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Dass das der­zei­tige Gebaren auf dem Trans­fer­markt den Fuß­ball langsam, aber sicher kaputt macht, wird kaum jemand bestreiten. Was aber tun? Wie die New York Times“ ent­hüllte, hat ein Team von Juristen in zwei­jäh­riger Geheim­ar­beit kon­krete und ziem­lich radi­kale Pläne ent­wi­ckelt – in Auf­trag gegeben vor gut zwei Jahren durch den damals neuen FIFA-Boss Gianni Infan­tino. Mit­hilfe des Stra­tegie-Kon­zepts White Paper“ soll jener Markt, der zuletzt 6,5 Mil­li­arden Dollar (5,6 Mil­li­arden Euro) in nur zwölf Monaten umsetzte, revo­lu­tio­niert, gebän­digt und berei­nigt werden. Das Beste an den darin ent­hal­tenen Vor­schlägen: sie scheinen sowohl ver­nünftig als auch durch­führbar.

Zu den auf­ge­führten Maß­nahmen zählen fest­ge­schrie­bene Gehalts­ober­grenzen, eine zah­len­mä­ßige Begren­zung von Spie­ler­ka­dern und Leih­ge­schäften sowie ein strikt regu­liertes System zur Ermitt­lung von Trans­fer­summen. Zudem sollen die aus­ufernden Pro­vi­si­ons­zah­lungen massiv runter gefahren und so die unheil­volle Macht der Spie­ler­be­rater beschnitten werden. Die Höhe der Ablösen soll laut dem Papier künftig ein Algo­rithmus fest­legen, der Alter und Leis­tungs­daten der gehan­delten Spieler berück­sich­tigt. Berater-Pro­vi­sionen sollen fünf Pro­zent dieser Summe oder aber fünf Pro­zent des im Ver­trag ver­ein­barten Gehalts-Pakets nicht mehr über­schreiten dürfen. Zum Ver­gleich: Der­zeit fließen mit­unter zwölf Pro­zent oder mehr an Agenten.

Das Ende der Chelsea-Leih-Armee“

Um die Ein­hal­tung all ihrer neuen Regeln auch wirk­lich kon­trol­lieren zu können, soll die FIFA sämt­liche Geld­be­we­gungen im Rahmen eines Trans­fers trans­pa­rent über eine zen­trale Zahl­stelle laufen lassen, beauf­sich­tigt von unab­hän­gigen Treu­hän­dern. Zugleich soll der Welt­ver­band eine Art Luxus­steuer auf beson­ders teure Trans­fers sowie wirk­lich belast­bare Finan­cial-Fair­play-Regeln ein­führen, welche die großen Klubs mäßigen und klei­nere Ver­eine (sowie den dahin sie­chenden sport­li­chen Wett­be­werb) schützen sollen. Dazu bei­tragen soll auch ein Salary Cap“, also eine starre Gehalts­ober­grenze, die sich an Umsatz und Gewinn eines Klubs ori­en­tiert.

Und dann ist da noch die Sache mit den viel zu großen Kadern und der bedroh­lich wach­senden Leih­ar­beit: Das exzes­sive Auf­kaufen und dut­zend­fache Ver­leihen von Fuß­bal­lern durch ein­zelne Groß­klubs sollen eben­falls bald der Ver­gan­gen­heit ange­hören. Laut White Paper“ könnte die Zahl der Aus­leihen auf sechs bis acht pro Klub sowie maximal drei Leih­ge­schäfte zwi­schen zwei bestimmten Ver­einen beschränkt werden. Zum Ver­gleich: Der­zeit hat allein der FC Chelsea knapp 40 Kicker an andere Klubs ver­liehen. Spötter spre­chen bereits von einer Chelsea-Leih-Armee“. Für die Blues“ ent­wi­ckelt sich diese Praxis zuse­hends zum lukra­tiven Neben­ge­schäft, wäh­rend der Spie­ler­markt für klei­nere Klubs zuse­hends leer­ge­fegt ist.

Selbst die Anliegen der Ama­teure werden im White Paper“ berück­sich­tigt. Die FIFA will sicher­stellen, dass reiche Pro­fi­ver­eine die bei Trans­fers anfal­lenden Aus­bil­dungs-Ent­schä­di­gungen an afri­ka­ni­sche Dritt- oder hes­si­sche Bezirks­li­gisten künftig wirk­lich bezahlen. Dieser Akt der Soli­da­rität schei­tert oft daran, dass der Schatz­meister eines Mini-Klubs mit seinem Anliegen gar nicht bis zu Bayern oder Barca vor­dringen kann. Umge­kehrt unter­nehmen die Bran­chen-Giganten meist nicht einmal einen Ver­such der Kon­takt­auf­nahme. Des­halb soll künftig welt­weit jeder Ver­eins­fuß­baller ab zwölf Jahren einen digi­talen Spie­ler­pass bekommen, durch den die FIFA sämt­liche Aus­bil­dungs-Ent­schä­di­gungen fällig stellen und über ihre zen­trale Transfer-Zahl­stelle an die kleinen Klubs abführen kann. Ins­ge­samt, so pro­kla­miert das Geheim­pa­pier, müsse eben ein erneu­erter Fokus auf die Soli­da­rität statt auf die Spe­ku­la­tion“ her.

Ein wei­teres Haupt­ziel des FIFA-Papiers ist es, die aggressiv vor­rü­ckenden Spie­ler­be­rater schritt­weise aus dem Geschäft zu drängen. Das lässt schon die Länge des Textes zu diesem Kapitel erahnen. Berater werden im White Paper“ als Plage“ bezeichnet, die dem Geschäfts-Kreis­lauf mit unfassbar wenig Auf­wand unfassbar viel Geld ent­ziehen. Allein in 2017 seien dem­nach rund 500 Mil­lionen Dollar (428 Mil­lionen Euro) in die Taschen von Agenten geflossen – und damit 105 Pro­zent mehr als noch im Jahr 2013. Allein Mino Raiola soll laut Foot­ball Leaks“ für die Trans­fers von Paul Pogba und Hen­rikh Mkhi­ta­ryan zu United 49 Mil­lionen Euro kas­siert haben – teils als Bera­ter­ho­norar dekla­riert, teils als Ver­mitt­lungs­ge­bühr.

Ich sehe da keinen Gesprächs­be­darf“

Ob die im White Paper“ prä­sen­tierten Vor­schläge jemals (geschweige denn zeitnah) umge­setzt werden, steht natür­lich in den Sternen – und obliegt den so genannten Regel-Boards der FIFA. Das sind kleine, eli­täre Funk­tio­närs-Zirkel, die hinter hohen Mauern in der Schweiz tagen. Laut dem Geheim­pa­pier würde allein die Ein­rich­tung einer zen­tralen Transfer-Zahl­stelle rund zwei Jahre in Anspruch nehmen. Für die Ein­füh­rung einer strikten Regu­lie­rung von Gehäl­tern und Ablösen wird noch nicht mal ein kon­kreter Zeit­rahmen genannt. Andere Maß­nahmen, wie die Ober­grenze für Kader­größe und Leih­ge­schäfte, könnten laut Kon­zept schon sehr bald imple­men­tiert werden.

Aller­dings hat sich die Gegen­lobby der Rei­chen und Schönen im inter­na­tio­nalen Klub-Fuß­ball längst for­miert: Bill Bush, einer der Direk­toren der kauf­wü­tigen Pre­mier League, erklärte zum White Paper“: Es habe eben nicht jede Fuß­ball-Liga das­selbe Busi­ness-Modell. Ich sehe da keinen Gesprächs­be­darf“, pol­terte Bush im Daily Tele­graph“ und atta­ckierte gezielt das viel­leicht schwächste Glied in der Maß­nahmen-Kette der FIFA: Ein Algo­rithmus, der Trans­fer­summen fest­legt – wie soll das funk­tio­nieren?!“ Das und andere Details werden Infan­tino & Co. dem­nächst dar­legen müssen.