Madagaskar ist bislang nicht durch übermäßige Erfolge im Fußball aufgefallen. Das hat sich nun geändert: Zum ersten Mal in der Geschichte hat sich der Inseltaat für den Afrika-Cup qualifiziert. Dank eines französischen Amateurs.
Sieben Minuten noch. Im Spiel zwischen Madagaskar und Äquatorialguinea steht es kurz vor dem Ende 1:0, Mittelfeldspieler Njiva Rakotoharimalala hat in der ersten Halbzeit per Distanzschuss getroffen. Bleibt es bei diesem Ergebnis, ist die ehemalige französische Kolonie aus dem Indischen Ozean zum ersten Mal in der Geschichte für den Afrika-Cup qualifiziert. Es wäre der größte Erfolg in der Historie des madagassischen Fußballs. Während auf dem Rängen des Stadions in Vontovorona die Spannung ins Unermessliche steigt, steht Nicolas Dupuis ruhig an der Seitenlinie. Der Franzose, der vor zweieinhalb das Traineramt des Nationalteams übernommen hat, könnte gleich zum Volkshelden werden. Aber er verzieht keine Mine.
Seit Dupuis als Coach auf der viertgrößten Insel der Welt arbeitet, hat sich im madagassischen Fußball viel getan. Erst als Berater und dann als Trainer hat es der 50- Jährige geschafft, aus Spielern, die bei Vereinen aus der ganzen Welt unter Vertrag stehen, ein schlagkräftiges Team zu formen, dass die Vorqualifikation mühelos meisterte. Torschütze Rakotoharimalala spielt in Thailand, dazu kommen Legionäre aus Frankreich, Ägypten und Algerien sowie fünf Akteure aus der französischen Nachbarinsel La Réunion, die madagassische Vorfahren haben und kurzerhand eingebürgert wurden. Bei Spielern und Fans ist der aus der Region Auvergne stammende Coach äußerst beliebt, Kapitän Ima Faneva Andriatsima bescheinigte ihm jüngst eine „ausgezeichnete Arbeit“.
Diese ausgezeichnete Arbeit spiegelte sich in sieben Punkten aus den ersten drei Qualispielen wieder, in denen „Les Bares“ auswärts in Äquatorialguinea sowie im Sudan gewannen und dem Senegal einen Punkt abtrotzten. Daraus folgte eine klare Ausgangssituation für das Rückspiel gegen Äquatorialguinea – ein Sieg würde die Qualifikation bedeuten.
Liga ist nach einer Brauerei benannt
Fußball ist auf Madagaskar neben traditionellen Kampfsportarten wie „Moraingy“ oder „Ringa“ bei weiten Teilen der Bevölkerung sehr beliebt. Rund 30.000 Spieler sind bei 220 unterschiedlichen Vereinen aktiv. Aufgrund der weiten Distanzen auf der Insel wird die nationale Meisterschaft, benannt nach der einheimischem Brauerei „Three Horses Beer“, zunächst als regionales Turnier mit vier Gruppen à sechs Mannschaften ausgetragen. Die erfolgreichsten vier Teams tragen dann am Saisonende die Finalrunde in der Hauptstadt Antananarivo aus, Serienmeister ist seit 2013 CNaPS Sport. Aufgrund der größtenteils schwierigen Bedingungen spielt allerdings nur eine Minderheit der Nationalspieler in der Heimat.
Die reguläre Spielzeit ist in Vontovorana abgelaufen, vier Minuten Nachspielzeit werden angezeigt. Die Gäste sind jetzt überlegen, drücken auf den Ausgleich. Madagaskar hat sich in die Defensive zurückgezogen, verteidigt aber clever das eigene Tor – noch.
„Als man mir den Job hier anbot, hatte ich genau 48 Stunden Zeit, mich zu entscheiden.“, erinnert sich Coach Dupuis in einem Interview. „Ich habe die Herausforderung letztlich angenommen, was ich bisher nicht bereut habe.“ Der Erfolg gibt ihm Recht, doch abseits des Platzes läuft bei weitem nicht alles rund. Beim Qualispiel gegen den Senegal am 9. September dieses Jahres in der Hauptstadt Antananarivo ereignete sich ein Drama, als bei einer Massenpanik vor dem Stadion 37 Menschen verletzt wurden und eine Person starb. Viele Fans sahen in den Sicherheitsbehörden die Verantwortlichen und kritisierten unter anderem, dass trotz der Tatsache, dass sich viele Zuschauer angekündigt hatten, nur ein Stadiontor geöffnet war.
Weitaus weniger schlimm wiegt da schon die Tatsache, dass sich der Coach im Clinch mit dem nationalen Fußballbund (FMF) befinden soll. Bis heute wurde Dupuis von Seiten des Verbandes kein Vertrag zur Unterzeichnung vorgelegt, eine Tatsache, die auch unlängst von seinem Kapitän kritisiert wurde.
In Vontovorana laufen die letzten Sekunden. Eine letzte Chance für den Gegner, ein letzter Schuss auf das Tor. Das Stadion hält den Atem an… – drüber! Der Schiedsrichter pfeift sofort ab, das Spiel ist aus! Auf den Rängen gibt es kein Halten mehr, und auch auf dem Platz geht die Party sofort los. Mann des Tages ist, natürlich, Torschütze Rakotoharimalala. Aber an diesem historischen Tag ist jeder einzelne Akteur der Mannschaft ein Held, was auch William Gros, beim französischen Viertligsten AS Vitré unter Vertrag, sofort klar wird: „ Wir werden für immer die ersten sein, die unser Land zu einem internationalen Turnier gebracht haben!“ Madagaskar hat es geschafft und fährt zum Afrika-Cup 2019.
Nicht nur für das Land ist es die erste Teilnahme an einem großen Turnier, auch für den Trainer ist es eine Premiere, nachdem er jahrelang den französischen Amateurverein AS Yzeure trainiert hat. Mit Madagaskar, seiner ersten Station bei einer Nationalmannschaft, ist er nun angekommen im Konzert der ganz großen. Im nächsten Jahr könnten seine Spieler und er dann auf Mohamed Salah, John Obi Mikel und Pierre-Emerick Aubameyang treffen.