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Der Verein, der sich Rasen­ball­sport Leipzig nennt, bestritt das erste Pflicht­spiel seiner Geschichte am 8. August 2009, in der NOFV-Ober­liga Süd und bei der zweiten Mann­schaft von Carl Zeiss Jena.

Steine und Spucke

Auf der Fahrt zum Sta­dion wurde der Bus der Gäste mit Steinen beworfen. Als die RB-Spieler sich auf einem Neben­platz warm­liefen, bespuckte man sie. Direkt nach dem Abpfiff der Partie bestiegen die Leip­ziger hastig ihren Bus und ver­ließen, beschützt von einer Poli­zei­es­korte, die Stadt. Sie hatten nicht einmal gewagt, sich zu duschen oder umzu­ziehen.

Ziem­lich genau vier Jahre später trat RB zu seinem ersten Spiel im Pro­fi­fuß­ball an, beim Hal­le­schen FC in der 3. Liga. Obwohl 500 Poli­zisten für Ord­nung sorgen sollten, wurde der Leip­ziger Bus erneut ange­griffen, diesmal mit Fla­schen und sogar Böl­lern. Beim Spiel selbst blieb dann alles ruhig, anschlie­ßend aber kam es zu Aus­schrei­tungen, bei denen vier Beamte ver­letzt wurden.

Red Bull Schweine“

Ein paar Monate danach sah ich die Mann­schaft zum ersten Mal live im Sta­dion, und zwar bei Hol­stein Kiel. In der gesamten Innen­stadt waren die Spiel­an­kün­di­gungs­pla­kate über­klebt. Statt RB Leipzig“ stand dort nun Red Bull Schweine“. Nicht alle Gesänge der Hol­stein-Fans lassen sich hier wie­der­geben. Ein Banner im Heim­block stellte ebenso schlicht wie ein­deutig fest: Scheiss Red Bull!“ Aber immerhin wurde nie­mand bedroht.

Das war im März 2015 ganz anders. RB spielte seine erste Saison in der 2. Liga und reiste zum Karls­ruher SC. Im Vor­feld des Spiels bekamen einige RB-Fans, unter ihnen der Fan­be­auf­tragte Enrico Hommel, ein Schreiben, in dem es hieß: Wir möchten euch auf diesem Wege warnen, den weiten Weg nach Karls­ruhe anzu­treten.“ Zwei Stunden vor Beginn des Spiels stürmten Ver­mummte“, wie es in der Presse hieß, das Mann­schafts­hotel von RB. Sport­di­rektor Ralf Rang­nick sprach von völlig Wahn­sin­nigen“ und berich­tete, die Unbe­kannten wären bis in den Spei­se­saal vor­ge­drungen, in dem sich aber glück­li­cher­weise zu diesem Zeit­punkt keine Spieler mehr befanden.

Feu­er­zeug an den Kopf

Einige Monate später wurde das Pokal­spiel der Leip­ziger in Osna­brück abge­bro­chen, nachdem Schieds­richter Martin Petersen ein Feu­er­zeug an den Kopf bekam, das wahr­schein­lich den RB-Stürmer Yussuf Poulsen treffen sollte. So gesehen musste man fast froh sein, dass in Dresden vor zwei Wochen nur ein abge­trennter Schwei­ne­kopf von der Tri­büne geworfen wurde.

Morgen nun emp­fängt RB zu seinem ersten Heim­spiel in der Bun­des­liga Borussia Dort­mund. Nie­mand aus dem harten Kern der BVB-Fans wird jemanden bespu­cken, bewerfen oder ander­weitig bedrohen. Die Ultras aus Dort­mund tragen weder Steine noch Fla­schen oder Böller bei sich. Sie werden nicht mas­kiert sein und schleppen mit an Sicher­heit gren­zender Wahr­schein­lich­keit keinen blu­tigen Tier­schädel durch die Gegend. Statt­dessen feuern sie ihre Mann­schaft an und hören danach gemeinsam ein biss­chen Radio.

Was haben die Ultras diesmal getan?

Man müsste annehmen, dass den schwarz-gelben Ultras wegen dieses gera­dezu vor­bild­lich fried­fer­tigen Ver­hal­tens eine Welle der Sym­pa­thie ent­ge­gen­schlägt. Das Gegen­teil ist der Fall. Weil sie gar nicht erst nach Leipzig fahren, son­dern sich lieber das Spiel der zweiten Mann­schaft gegen Wup­pertal ansehen, dürfen sie sich zahl­reiche Vor­würfe anhören.

Einer von ihnen besagt, dieser stille Pro­test treffe nicht RB, son­dern den eigenen Klub und sei außerdem völlig sinnlos. Fans, die ihre Teams aus­wärts nicht begleiten, schaden damit vor allem der eigenen Mann­schaft“, erklärt ein aus­ge­wie­sener Experte für Fan­kultur namens Ralf Rang­nick. Pit Gott­schalk, als ehe­ma­liger Chef­re­dak­teur der Sport Bild“ eben­falls ein intimer Kenner der Stim­mung auf den Steh­plätzen, ver­weist darauf, dass der Gäs­te­block trotzdem voller Schwarz-Gelber sein wird, und schreibt: Die Mehr­heit der BVB-Fans will offenbar das tun, wofür Fans da sind: Ihre Mann­schaft, die den größten Umbruch seit zehn Jahren erlebt, beim zweiten Sai­son­spiel unter­stützen. Das und nur das ist Echte Liebe.“

Ihr Pro­test wird nichts ändern!“

Die Online-Aus­gabe der West­deut­schen All­ge­meinen Zei­tung wie­derum wusste schon im Juli: Ihr Pro­test wird nichts ändern. Das Sta­dion wird voll sein, Red Bull weiter inves­tieren, Leipzig weiter mit­spielen.“

Gut, dass wieder mal alle wissen, was echte Liebe ist, wie genau man gegen etwas pro­tes­tieren darf, was einem nicht gefällt, und wofür diese Fans über­haupt da sind.

Wofür sind Fans da?

Echte Liebe ist, wenn man ein per­sön­li­ches Opfer bringt, weil man glaubt, dass es dem Objekt der Liebe hilft, auch wenn es einen selbst viel­leicht schmerzt. Wenn einem etwas nicht gefällt, darf man in diesem Land nach eigenem Gut­dünken pro­tes­tieren, solange man keine Gesetze bricht und fried­lich bleibt.

Fans sind dafür da, sich nicht vor­schreiben zu lassen, wofür Fans da sind.