Unser Autor ist Fan von Energie Cottbus und zweifelt fortan am Fußballgott. Denn die gute Taten seines Klubs und ihres Trainers Pele Wollitz kommen wie ein Bumerang zurück. Auf eine aberwitzige Art.
Es ist Samstag-Abend, kurz vor 21 Uhr. Die Sonne geht unter und in diesem Augenblick auch die Welt eines Fußballfans. Hinter mir liegt eine lange Auswärtsfahrt zum letzten Saisonspiel meines Lieblingsklubs und gleichzeitig das größte Unglück, das ein Fan erleben kann: Dem Abstieg seines Vereins beizuwohnen. Das mag jeder Saison Anhängern mehrerer Klubs so gehen, in dem Fall besitzt die Tragik jedoch eine besondere Note. Es ist der zweite 3. Liga-Abstieg innerhalb von drei Jahren. Und überhaupt: Es gibt dieser Tage wohl leichtere Schicksale, als Cottbus-Fans zu sein.
Beginnen wir die Geschichte von vorne: Im Frühjahr 2016 übernimmt Claus-Dieter, genannte „Pele“ Wollitz das sinkende Schiff namens Cottbus am Rande des 3. Liga-Abgrunds. Doch selbst er, der Motivator par excellence, kann die Mannschaft nicht mehr vor dem Untergang retten – der Verein stürzt hinab in die Regionalliga Nordost und ich ins Tal der Tränen, Schluss mit Profifußball. Künftig geht es auswärts nach Meuselwitz oder Auerbach.
Den widrigen Umständen zum Trotz
Doch die Fans und „Pele“ schaffen es, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen – es folgen zwei fantastische Jahre in Liga 4. Der vermeintliche Lohn dieser Reise: „Aufstiegsspiele“ in die 3. Liga. Als unangefochtener sportlicher Meister. Was für eine Farce. Bis zur Saison 2017/18 traten sechs Regionalligisten in diesem vermaledeiten Modus in drei direkten Duellen gegeneinander an.
Die widrigen Begleitumstände waren mir im Moment des Aufstiegsspiels allerdings vollkommen egal. Ich erinnere mich noch haargenau, wie ich vor circa einem Jahr an einen Donnerstag-Abend, 19:38 Uhr, oberkörperfrei in einem Kieler Stadion stehe. Wie es dazu kam: Soeben hatte Kunstschütze M.Z. erneut einen seiner brillanten Freistöße direkt verwandelt, sodass auch ich nicht mehr an mich halten konnte und mich des vorgefertigten Aufstiegs-Shirts entblößte. Man war das geil, 3:0! Auswärts! Im Hinspiel! Zur Halbzeit! Drei Tage später war es offiziell, im heimischen Stadion der Freundschaft brachen alle Dämme – die Rückkehr in Liga 3 war geschafft.
In der Zwischenzeit veränderten sich die Spielregeln. Dank Revoluzzer „Pele“ Wollitz hatte der hochemotional-geführte Diskurs über die Aufstiegsregelung zur 3. Liga an Fahrt aufgenommen. Die unbändigen Forderungen mit Sprachrohr Wollitz an der Spitze mündeten im Ergebnis, dass ab der Saison 2018/19 für die Regionalligen eine zweijährige Zwischenlösung installiert wird. Ein Teilerfolg mit Blick auf das eigentliche Credo „Meister müssen aufsteigen!“.
Die vorher von Cottbus bevölkerte Regionalliga Nordost erhält für die Saison 18/19 einen festen Aufstiegsplatz, ebenso wie die Staffeln West und Südwest. Die Nord- und Bayern-Staffel spielen in den nächsten Tagen den vierten Aufsteiger in Liga 3 aus. Warum das alles wichtig ist: Die 3. Liga stellte als Vorleistung einen weiteren Abstiegsplatz zur Verfügung, seit dieser Saison muss nun auch der Viertletzte absteigen.
Der Bumerang kommt um einiges härter zurück
Setzen wir uns abermals in die Zeitmaschine und springen zurück in die Gegenwart, genauer gesagt zum 18. Mai 2019, dem letzten 3. Liga-Spieltag. Mein Herzensklub holt im Abstiegskrimi gegen den direkten Konkurrenten Braunschweig einen Punkt und guckt dennoch in die Röhre. Die Rivalen aus Jena und Großaspach gewinnen und überholen Energie auf den letzten Metern. Das volle Unglück offenbart sich mir mit Blick auf die Tabelle: Mein Verein liegt in der Endabrechnung punktgleich mit Braunschweig, weist jedoch die um ein Tor schlechtere Differenz auf. Wir stehen unter dem Strich.
Leere. Für mich und Revoluzzer Wollitz bedeutet das den Abstieg in Liga 4. Pikant: Bei Rang 17 handelt sich um eben jenen Abstiegsplatz, den vor nicht allzu langer Zeit Wollitz im Sinne der Regionalligen eingefordert hatte. Mein Kumpel raunzt mir noch im Stadion zu, dass noch nie in den deutschen Profiligen ein Team mit 45 Punkten abgestiegen sei. Unfassbar! Doch damit noch nicht genug: Ich realisiere im nächsten Moment, dass der Bumerang um noch einiges härter zurückkommt. Unglücklicherweise wechselt in der Saison 19/20 das direkte Aufstiegsrecht der Regionalligen, weshalb der Meister der Nordost-Staffel – Cottbus‘ künftiger Liga – abermals in diesen unsäglichen Aufstiegsspielen antreten muss. Sollte es uns Ende Mai 2020 erneut erwischen, darf ich mir die Frage nach der Quadratur des Kreises stellen.
Ich muss mir gestehen: Der Fußball ist nicht immer gerecht und „Pele“ Wollitz schießt gerne einmal übers Ziel hinaus. Mit seiner Forderung „Meister müssen aufsteigen“ allerdings hat er ins Mark eines jeden Fußballfans getroffen und vielleicht ein Stück Gerechtigkeit auf den Weg gebracht. Leider auf eigene Kosten. Dafür möchte ich ihm danken – und gleichzeitig den Fußballgott verfluchen.