Ein Nazi-Skandal erschüttert den Fußballkreis Minden. Unser Autor ist in heller Aufregung, denn er kommt von dort.
Der Fußballkreis Minden schafft es eher selten in die überregionalen Medien. Was daran liegt, dass fast alles dort vorhandene sportliche Talent vom seit Jahrzehnten dominieren Handballsport absorbiert wird, so dass der beste Fußballklub maximal in der sechsten oder siebten Liga aktiv ist. Die einzigen Fußballer von Bedeutung, die dort herkommen (Arne Friedrich und Yves Eigenrauch), haben rasch zugesehen, dass sie Land gewinnen. Zurück blieben Rumpelfüßler wie ich.
Schon ewig nicht mehr hat der Fußballkreis solch große Schlagzeilen geschrieben wie in den vergangenen Tagen, leider waren es keine guten. Da kursierte nämlich plötzlich ein Video in den Sozialen Netzwerken, dass die Spieler des TuS Holzhausen Porta bei der Feier des Aufstiegs in die Kreisliga A zeigte. Das Video ist immer noch zugänglich, wenn auch verpixelt, und zeigt die entfesselte Truppe beim Skandieren verfassungsfeindlicher Schlachtrufe („Sieg Heil!“), inklusive korrespondierender Gymnastik des gestreckten rechten Arms von unten nach oben.
Der Sponsor findet: „Das kommt immer mal vor“
Warum das bereits im Mai aufgenommene Video erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangte, ist nicht bekannt, jedenfalls war es plötzlich da und sorgte für helle Aufregung. Naja, nicht bei allen, so reagierte der Sponsor des Klubs, ein Recycling-Unternehmer, betont gelassen: „Die Jungs haben schön gefeiert. Das kommt immer mal vor. Das Thema wird mir zu sehr an die große Glocke gehängt.“
Dass die Jungs „schön gefeiert“ hätten, blieb aber eine Einzelmeinung, der überwiegende Rest des Fußballkreises reagierte entsetzt. Das galt auch für den Klubvorstand des TuS Holzhausen Porta, der sofort ankündigte, die Missetäter aus dem Verein auszuschließen, was sich allerdings im weiteren Verlauf als schwierig herausstellte, weil die zur Rede gestellte Mannschaft zwar einerseits beteuerte, mit beiden Beinen fest auf den Boden des Grundgesetzes zu stehen, sich allerdings andererseits weigerte, die Identität der Westentaschen-Nazis preiszugeben.
Als Ergebnis hat der Vorstand nun die komplette Erste vom Spielbetrieb abgemeldet, was die Aufstiegsfeier, mit der sich alle Beteiligten so viel Ärger eingehandelt haben, im Nachhinein obsolet macht. Effizienz geht ganz sicher anders! Ganz vom Tisch ist die Sache damit aber noch nicht, weil mittlerweile der Staatsschutz in der Sache ermittelt, was im Ergebnis noch wesentlich unangenehmer werden könnte als eine verwirkte Spielberechtigung in der Kreisliga A.
Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass Spieler des Klubs in einen Skandal verwickelt sind. Es muss irgendwann in den frühen Achtzigern gewesen sein, als ein Spiel zwischen dem TuS Holzhausen Porta und meinem Heimatverein SV Bölhorst/Häverstädt überraschend ausfiel. Grund dafür war nicht etwa ein unbespielbarer Platz oder das Nichterscheinen des Schiedsrichters, sondern eine zu geringe Anzahl spielfähiger Akteure. Beiderseits waren höchstens eine Handvoll Spieler erschienen, was aber nichts mit einer vereinsübergreifenden Verletzungsmisere und erst recht nichts mit einer plötzlich über den Fußballkreis gekommenen Seuche zu tun hatte, sondern, wie sich später herausstellte, gewissen Vorkommnissen vom Vorabend geschuldet war.
Da nämlich waren zahlreiche Fußballer beider Mannschaften beim traditionellen Häverstädter Schützenfest aufeinander getroffen. Man hatte sich, zuerst freundlich, über das anstehende Spiel ausgetauscht, wobei ein Wort und ein Bier das andere gab, was im weiteren Verlauf zu allerlei Gefrotzel und einer allmählichen Eintrübung der anfangs heiteren Gesprächsatmosphäre führte. Auch wenn der eskalationsauslösende Dialog mit dem Abstand von über 30 Jahren nicht mehr vollständig rekapitulierbar ist, so dürften darin doch die Sätze „Was willst du?“ und „Komm her, du!“ vorgekommen sein.
Ungesunde Mischung aus Testosteron und Bier
In dieser unübersichtlichen Gemengelage verlor einer der leidenschaftlichen Diskutanten die Nerven, griff zu einem nebenstehenden Klappstuhl und zog ihn seinem nächsten Kontrahenten über den Schädel. Dies wiederum löste eine Kettenreaktion aus, die dafür verantwortlich war, dass der Referee am nächsten Tag nur die bibelfesten Schützenfestverweigerer und Brillenträger antraf. Alle anderen lagen im Krankenhaus.
Was den damaligen, heute längst vergessenen Vorfall ausgelöst hat, liegt auf der Hand: eine ungesunde Mischung aus Testosteron und zu großzügig nachgeschenktem Bier. Unwahrscheinlich indes, dass allein damit auch der kürzliche Vorfall in der Holzhauser Kabine zu erklären ist. Ob es sich bei den beteiligten Spielern allerdings tatsächlich um Rechtsausleger handelt oder ob sie, wie es die Reporterlegende Werner Hansch mal in einem anderen Zusammenhang formulierte, „ein Problem zwischen den Ohren“ haben, bleibt den Erkenntnissen des Staatsschutzes vorbehalten.
Eine Mannschaft weniger in der Kreisliga A
Die vorläufige Bilanz ist für den Fußballkreis wie für den Verein deprimierend genug. Der Ruf ist einstweilen ruiniert, die Mindener Kreisliga A wird die Saison mit 15 statt 16 Klubs zu Ende spielen und der TuS Holzhausen Porta für zukünftige Spielergenerationen am besten eine Überwachungskamera in der Umkleidekabine installieren.
Immerhin hat Bundesligist GWD Minden neulich überraschend bei den Füchsen Berlin gewonnen. Und damit zurück zum Handball.