Im Sommer 2013 wurde Mario Gomez von 25.000 Fans in Florenz begrüßt. Nun rät sein Trainer ihm indirekt zum Karriereende. Was ist passiert?
In Wahrheit war der Fußball in Florenz natürlich auch nicht anders als in Deutschland. Ab der ersten Minute: Druck. Das Grundmurren setzte schon ein, als Gomez im ersten Spiel gegen Catani frei vor dem Tor eine Chance vergab und auch im Europa-League-Spiel gegen die Grasshoppers Zürich ohne Treffer blieb. Kurzzeitig ließ Gomez mögliche Diskussionen verstummen, denn am zweiten Spieltag schoss er beim 5:2 gegen Genua zwei Tore. Doch dann kam das Spiel gegen Cagliari Calcio, die Verletzung, die Diagnose: Innenbandteilriss und eine Zerrung im rechten Knie. Später zog Gomez sich noch eine Sehnenentzündung zu, er fiel bis Februar 2014 aus, und seitdem ist die Maschine nie mehr richtig in Gang gekommen.
„Fit wie ein Bestie“ – Wirklich?
Im März 2014, nach nur sechs weiteren Spielen, verletzte sich Gomez erneut, diesmal machte ihm eine schwere Bänderdehnung im Knie zu schaffen. Gelegentlich erinnerte die Presse an die Worte des Vereinsarztes, der nach der medizinischen Untersuchung im Juli 2013 geurteilt hatte, Mario sei „fit wie ein Bestie“. Irgendwann zitierten die Medien sogar Angela Merkel, die einst gesagt haben soll: „Gomez ist stark, aber verletzungsanfällig.“
Gomez allein in Florenz. Manchmal fuhr er nun in die toskanischen Weinberge, denn er liebte die Natur. Manchmal ging er shoppen, denn er mochte die italienische Mode. Doch es waren bedrückende Monate, und er machte „alles mit angezogener Handbremse“, es gehe schließlich vornehmlich darum fit zu werden. Über allem schwebten da die Erwartungen der Tifosi, bleiern und schwer. Gomez war ein 20-Millionen-Euro-Versprechen.
Er verpasste das Saisonfinale. Die WM. Die Nacht in Rio. Deutschland im Jubelrausch. Und als er zurückkam, im Revanchespiel gegen Argentinien, pfiffen ihn die Fans beharrlich aus. Also wieder zurück in Florenz. Dort hielten die Tifosi noch zu ihm, auch wenn sie seinetwegen nun keinen violetten Rauch mehr aus der Curva Fiesole emporsteigen ließen und kaum noch jemand von einem Heilsbringer in Adonisstatur sprach. Er hatte sich sein seiner Umgebung angepasst und sah nun ein bisschen aus wie die Serie A. Farblos, grau.
259 Tage ohne Tor
In der Saison 2014/15 absolvierte Gomez zwölf Spiele in der Serie A. Nach drei Spielen verletzte er sich erneut am Oberschenkel, und als er Ende November beim 4:0‑Sieg gegen Cagliari Calcio endlich wieder traf, freute er sich kaum. Zu sehr nagten die Berichte, die Stimmungen an ihm. In der Presse war in den Tagen zuvor zu lesen, dass er seit über 250 Tagen ohne Treffer sei. Das Tor gegen Cagliari fiel am 259. Tag. Dass von diesen 259 Tagen 200 Tage Sommerpause und Verletzungszeit waren, stand nirgendwo. Die „Corriere della Sera“ schrieb hingegen, dass der Stürmer trotz seines Tores auf dem „absteigenden Ast“ sei. Wann würden sie anfangen zu pfeifen? Immerhin: Über seine Haare schrieb niemand.
Seit dem Tor gegen Cagliari sind wieder eineinhalb Monate vergangen. Am Sonntag gewann Florenz 4:3 gegen Palermo, Gomez spielte 90 Minuten glücklos. Immerhin berichtete sein Trainer nicht nur von seinem eigenen Karriereende, sondern erklärte auch, dass Gomez ein wichtiger Spieler sei. Er erlebe nun gerade eine psychologische Blockade – frei nach Andreas Brehme: „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“. Zu allem Überfluss wurde über Twitter gestern auch noch eine Falschmeldung über Gomez‘ angeblichen Tod lanciert: „Mario Gómez tot. Die Angehörigen bestätigen.“ Sie sorgte für kurzzeitige Verwirrung im Netz.
Vielleicht sollte Gomez es machen wie mit seiner Homepage, wo dieser Tage zu lesen ist: „Die Seite wird gerade aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht.“ Er müsste nur mal den Reset-Knopf finden, um die Maschine zu rebooten. Doch Gomez weiß auch: Der Fußball hat für so etwas eigentlich keine Zeit.