Hertha BSC steht nach sensationellem Start auf Platz Drei. Vor dem Spiel gegen Bremen haben wir mir Alexander Esswein gesprochen und ihn gefragt: Wie zum Henker ist das möglich?
Alexander Esswein, Hertha BSC steht auf dem dritten Platz. Wie konnte das denn passieren?
Um das zu erklären, müssen wir an den Anfang der Saison springen. Da war die Stimmung nach der verpassten Europa League Qualifikation einigermaßen mies. Dann kam das erste Spiel gegen Freiburg und wir kriegen ganz spät den Ausgleich. Aber statt uns zu ergeben, schlagen wir in der Nachspielzeit noch mal zurück, machen das Tor und gewinnen das Spiel. Dadurch sind wir ins Rollen gekommen und immer selbstbewusster geworden. Mittlerweile ist es extrem schwer, uns zu schlagen.
Was ist in dieser Saison möglich für die Mannschaft?
Einiges. Wir sind so gut gestartet wie noch nie und bringen konstant unsere Leistung. Es werden zwar auch Phasen kommen, in denen es vielleicht nicht so läuft, aber die müssen wir eben möglichst kurz halten.
Sie pendeln bislang zwischen Startelf und Bank, effektiver waren Sie, wenn Sie eingewechselt wurden. Sind Sie als Joker besser?
Das würde ich so nicht sagen. Jeder will von Anfang an spielen, ich auch. Ich wäre also am liebsten immer 90 Minuten auf dem Platz und kein Joker. Aber der Trainer entscheidet und wenn ich dann mal von der Bank komme und der Mannschaft trotzdem helfen kann, dann ist das in Ordnung. Außerdem: Eingewechselt werden und das Spiel mit einem Tor zu entscheiden ist auch ein herausragendes Gefühl.
Pal Dardai sagte bei Ihrer Verpflichtung, er wolle mehr Tore aus Ihnen herauskitzeln. Wie genau stellt er das an?
Er ist mir nicht böse, wenn ich vor dem Tor mal selber schieße, statt den freien Mann zu sehen. Er will, dass ich egoistischer bin.
Was zeichnet Pal Dardai aus?
Er redet sehr viel mit uns, erklärt viel, hat kreative Ideen, ob es jetzt das Passspiel angeht oder den ersten Kontakt. Außerdem sind wir auf jeden Gegner immer perfekt eingestellt.
Sie haben mit Stürmern wie Grafite oder Dzeko zusammengespielt, jetzt sind Ibisevic und Kalou ihre Kollegen in Berlin. Von wem haben Sie am meisten gelernt?
Speziell bei Vedat ist es beeindruckend, wie stark er den Ball abschirmt. Da kommst du einfach nicht ran. Außerdem ist er eiskalt vor dem Tor. Da kann ich mir von Woche zu Woche einiges abgucken.
Sie kommen meist über die Flügel. Gegen welchen Außenverteidiger macht das so gar keinen Spaß?
Noch in Nürnberg habe ich zum ersten Mal gegen Rafinha gespielt, das war schon sehr unangenehm. Er war immer eng an mir dran, stets nah an der Grenze zum Unerlaubten. Dazu ist er so klein und wendig, dass ich damals kaum an ihm vorbei kam. Ich war erst 22, das war schon eine Mammutaufgabe.
Sie sind in Worms geboren und in Mannheim groß geworden. In der Jugend haben Sie in Kaiserslautern gespielt, danach in Wolfsburg, Dresden, Nürnberg und Augsburg. Jetzt sind sie in Berlin gelandet. Wo fühlen Sie sich zu Hause?
Meine Heimat ist definitiv Mannheim. Da fühle ich mich am wohlsten, da ist meine Familie, da sind meine Freunde. Aber dafür, dass ich erst seit drei Monaten hier bin, fühle ich mich auch in Berlin pudelwohl. Die ganze Stadt ist beeindruckend, all die Lichter, die ich abends sehe, wenn ich nach dem Training durch die Stadt fahre. Das sind schon andere Dimensionen als in Worms. Dazu die Esskultur. Es gibt so viele unterschiedliche Dinge, überall, egal ob das jetzt in Mitte ist oder in Charlottenburg.
Nur so richtig heiß auf Fußball scheinen die Menschen in der Stadt nicht zu sein. Derzeit wird über ein neues, kleineres Stadion für die Hertha diskutiert. Wie denken Sie als Spieler darüber?
Wenn es gebaut werden sollte, würde es ja eh noch zehn Jahre dauern. Insofern mache ich mir da jetzt keine großen Gedanken. Aber ich spiele gerne im Olympiastadion, mir macht es hier großen Spaß.
Auch wenn es halbleer ist, wie zuletzt gegen Mainz?
Da war es extrem kalt und spät am Sonntag, da kann man nicht erwarten, dass 60000 Leute kommen.
Lassen Sie uns über ihren Start als Profi sprechen. In Wolfsburg spielten sie als junger Kerl gleich unter Felix Magath. Ist es so schlimm, wie wir es uns vorstellen?
Es ist schon heftig. Doch ich war 18 und in dieser Zeit war er der perfekte Trainer für mich. Er hat mir Härte und Disziplin verpasst. Aber natürlich gab es Tage, an denen ich dachte: Was kommt jetzt schon wieder, wie soll ich das jetzt überstehen?
Zum Beispiel?
Schlimm waren die Medizinbälle am Sandstrand. Die mussten wir irgendeinen Berg hochschleppen. Elf Durchgänge.
Hat man sich als Spieler nicht manchmal gefragt, was solche Uraltmethoden sollen?
Sagen wir es so: Es war nicht das modernste Training. Es ging viel um Kraft, um Ausdauer und um Durchsetzungsvermögen. Aber in dem Jahr, in dem wir Meister wurden und ich als junger Kerl dabei sein durfte, da haben wir in vielen Spielen ab der 70. Minute aufgedreht. Während anderen Teams die Puste ausging.
Apropos Meisterschaft. Wo geht man in Wolfsburg bitteschön feiern?
Wir hatten irgendeine Location draußen gemietet, es war ja Sommer. Aber es stimmt schon, allzu viele Möglichkeiten bietet Wolfsburg jetzt nicht. Aber im Endeffekt ist es doch so: Wenn du Meister wirst, kannst du überall feiern.
Statt zu feiern geht ihr ehemaliger Mitspieler Alexander Manninger angeln. Was machen Sie, wenn Sie Zeit für sich haben?
So viel Zeit ist es ja leider gar nicht, in der Regel bleibt da kein großer Raum für Hobbies. Aber wir waren neulich mit der Mannschaft Lasertag spielen. Das war so witzig, dass wir mit acht, neun Leuten noch mal hin sind. Jetzt gibt es die Überlegung, das regelmäßig zu machen.
Wer ist der talentierteste Lasertagspieler?
Mitchell Weiser ist ganz gut. Habe ich gehört.