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Herr Kurth, wenn man Ihren Namen bei Google ein­trägt, erhält man auf der ersten Seite mehr Treffer für den schwei­ze­ri­schen Hand­ball­spieler Marco Kurth als für Sie. Kennen Sie Ihren Namens­vetter?

Habe ich noch nie gehört. Ich habe zwar schon öfter meinen Namen gegoo­gelt, habe aber nur mich ange­klickt. Es gibt ja schon ein paar Marco Kurths. Aber ich wusste nicht, dass ein anderer Marco Kurth ein Schweizer Hand­ball­spieler ist.

Sie haben sich also schon öfter im Internet gesucht. Sind Sie eitel?

Nö, nö. Ein Freund von mir, ein alter Mann­schafts­kol­lege, hatte mich darauf auf­merksam gemacht, dass es einige alte Bilder und Mit­schnitte aus unserer Zeit in Leipzig gibt. Des­wegen habe ich mir das mal ange­schaut – ansonsten inter­es­siert mich das eigent­lich nicht.



Wenn man sich eine Galerie Ihrer Fotos in den letzten Jahren anschaut, ist eine gewisse Meta­mor­phose zu erkennen. Früher Glatze – heute langes Haar und Voll­bart. Ist das Aus­druck eines Rei­fe­pro­zesses?

Der Bart nicht. Er ist das Resultat zweier Wetten. Grund­sätz­lich ist es aber auch so, dass ich mich nicht gerne rasiere. Es kam mir also ganz gelegen.

Was war der Anlass für die Wetten?

Beim ersten Mal habe ich nach einem gewon­nenen Spiel gesagt, dass ich den Bart so lange nicht mehr abschneide, bis wir wieder ein Spiel ver­lieren. Dann haben wir erst mal sieben Wochen nicht ver­loren. Und jetzt vor der Win­ter­pause war es eigent­lich genauso. Aller­dings hat mich diesmal meine Freundin darauf hin­ge­wiesen, dass ich so eine Wette wieder ein­gehen könnte. Das war nach dem zweiten gewon­nenen Spiel – und siehe da, die Erfolgs­serie war wieder recht lang. (Sieben Spiele ohne Nie­der­lage, Anm. d. Red.)

Haben Sie den Bart nach der 0:4‑Niederlage in Mün­chen wieder abge­nommen?

Klar, sofort. Am Tag danach – das sah ja auch nicht wirk­lich toll aus. Der ist ein­fach wild gewachsen, ich durfte ihn ja nicht einmal stutzen!

Sie sind der dienst­äl­teste Profi beim FC Erz­ge­birge. Sie haben immer im Mit­tel­feld gespielt, immer sehr kon­stant gespielt. Ist Fuß­ball Rou­tine für Sie?

Defi­nitiv nicht. Es ist immer noch der Job, den ich mir immer vor­ge­stellt habe. Besser gesagt: An und für sich ist das ja gar kein Job. Manchmal habe ich zwar das Gefühl, aber dann muss ich mir ein­fach nur ein paar Sachen vor Augen führen, und dann weiß ich wieder, dass ich ein schönes Leben habe. Ich habe das, was ich immer wollte, zum Beruf gemacht – es ist also kein Job, son­dern mein Hobby. Und ich hatte Glück, damit Geld ver­dienen zu können.

Wenn man so lange auf hohem Niveau in einer ver­gleichs­weise kleinen Stadt Fuß­ball spielt, wird man dann not­wen­di­ger­weise zu einer Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur?

Damit werde ich in den letzten ein­ein­halb Jahren immer häu­figer kon­fron­tiert. Ich glaube, dass es normal ist, dass die Fans es heut­zu­tage immer schwie­riger haben, sich mit Spie­lern zu iden­ti­fi­zieren. Die Wechsel pas­sieren sehr häufig und vor allem schnell. Ins­be­son­dere in Zeiten, wo immer mehr Euro­päer in allen Ligen spielen und immer weniger Deut­sche in den Ver­einen kicken. Des­wegen höre ich das mit der Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur schon von Zeit zu Zeit – da kann man sich nicht gegen wehren. Aber es ist natür­lich auch schön, wenn die Reak­tionen dann so kommen wie hier in Aue.

Sie sind ein Star auf Lokal­ebene.

Das würde ich nicht sagen. Wir haben sicher­lich eine Son­der­stel­lung hier in dem kleinen Ort, aber als Star sehe ich mich über­haupt nicht. Ich kann wie alle anderen auch ganz normal durch die Gegend laufen. Klar, die Leute schauen mal auf, lassen einen aber in Ruhe. Das Leben hier ist absolut in Ord­nung.

Sie fühlen sich also in der Innen­stadt von Aue nicht in Ihrer Pri­vat­sphäre gestört?

Da bin ich fast nie. Die Innen­stadt von Aue ist ja auch relativ klein – unter dem Begriff Innen­stadt stelle ich mir eigent­lich auch was anderes vor. Es zieht mich meis­tens woan­ders hin.

Wie sieht Ihr Alltag als Zweit­li­ga­profi in Aue aus? Haben sie genug Zeit für andere Inter­essen und beruf­liche Wei­ter­bil­dung?

Wir trai­nieren zweimal die Woche zweimal, da ist es natür­lich schwierig, noch was anderes zu machen, weil man sehr kaputt ist. Ansonsten bleibt eine ganze Menge Zeit, und ich habe auch schon einiges gemacht und abge­schlossen. Ich bin ja nun auch nicht mehr so jung – da muss es bald mal los­gehen. Ich muss mich ori­en­tieren, um zu wissen, was ich machen will.

Wie stellen Sie sich denn Ihr Leben nach dem Kar­rie­re­ende vor?

Ich habe noch keine Ahnung und bin da völlig offen. Ich bin 28, es kann irgend­wann los­gehen. Wenn man sich ver­letzt, eben ein biss­chen früher. Aber ich gehe schon davon aus, dass ich noch ein paar Jahre spiele. Ich bin viel­seitig inter­es­siert, gehe in meh­rere Rich­tungen. Was es dann kon­kret wird, muss man sehen.

In welche Rich­tungen haben Sie bis­lang geschaut?

Ich habe einen Abschluss in Sport­ma­nage­ment in Dresden gemacht. Das war an einer Fort­bil­dung­ein­rich­tung der Uni­ver­sität in Dresden, an der extra für fuß­ball­spie­lende Profis ein Kurs kon­zi­piert wurde. Das haben wir dann immer mon­tags und diens­tags gemacht, der Rest war Fern­stu­dium. Das ging 20 Monate, und am Ende habe ich dann eine C‑Lizenz für den Manage­ment­be­reich erworben. Das war vor zwei Jahren. Nebenbei ver­suche ich, mich zu Hause wei­ter­zu­bilden. Ich denke schon, dass ich im Fuß­ball bleibe, weil er mich sehr inter­es­siert. Und um mich kom­plett neu zu ori­en­tieren, habe ich zuviel Zeit in den Fuß­ball gesteckt. Und dazu macht er mir auch ein­fach viel zu viel Spaß.

In der zweiten Liga kann man nicht das große Geld ver­dienen. Wie viel Idea­lismus gehört auch dazu, sich über Jahre für einen Pro­vinz­club zu schinden?

Man darf Aue nicht unter­schätzen. Es ist zwar ein kleiner Verein, der aber seit Jahren im Pro­fi­fuß­ball unter­wegs ist. Das hat nichts mit Pro­vinz zu tun, was den Fuß­ball angeht. Wir spielen in der Zweiten Liga – es sind ins­ge­samt nur 36 Profi-Mann­schaften in Deutsch­land. Das ist schone eine Aus­zeich­nung, hier spielen zu dürfen. Aue hat mir immer das geboten, was ich mir vor­ge­stellt habe. Ich habe mich nie gegen­über anderen Sachen ver­schlossen. Ich bin jetzt sieben Jahre hier, und für jemanden, der gern auch mal was anderes sieht, war das nicht immer ein­fach. Aber im Vor­der­grund stand für mich immer das Sport­liche – und da sah es immer gut aus. Es ging stetig nach oben, die Ent­wick­lung war sehr gut, und daran war ich absolut betei­ligt. Und auch sonst hat es gepasst: Ich habe meine Freundin hier ken­nen­ge­lernt, und so kommt es, dass ich jetzt im siebten Jahr hier bin. Mit Ideo­logie hat das nichts zu tun. Quälen musst du dich überall – ob bei einem sehr großen Verein oder hier in Aue, das ist eigent­lich egal.



Sie haben Ihre Kar­riere in den Ligen 2 und 3 ver­bracht. Fehlt Ihnen manchmal der Gla­mour der großen Fuß­ball­bühne?

Klar, wenn es geht, möchten alle irgend­wann ganz oben ankommen: in der Cham­pions League, auf den großen Fuß­ball­bühnen. Wir haben hier mitt­ler­weile das Glück, auch in einem großen Sta­dion vor vielen Zuschauern zu spielen. Wir befinden uns schon auf einer großen Ebene, und dar­über bin ich sehr glück­lich. Mann muss aus dem, was kommt, immer das Beste machen, und ich denke, da können wir uns nicht beschweren.

Sehen Sie eine rea­lis­ti­sche Chance auf ein Enga­ge­ment in der Ersten Liga?

Nein, das ist vorbei, der Zug ist wohl abge­fahren. Es sei denn, wir steigen mit Aue noch mal auf. Da sehe ich die letzte Chance, noch in der Ersten Liga zu spielen.

Wel­cher Verein hätte Sie denn gereizt?

Das ist auch so eine Geschichte zwi­schen wollen“ und ein Angebot bekommen“. Es gibt sicher­lich nicht mehr so viele Spieler, die sich das aus­su­chen können. Wenn man aus der Zweiten Liga kommt, hat man oft nicht so viele Mög­lich­keiten. Und wenn doch ein Angebot kommt, wird man sich sagen: Okay, das ist die Erste Liga, dann werde ich das annehmen. Mitt­ler­weile haben die ganzen Erst­li­gisten alle traum­hafte Sta­dien. Es wäre schön gewesen, da mal ein paar Spiele zu machen. Ich habe noch nicht auf­ge­hört, es ist alles noch mög­lich, aber nicht sehr wahr­schein­lich.

Sie haben eine her­vor­ra­gende Hin­runde gespielt, Aue steht mit 29 Punkten über­ra­schend auf Platz fünf. Wie sieht das Sai­son­ziel nach der Win­ter­pause aus?

Ich per­sön­lich möchte oben dabei bleiben, und oben heißt für mich auch Platz fünf. Außerdem wollen wir die Clubs ärgern, die sich von vorn­herein auf die Fahnen geschrieben haben, auf­zu­steigen. Das ist mein großes Ziel. Es ist schwierig, sich hin­zu­stellen und zu sagen: Hey, wir haben 29 Punkte – wir sind durch. Saar­brü­cken hat das vor zwei Jahren auch fast nicht hin­be­kommen. Die hatten zur Pause auch 29 Punkte und brauchten dann am letzten Spieltag bei uns noch einen Punkt für den Klas­sen­er­halt. So blöd dürfen wir nicht sein. Aber ich denke, dass wir klug genug sind, um das richtig ein­zu­schätzen. Ich möchte oben dabei­bleiben, aber für den Auf­stieg sind ganz andere Mann­schaften prä­de­sti­niert. Es gibt aber immer Aus­nahmen im Fuß­ball, und wir werden uns dem Auf­stieg auf keinen Fall ver­schließen, wenn es so kommen sollte. Wir sind momentan gut beraten, uns an der der­zei­tigen Tabel­len­si­tua­tion zu ori­en­tieren. Wenn das klappt, haben wir eine ganze Menge erreicht für Aue.

Ihr Trainer Gerd Schäd­lich spricht ver­ständ­li­cher­weise in der Öffent­lich­keit nie von Auf­stieg. Wird das denn mannsch­fafts­in­tern bespro­chen?

Wir sind rea­lis­tisch. Wir sehen die Sache von Spiel zu Spiel, anders ergibt es keinen Sinn. Es ist noch so viel Zeit, 17 Spiel­tage, erstmal müssen wir die 40“ holen. Das ist abge­dro­schen, ich weiß. Ich würde auch keinem anderen abnehmen, wenn er sagt: Wir haben 29 Punkte, unser Ziel ist es, nicht abzu­steigen. Das wäre kein Anspruchs­denken. Wir müssen ver­su­chen, so viele Punkte wie mög­lich zu holen. Es macht ja auch keinen Spaß, wenn du mit 29 Punkten in die Pause gehst und mit 43 ein­läufst. So machen wir uns keine Freunde. Wenn wir am 30. Spieltag noch eine Chance haben – dann müssen wir eben alles ver­su­chen.

Wann ist Erz­ge­birge Aue reif für die erste Bun­des­liga?

Mit dem Sta­dion gibt es ja schon Pläne. Und ich denke, dass man das auch immer tun muss: nach vorne schauen, sich ver­bes­sern. Es gibt eine ganze Menge, die noch gemacht werden muss. Aber der Verein wächst und hat sich in den letzten Jahren super gemacht. Das wird er hof­fent­lich auch wei­terhin tun und dann ist ein Auf­stieg selbst für eine kleine Stadt wie Aue mög­lich. Viel­leicht ist es ja schon dieses Jahr sport­lich so weit und der Rest kommt danach.

Und dann lassen Sie sich wieder einen Bart stehen.

Das könnte durchaus pas­sieren.