Schon lange vor dem modernen Fußball hatten die Vereine der Bundesliga seltsame Maskottchen. Der Unterschied ist: Damals waren sie lebendig.
Dieser Text erschien (leicht abgewandelt) in unserem Bundesliga-Sonderheft zur Saison 2018/19. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Der Aufstieg des 1. FC Köln im letzten Sommer freute nicht nur die Fans des Klubs, sondern vermutlich auch einen 15-jährigen Greifvogel aus Coburg. Denn immer wenn der Effzeh nur zweitklassig kickt, ist die Bundesliga ein einsamer Ort für einen Steinadler namens Attila. Er ist dann das einzige lebendige Maskottchen im Oberhaus. Viele Anhänger von Eintracht Frankfurt hegen einen gewissen Stolz, dass sich bei ihrem Klub kein notleidender Student in einem atmungsinaktiven Plüschkostüm zum Affen machen muss, nicht mal zum Krokokodil, zur Biene oder zum Bären. Ein Alleinstellungsmerkmal ist das allerdings noch gar nicht so lange. Im Gegenteil, es gab eine Zeit, da gehörte es in der Bundesliga zum guten Ton, an der Seitenlinie einen Glücksbringer aus Fleisch und Blut und Fell zu wissen.
Es begann natürlich mit Hennes – dem Geißbock, der es schließlich sogar ins Kölner Vereinswappen schaffte. Die Zirkusdirektorin Carola Williams war es, die dem Klub im Februar 1950 den Ur-Hennes als Geschenk überreichte. Nur vier Jahre später zog Hannover 96 nach und präsentierte einen Schäferhund, der den Namen Etzel bekam. Vielleicht hatte auch Viktoria Köln zu jener Zeit ein quicklebendiges Maskottchen, denn es existiert ein Foto, auf dem Hennes I. vor dem Oberliga-Derby im März 1959 zusammen mit einem Pudel zu sehen ist, der ein Viktoria-Trikot trägt und Männchen macht. Aber so richtig in Fahrt kam die Tiere-als-Talisman-Manie erst mit Beginn der Bundesliga.
Hannover gehörte wieder zu den Pionieren: Im Aufstiegsrennen 1964 wurde das Kapuzineräffchen Popo zum Nachfolger von Etzel und neuer (erfolgreicher) Glücksbringer der Niedersachsen. Wie Popo an die Leine kam, das wäre heute ein ausgewachsener Skandal, doch damals nahm man es mit dem Artenschutz noch nicht so genau, jedenfalls sprach der „Kicker“ ohne Anflug eines Vorwurfs von einem „in Lüttich eingekauften und über die Grenze geschmuggelten Affen“.
Nur wenige Monate später, im September 1964, marschierte zum ersten Mal der Heidschnuckenbock Pico I. frohgemut ins Weserstadion. Vielleicht wäre er etwas weniger munter gewesen, hätte er gewusst, wer die Männer mit den weißen Schürzen waren, die ihn da über die Laufbahn führten. Es handelte sich nämlich um Mitglieder der Bruderschaft der Fleischergesellen. Sie hatten das Tier, das nach Bremens Kapitän Arnold „Pico“ Schütz benannt wurde, in der Lüneburger Heide gekauft und Werder geschenkt, um für ihren Berufsstand zu werben.