Keine Liga stellt bei der WM mehr Spieler als die Premier League. Doch die Superstars des Weltfußballs kommen nahezu alle aus anderen Ligen. Seit zehn Jahren wurde kein Kicker von der Insel mehr Weltfußballer. Ist die englische Liga schlechter als ihr Ruf?
„What about that? An unstoppable shot from Paul Scholes!“ Für die Kommentatoren gab es kein Halten mehr, als der rothaarige Mittelfeldmotor von Manchester United den Ball im Champions-League-Halbfinale 2008 in den Winkel hämmerte. Der Treffer besiegelte einen 1:0‑Sieg gegen den FC Barcelona. Damit stand das Team von Sir Alex Ferguson im Endspiel. Zu diesem Zeitpunkt dürften sich die Verantwortlichen der Premier League ähnlich unstoppable gefühlt haben.
Nicht nur kam es in Moskau wenige Wochen später zum ersten ligainternen Champions-League-Finale, zwischen United und dem FC Chelsea. Barcelona war sogar der einzige nicht-englische Klub im Halbfinale gewesen, Chelsea setzte sich gegen den FC Liverpool durch. Letzten Endes gewannen die Red Devils den Henkelpott. Modellathlet Cristiano Ronaldo wurde Ende des Jahres Weltfußballer.
Danach wurde es still um die englische Liga. In den folgenden zehn Jahren kam lediglich ein Champions-League-Titel dazu: Der äußerst glückliche Triumph des FC Chelsea 2012 gegen den FC Bayern München. Doch müsste es nicht der Anspruch sein der sogenannten besten Liga der Welt, den Gewinner des größten Klub-Wettbewerbs deutlich häufiger zu stellen? Oder den Fans die besten Spieler bieten zu können?
Die Spannung ist das Problem
Dass die britischen Teams im internationalen Vergleich seit Jahren nichts gewonnen haben, liegt auch an der, eigentlich fantastischen, Struktur der Liga. Die Premier League weist eine höhere Ausgeglichenheit auf als die anderen Top-Ligen. Die Meister wechseln sich fröhlich ab, selbst ein Märchen wie der Titelgewinn Leicester Citys ist möglich.
Diese Ausgeglichenheit führt allerdings auch zu einer höheren Belastung. Ein Zustand auf den auch José Mourinho im Laufe der vergangenen Spielzeit aufmerksam machte. „Letzte Saison spielte Real Madrid im letzten Monat der Liga mit einer B‑Elf. Sie konnten das tun und reisten zum Champions-League-Finale mit einem frischen Team. Juventus war bereits drei Monate vor dem Saisonende Meister und kam frisch zum Viertelfinale, Halbfinale und Finale. Für englische Teams ist das normalerweise unmöglich“ Die Premier League ist spannend – und das ist ihr Problem.
Groteske Übermacht
Denn international muss sie konkurrieren mit mehreren Teams, die in ihrer Liga beinahe grotesk übermächtig sind: Juventus Turin, dem FC Bayern und Paris Saint-Germain. Diese Übermacht bringt diverse Vorteile. Zum Einen die Vormachtstellung auf dem jeweiligen nationalen Transfermarkt.
Die Bayern brauchten ligaintern keine Konkurrenz fürchten, als sie Leon Goretzka verpflichten wollten. Juventus Turin war in Italien der einzige Klub, der die 90 Millionen Euro für Higuain bezahlen konnte. Paris hat Kylian Mbappé zum zweitteuersten Spieler der Geschichte gemacht. Die Klubs fungieren in der Champions League als eine Art Super-Auswahl ihrer jeweiligen Ligen.