Immer höhere Ablösen, immer mehr Berater-Honorare, immer mehr Business, immer weniger Wettbewerb – nun will ausgerechnet die FIFA die Auswüchse stoppen.
Selbst die Anliegen der Amateure werden im „White Paper“ berücksichtigt. Die FIFA will sicherstellen, dass reiche Profivereine die bei Transfers anfallenden Ausbildungs-Entschädigungen an afrikanische Dritt- oder hessische Bezirksligisten künftig wirklich bezahlen. Dieser Akt der Solidarität scheitert oft daran, dass der Schatzmeister eines Mini-Klubs mit seinem Anliegen gar nicht bis zu Bayern oder Barca vordringen kann. Umgekehrt unternehmen die Branchen-Giganten meist nicht einmal einen Versuch der Kontaktaufnahme. Deshalb soll künftig weltweit jeder Vereinsfußballer ab zwölf Jahren einen digitalen Spielerpass bekommen, durch den die FIFA sämtliche Ausbildungs-Entschädigungen fällig stellen und über ihre zentrale Transfer-Zahlstelle an die kleinen Klubs abführen kann. Insgesamt, so proklamiert das Geheimpapier, müsse eben „ein erneuerter Fokus auf die Solidarität statt auf die Spekulation“ her.
Ein weiteres Hauptziel des FIFA-Papiers ist es, die aggressiv vorrückenden Spielerberater schrittweise aus dem Geschäft zu drängen. Das lässt schon die Länge des Textes zu diesem Kapitel erahnen. Berater werden im „White Paper“ als „Plage“ bezeichnet, die dem Geschäfts-Kreislauf mit unfassbar wenig Aufwand unfassbar viel Geld entziehen. Allein in 2017 seien demnach rund 500 Millionen Dollar (428 Millionen Euro) in die Taschen von Agenten geflossen – und damit 105 Prozent mehr als noch im Jahr 2013. Allein Mino Raiola soll laut „Football Leaks“ für die Transfers von Paul Pogba und Henrikh Mkhitaryan zu United 49 Millionen Euro kassiert haben – teils als Beraterhonorar deklariert, teils als Vermittlungsgebühr.
„Ich sehe da keinen Gesprächsbedarf“
Ob die im „White Paper“ präsentierten Vorschläge jemals (geschweige denn zeitnah) umgesetzt werden, steht natürlich in den Sternen – und obliegt den so genannten Regel-Boards der FIFA. Das sind kleine, elitäre Funktionärs-Zirkel, die hinter hohen Mauern in der Schweiz tagen. Laut dem Geheimpapier würde allein die Einrichtung einer zentralen Transfer-Zahlstelle rund zwei Jahre in Anspruch nehmen. Für die Einführung einer strikten Regulierung von Gehältern und Ablösen wird noch nicht mal ein konkreter Zeitrahmen genannt. Andere Maßnahmen, wie die Obergrenze für Kadergröße und Leihgeschäfte, könnten laut Konzept schon sehr bald implementiert werden.
Allerdings hat sich die Gegenlobby der Reichen und Schönen im internationalen Klub-Fußball längst formiert: Bill Bush, einer der Direktoren der kaufwütigen Premier League, erklärte zum „White Paper“: Es habe eben nicht jede Fußball-Liga dasselbe Business-Modell. „Ich sehe da keinen Gesprächsbedarf“, polterte Bush im „Daily Telegraph“ und attackierte gezielt das vielleicht schwächste Glied in der Maßnahmen-Kette der FIFA: „Ein Algorithmus, der Transfersummen festlegt – wie soll das funktionieren?!“ Das und andere Details werden Infantino & Co. demnächst darlegen müssen.