Laut einer neuen Studie berichtet jeder dritte Fußballprofi von Depressionen oder Angstzuständen. Sind Berufsfußballer anfälliger für mentale Probleme als andere Menschen?
Können Sie den Zusammenhang zwischen physischen Verletzungen und psychischer Belastung erklären?
Wir sprechen hier nicht von einfachen Verletzungen, die einen Spieler einige Trainingseinheiten oder ein bis zwei Spiele verpassen lassen. Belastend sind wirklich ernste Verletzungen, die Operationen nach sich ziehen und den Sportler für einen Monat oder länger vom Training ausschließen. Betroffene Spieler werden aus ihrem gewohnten Arbeitsalltag herausgerissen. Sie sind womöglich für längere Zeit vom Team getrennt. Wenn sich ein Spieler abseits der Mannschaft rehabilitieren muss, droht immer auch ein Zustand der sozialen Isolation einzutreten. Man muss kaum erwähnen, dass hier ganz akut die genannten Symptome getriggert werden können.
Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang ein stabiles soziales Umfeld der Spieler?
Aus vergangenen Studien wissen wir, dass kräftige Unterstützung von außen durchaus präventiv wirken kann. Andersherum läuft man in Fällen von Isolation und Einsamkeit Gefahr, in depressive Phasen zu verfallen. Soziale Stabilität kann aber gerade im Profisport nicht immer gewährleistet werden. Nehmen Sie zum Beispiel einen äußerst talentierten Jungprofi, der ohne Freunde und ohne Familie den Standort wechseln muss. Der Druck, sich möglichst schnell an eine neue Umgebung und sogar eine neue Kultur zu gewöhnen, ist sehr hoch. Wenn in einem solchen Fall also beispielsweise soziale Isolation und schwankende Leistungen zusammenkommen, sind das nicht die besten Voraussetzungen für einen gesunden Geist. In unserer Studie haben Spieler, die nur geringe soziale Unterstützung erfahren, auch häufiger über seelische Probleme geklagt.
Der Umschwung vom Profileben ins Leben danach ist ein entscheidender Punkt in jeder Fußballerkarriere. Wie bewerten Sie die Bedeutung des Karriereendes in Bezug auf seelische Beschwerden?
Mit etwas Glück kann ein Fußballprofi 10 – 15 Jahre seinem Beruf nachgehen. Er spielt regelmäßig und genießt eventuell sogar mediale Aufmerksamkeit. Aber nicht jeder Spieler bleibt nach dem Karriereende auch weiterhin im Rampenlicht. Von einem Tag auf den anderen kann er ein Niemand sein. Wer nicht auf das Leben nach dem Fußball vorbereitet ist, wird große Schwierigkeiten haben, einen neuen Platz in der Gesellschaft zu finden. Plötzlich muss man eine völlig andere Rolle spielen und neue Herausforderungen finden. Man wird nicht mehr jeden Samstag oder Sonntag von der jubelnden Menge daran erinnert, worin seine Aufgabe besteht. Ein abruptes und unfreiwilliges Ende, zum Beispiel hervorgerufen durch Verletzungen, kann besonders verheerende Auswirkungen auf den Geisteszustand eines Profis haben.
Müssen die Spieler also besser auf die Zeit nach dem Karriereende vorbereitet werden?
Genau. Die Karriereplanung ist entscheidend. Man sollte sich nicht erst mit 35 Gedanken über den weiteren Lebensverlauf machen. Das muss so früh wie möglich anfangen. Fußballakademien sollten sich gemeinsam mit den jungen Spielern darüber austauschen, was nach der möglichen Profikarriere kommen könnte.
Depressionen im Profisport wurden lange totgeschwiegen. Erst die tragischen Selbstmorde von Robert Enke oder Gary Speed mussten die Gesellschaft wachrütteln. Verändert sich die öffentliche Wahrnehmung des Themas und welchen Beitrag leisten ihre Studien dazu?
Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Unsere wissenschaftlichen Forschungsergebnisse klären die Öffentlichkeit auf und weisen auf das Ausmaß des Problems hin. Wir sammeln immer mehr wichtige Daten und erweitern unser Verständnis für das Verhältnis von physischer und psychischer Gesundheit. Haben wir genügend Wissen angehäuft, wird der nächste Schritt sein, effektive Präventionsmaßnahmen und Hilfestellungen innerhalb der Fußballverbände zu etablieren.