliga-Tagen ein wichtiger Einfluss auf seine eigene Entwicklung als Fußballtrainer gewesen, räumte Hasenhüttl ein. Aber statt ewig mit dem geschätzten Kollegen verglichen zu werden, wolle er in der Premier League nun seine „eigenen Fußspuren im Schnee hinterlassen“.
In Deutschland hat er das bei seinen Stationen als Trainer in Unterhaching, Aalen, Ingolstadt und Leipzig bereits hinlänglich getan. In England war er bei seiner Ankunft dagegen ein weitgehend Unbekannter. Ralph Krueger, dem Klubvorstand des FC Southampton, dürfte während seiner Recherche jedoch vor allem Hasenhüttls Erfahrung mit dem Abstiegskampf imponiert haben. Als Trainer des FC Ingolstadt hatte er die Oberbayern in der Saison 2013/14 zunächst vor dem Abstieg gerettet – und sie nur ein Jahr später als Zweitligameister in die Bundesliga geführt.
„Die Besten vom Rest“
Eine ähnliche Entwicklung wünschen sie sich nach zwei ziemlich mageren Jahren auch in Southampton. „Ralphs Fähigkeit, das Spiel zu lehren und Talente zu entwickeln, hat er in der Vergangenheit bewiesen“, wurde Krueger in einer Mitteilung zu Hasenhüttls Verpflichtung zitiert. Daher sei er die „perfekte Wahl“ als neuer Trainer der „Saints“, die nach Möglichkeit auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs setzen wollen. Ihre Akademie zählt zu den besten in England; in den vergangenen Jahren hat sie unter anderem Spieler wie Adam Lallana, Alex Oxlade-Chamberlain und Theo Walcott hervorgebracht.
Auf diese Weise wollen sie seriös wirtschaften und trotzdem attraktiven und erfolgreichen Fußball spielen. Diesen bescheidenen Ansatz nennen sie den „Southampton Way“. Der „Neuen Zürcher Zeitung“ erklärte Krueger einmal in einem Interview: „Wir wollen in Southampton die Besten vom Rest werden“, also bei den Teams knapp unterhalb der etablierten Big Six mitmischen. Er sei davon überzeugt, sagte Krueger weiter, auf diese Art einen Teil des Wettbewerbsnachteils wettmachen zu können.
Das war ihnen in den Jahren zwischen 2013 und 2017 auch ganz gut gelungen, als die Trainer Mauricio Pochettino und Ronald Koeman hießen, bevor sie in der vergangenen Saison dann beinahe in die Championship abgestiegen wären.
Bevor Hasenhüttl die Rückkehr in obere Tabellenregionen anpeilen kann, muss er den Klub nun ein weiteres Mal vor dem Abstieg retten. Das dürfte ein hartes Stück Arbeit werden. Von seinen bislang sechs Premier-League-Spielen hat er zwei gewonnen und drei verloren, eins endete unentschieden. In der Tabelle steht Southampton vor dem Spiel gegen Leicester City an diesem Samstag auf dem ersten von drei Abstiegsplätzen; Newcastle, Burnley und Cardiff befinden sich jedoch in Schlagdistanz. Die Fans trauen Hasenhüttl trotz ihrer bedrohlichen Lage zu, den Klub in sicheres Fahrwasser zu steuern – und sich in Southampton auch langfristig einen Namen zu machen.
Freibier zur Heimpremiere
„Mein erster Gedanke war: Wer?“, erinnert sich Nick Illingsworth vom Southampton-Fanzine „The Ugly Inside“ im Gespräch mit 11FREUNDE an den frühen Dezember, als bekannt wurde, dass Hasenhüttl bei seinem Klub unterschrieben hatte. „Die meisten Fans hatten noch nie von ihm gehört, sein Name war für ein paar Tage wahrscheinlich der am meisten gegoogelte in unserer Gegend. Aber schon in seiner ersten Pressekonferenz wurde klar, dass er ein Mann mit Charakter ist. Die Fans fanden ihn sofort sympathisch.“
Bei Hasenhüttls erstem Heimspiel gegen den FC Arsenal gab der Klub dann jedem Besitzer einer Dauerkarte einen Gutschein für ein Freigetränk, schließlich war ja bald Weihnachten. „Das hat geholfen. Und die Leidenschaft, die er dann zeigte, machte ihn beim Publikum umso beliebter“, sagt Illingsworth. Southampton gewann mit 3:2 – und Hasenhüttl forderte ab sofort Freibier bei jedem Heimspiel. Wieder so ein Klopp-Moment. „Er ist erst kurz hier, und wie er selber sagte: Es gibt keine Garantien. Aber Stand jetzt hat er das Potenzial, einer unserer wahrlich großen Trainer zu werden – und ganz sicher einer der beliebtesten!“
„Eine drastische Verbesserung“
Hasenhüttls auf Geschwindigkeit, Kraft und Pressing getrimmter Stil verlange den Spielern zwar sichtlich mehr ab, aber man könne dabei zusehen, wie das Team die Herausforderung annehme. Erkennt man schon eine Verbesserung der Leistungen? „Eine drastische Verbesserung“, findet Illingsworth: „Er macht unsere Spieler fitter, aber mehr als das ist die Mannschaft jetzt motivierter und steht voll hinter ihm.“ Es gebe vor allem in der Defensive noch Löcher zu stopfen, „aber wenn das erst erledigt ist, dann glaube ich, dass wir nach und nach immer besser werden.“
Schon jetzt holt Hasenhüttl im Schnitt mehr Punkte pro Spiel als vor ihm Mark Hughes und Mauricio Pellegrino. Das ist umso beachtlicher, wenn man sich sein Programm zum Auftakt in der Premier League ansieht: Mit Arsenal, Manchester City (1:3) und Chelsea (0:0) waren darunter schon drei dicke Brocken. In den kommenden Wochen stehen richtungsweisende Begegnung an, dann geht es nämlich gegen direkte Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt wie Crystal Palace, Burnley oder Cardiff.
Und im April ist dann der FC Liverpool zu Gast in Southampton. Jürgen Klopp gegen den „Alpen-Klopp“. Wobei: Wenn Ralph Hasenhüttl einlöst, was sich die Fans von ihm versprechen, dann nennt ihn bis dahin ja vielleicht schon keiner mehr bei seinem Spitznamen.