Seit der Journalist Matthias Wolf die Stasi-Vergangenheit des Präsidenten von Union Berlin aufdeckte, war er beim Klub Persona non grata. Nun hat die „Berliner Zeitung“ die Zusammenarbeit mit Wolf beendet. Unser Kolumnist Uli Borowka über das schwierige Verhältnis zwischen Vereinen und Journalisten.
15 Jahre lang berichtete der Journalist Matthias Wolf über den 1. FC Union Berlin, deckte unter anderem die Vergangenheit von Union-Präsident Dirk Zingler als ehemaliges Mitglied des Stasi-Wachregiments „Feliks Dzierzynski“ auf. Der Artikel „Der schwarze Fleck“, am 19. Juli 2011 in der „Berliner Zeitung“ erschienen, sorgte dafür, dass Sticker mit dem Aufdruck eines duchgestrichenen Wolfs im Stadion An der Alten Försterei auftauchten. Union-Präsident Zingler soll sich persönlich bei Wolfs Arbeitgeber beschwert haben. Nun zog die „Berliner Zeitung“ ihren Reporter von der Berichterstattung bei den „Eisernen“ ab, Wolf kündigte daraufhin. Unser Kolumnist UIi Borowka erlebte während seiner Zeit als Profi von Werder Bremen, wie Trainer Otto Rehhagel unliebsame Journalisten einfach austauschen ließ.
Neun Jahre, von 1987 bis 1996, habe ich bei Werder Bremen gespielt. Bis 1995 unter dem Trainer Otto Rehhagel. Acht Jahre, in denen die Presse über den Verein größtenteils sehr positiv berichtete. Weil wir so erfolgreich spielten? Auch. Vor allem aber, weil der Trainer Otto Rehhagel hieß. Denn im Umgang mit der Presse wurde „König“ Otto seinem Spitznamen wirklich gerecht. Wenn es um die Pressefreiheit ging, war Bremen in diesen Jahren tatsächlich noch eine Monarchie. Wer dem Herrscher nicht gehorchte, der bekam Probleme.
Rehhagel sagte: „Uli, fahren Sie die Antennen aus!“
„Uli, fahren Sie Ihre Antennen aus!“ Das war das erste, was Rehhagel mir sagte, als ich 1987 zu Werder kam. Otto und die Presse, das war ein Verhältnis für sich. Er hat den Medien nicht vertraut und in jeder Redaktion Schmierfinken vermutet, die für böses Blut in der Werder-Familie sorgen wollten. Also tat er alles dafür, die Berichterstattung in Bremen zu kontrollieren.
Wirklich schwer war das nicht. In Bremen gab es damals genau zwei Zeitungen, die regelmäßig über uns geschrieben haben: Der „Weser Kurier“ und die „Bild“-Zeitung. Der Reporter vom „Weser Kurier“ schrieb bereits seit Jahrzehnten über Werder, gehörte also fast zur Familie. Und die „Bild“-Zeitung? Nun, die versuchte natürlich, ihren Lesern pikante Geschichten aus dem Innenleben unserer Mannschaft zu bieten. Aber nicht mit Otto. Folgende Szene hat sich während meiner Zeit in Bremen gleich mehrfach zugetragen: Weil der Mann von der „Bild“ nach einigen Niederlagen erwartungsgemäß schlecht über Werder berichtet hatte, setzte sich Otto in seinen Wagen, sagte uns, er müsse jetzt mal seinen guten Freund im Hamburger Axel-Springer-Haus besuchen und übergab das Training an seinen Co-Trainer. Wenige Tage später hatte seine Fahrt nach Hamburg bereits Wirkung gezeigt: Der unliebsame Reporter war nicht mehr zu sehen, dafür stand ein neues Gesicht an der Seitenlinie. Den nordete Otto denn auch gleich mal ein: „Wenn Sie Fragen haben, dann nur zum Sportlichen!“ Zack, das saß.
Freie Meinungsäußerung gab es in Bremen nur für die Spieler
Freie Meinungsäußerung in Bremen? Die gab es, aber nur für uns Spieler. Die Medien standen unter der Fuchtel von Otto Rehhagel. Als Spieler fand ich das großartig: Weil der Trainer uns abschirmte, konnten wir in Ruhe unseren Job machen – oder auch mal über die Stränge schlagen, ohne, dass am nächsten Morgen darüber in der Zeitung berichtet wurde. Heute, als Kolumnist, habe ich dazu selbstverständlich eine differenziertere Meinung. Wie hat es Heiner Bertram, der ehemalige Union-Berlin-Präsident in seiner E‑Mail an Uwe Vorkötter, den Chefredakteur der „Berliner Zeitung“ formuliert: „Wenn wir so weit sind, dass es einem Fußballpräsidenten gelingt, einen Sportjournalisten wegzumobben – dann gute Nacht zu Ihrem Blatt.“